BAG Streetwork/ Mobile Jugendarbeit e.V.

Das Europäische Parlament hat die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, bis 2030 Wohnungslosigkeit in der EU abzuschaffen. Setzen Sie sich dafür ein, dass Deutschland das Ziel der Europäischen Union erreicht? Welche Maßnahmen werden Sie dafür umsetzen?

Die Fragen 1 und 2 werden im Zusammenhang beantwortet.

Aktuell sind ca. 678.000 Menschen ohne Wohnung. Die Pandemie hat die prekäre Situation noch verschärft. Wie können Sie bewirken, dass Wohnraum geschaffen und die Enge in Sammelunterkünften reduziert wird? Wie werden Sie medizinische Hilfen auch für nicht Krankenversicherte zugänglich machen?

Die Wohnkostenkrise ist eine der sozialen Fragen unserer Zeit. In unserer Offensive für bezahlbaren Wohnraum setzen wir uns deshalb dafür ein, dass endlich mehr, schneller und günstiger gebaut werden kann (vgl. Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 02. April 2019 „Offensive für bezahlbaren Wohnraum“). Denn wir können den Wohnungsmangel nicht wegregulieren, wir müssen ihn beheben. Mehr als 20.000 staatliche Vorschriften, Normen und Regelungen sind etwa immense Baukostentreiber, die wir dringend angehen müssen. Denn günstiger Bauen bedeutet auch, günstiger zu wohnen. Wir Freie Demokraten fordern daher einen Baukosten-TÜV, der alle neuen Gesetze, Vorschriften und Normen auf ihre Auswirkungen bezüglich der Wohnkosten prüft.

Wir Freie Demokraten wollen zudem für Menschen mit niedrigem Einkommen einen echten Zugang zu günstigem Wohnraum schaffen. Dazu muss sich die soziale Wohnraumversorgung an der potentiellen Mieterin beziehungsweise am potentiellen Mieter und nicht nur am Bau von neuen Sozialwohnungen orientieren. Wir wollen zahlungsschwachen Wohnungssuchenden den Zugang zum freien Wohnungsmarkt mithilfe des Wohngeldes erleichtern. Erst wenn dort die Wohnungssuche erfolglos bleibt, soll die Berechtigung auf Bezug einer Sozialwohnung erteilt werden.

Den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung wollen wir grundsätzlich für alle in Deutschland lebenden Menschen ermöglichen. Dazu gehört Aufklärung zu Rückkehrmöglichkeiten in die gesetzliche oder private Krankenversicherung. Das ist für uns der richtige Weg. Die Finanzierung der medizinischen Versorgung für nicht krankenversicherte Menschen darf nicht zulasten der Versichertengemeinschaft in der GKV gehen. Hier wollen wir an den bewährten Zuständigkeiten festhalten.

Unabhängige Beschwerdestellen bei Polizeigewalt und polizeilichem Fehlverhalten werden seit Jahren von den Menschenrechtsorganisationen in Deutschland eingefordert. Welche Schritte werden Sie bis wann unternehmen, um unabhängige Beschwerdestellen einzurichten?

Wir Freie Demokraten wollen das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei stärken. Zu diesem Zweck wollen wir die bereits bestehende Vertrauensstelle bei der Bundespolizei ausbauen und ermöglichen, dass sich künftig auch Bürgerinnen und Bürger mit Kritik und Hinweisen auf Fehlverhalten an die Vertrauensstelle wenden können. Zusätzlich setzen wir uns dafür ein, einen Beirat "Innere Führung" bei der Polizei zu etablieren, der Kriterien für Fehlerkultur und Selbstreflexion in der Polizeiarbeit erarbeiten soll. Das Fehlverhalten einzelner Beamtinnen und Beamter einschließlich der Bedingungen, die zu dem Fehlverhalten geführt haben, müssen aufgeklärt und abgestellt werden. 

Für Soziale Arbeit ist eine Vertrauensbeziehung zu Adressat*innen unerlässlich. Wie bewerten Sie das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen? Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass in der Sozialen Arbeit ein Zeugnisverweigerungsrecht gilt?

Wir Freie Demokraten wollen, dass Menschen, die sich in einer schwierigen Situation oder in einer Notlage befinden, ein flächendeckendes und objektives Beratungsnetzwerk zur Verfügung steht. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten hierbei eine herausragende Arbeit für die Gesellschaft. Für die effektive Arbeit von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist es unerlässlich, dass die Adressaten darauf vertrauen können, dass ihre Angaben auch mit der nötigen Sorgfalt und Vertraulichkeit behandelt werden.

Hinsichtlich der Aufnahme der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Anwendungsbereich des § 53 StPO ist zunächst festzustellen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber nicht freigestellt ist, den Kreis der aus Berufsgründen zeugnisverweigerungsberechtigten Personen nach Belieben zu erweitern. Zwar steht ihm ein gewisser Handlungsspielraum zu. Dieser ist jedoch auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen, um eine möglichst uneingeschränkte Wahrheitsermittlung im Strafprozess nicht zu gefährden.

Wir Freie Demokraten halten es für sinnvoll zu prüfen, ob die Vertraulichkeitsbeziehungen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zu ihren Adressaten durch § 203 Abs. 1 Nr. 6 StPO (bzw. durch die punktuelle Berücksichtigung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in § 53 Abs. 1 Nr. 3a und 3b StPO) sowie verfassungsunmittelbare Zeugnisverweigerungsrechte im konkreten Einzelfall hinreichend geschützt sind und, falls nein, inwiefern ein pauschales oder auf bestimmte Tätigkeitsbereiche begrenztes Zeugnisverweigerungsrecht eine sinnvolle Ergänzung des § 53 StPO darstellen könnte.

 

Menschen, die auf dem Land leben sind aufgrund der schlechteren Infrastruk-tur bezüglich Mobilität, Digitalisierung, Bildungs-/ Jugendhilfeeinrichtungen, strukturell benachteiligt. Wie wollen Sie den ländlichen Raum stärken? Welche Maßnahmen werden zum Abbau der Benachteiligung getroffen?

Wir Freie Demokraten wollen mit einer klugen Anbindung des ländlichen Raums an die Metropolregionen, mit Investitionen in die Infrastruktur und mit der Ansiedlung von Arbeitsplätzen für einen attraktiven ländlichen Raum sorgen. In vielen Bereichen des ländlichen Raums gibt es mittlerweile handfeste Probleme bei der Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur sowie der Mobilfunk- und Breitbandverbindung. Wir Freie Demokraten wollen einen Turbo beim Ausbau der digitalen Infrastruktur zünden, um die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung in Landstädten und Dörfern zu legen. Als Hochtechnologieland braucht Deutschland endlich eine leistungsstarke Mobilfunk- und Breitbandversorgung in der Fläche. Hierfür muss der Ausbau der digitalen Infrastruktur dringend beschleunigt und ausgeweitet werden. Zudem fordern wir eine flexible und bedarfsgerechte Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Als Ergänzung wollen wir eine intelligente Vernetzung öffentlicher und privater Verkehrsträger durch „Seamless Mobility“ und „Ridepooling“. Zusätzlich wollen wir durch integrierte Gesundheitszentren, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen sichern. Die Bedürfnisse des ländlichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen durch entsprechende Programme berücksichtigt werden.

In Deutschland leben Menschen, die aufgrund von Krieg, Armut und Verfolgung geflohen sind und hier illegalisiert sind. Sie haben erhebliche Unterstützungsbedarfe. Wie bewerten Sie die Situation? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um ihnen eine Perspektive zu geben und Wege in die Legalität aufzuzeigen?

Wir setzen uns für die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt für gut integrierte Schutzsuchende ein. Denn wer einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder sich in einer Qualifikationsphase (zum Beispiel Ausbildung oder Studium) befindet, sollte nicht ausgewiesen werden. Zudem wollen wir bürokratische Hürden bei der Arbeitsaufnahme, wie die Vorrangprüfung oder die Sperrfrist für Asylbewerber, abbauen. Gerade die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit erleichtert aus unserer Sicht auch erheblich die Integration und beschleunigt das Erlernen der deutschen Sprache. 

Besonders vulnerable Gruppen, zum Beispiel Verfolgte aus religiösen Gründen oder aufgrund sexueller Identität, brauchen sichere Verfahren und eine sichere Unterbringung sowie im Fall sogenannter sicherer Herkunftsländer eine besondere Rechtsberatung, um Anträge form- und fristgerecht stellen zu können.

Digitale Medien bestimmen unseren Alltag. Die Prozesse der Digitalisierung haben zu mehr Überwachung und Ökonomisierung von Daten geführt, auch zu neuen Formen sozialer Benachteiligung. Wie werden Sie die Bürger*innen hiervor schützen? Wie stehen Sie zu digitaler Selbstbestimmung als Menschenrecht?

Liberale Digitalpolitik bedeutet Selbstbestimmung über die eigenen Daten. Das ist eines unserer Kernanliegen. So fordern wir ein Recht auf Verschlüsselung, lehnen die digitale Überwachung von Menschen (z.B. über "Staatstrojaner") ab. Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung der Menschen muss auch im digitalen Bereich immer geschützt bleiben. Das ist ein Grundrecht. Dieser Maßstab muss auch für die Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchungen gelten. Auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist mit liberalen Werten nicht vereinbar. Als grundrechtsschonende Alternative schlagen wir das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren auf richterliche Anordnung vor.

Wir wollen den Schutz der Menschenrechte im digitalen Zeitalter stärken. Hierfür wollen wir die Internetfreiheit und digitalen Menschenrechte zu neuen außenpolitischen Schwerpunkten machen. Denn die Digitalisierung birgt sowohl neue Chancen für den Schutz der Menschenrechte als auch neue Herausforderungen. Beim Ausbau des Menschenrechtsschutzes im digitalen Zeitalter muss Deutschland im Zuge einer effektiven Cybersicherheitsstrategie in Europa und international eine Führungsrolle einnehmen – insbesondere beim Recht auf Privatsphäre, Anonymität im Internet und Verschlüsselung sowie beim Schutz personenbezogener Daten und vor Massenüberwachung. Zum Schutz der Privatsphäre gehört auch, dass zur Straf- und Zivilrechtsverfolgung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen Anonymität aufgehoben werden kann.

Durch Drug-Checking können Konsumierende/Dritte sich über den untersuchten Stoff und mögliche Gefahren informieren. Gleichzeitig ist eine Kontaktaufnahme der Drogenhilfe zu den Konsumierenden möglich. Wie steht Ihre Partei zum Drug-Checking? Mit welchen Maßnahmen werden Sie Drug-Checking einführen?

Drugchecking bietet Chancen und Risiken, diese sollten wir in Deutschland zunächst anhand von Modellprojekten untersuchen. Drugchecking bietet Chancen, da der Gesundheitsschutz der Konsumenten gestärkt und ein besserer Einblick in den Drogenmarkt und die im Umlauf befindlichen Drogen ermöglicht wird. Allerdings birgt Drugchecking auch Risiken. Nicht jedes Produkt kann sofort auf alle gefährlichen Inhaltsstoffe überprüft werden, somit bietet Drugchecking nur eine eingeschränkte Sicherheit. Weiterhin besteht das Risiko, dass Drogen, bei denen mithilfe des Tests gefährliche Inhaltsstoffe nachgewiesen wurden, von Konsumenten an Dritte weiterverkauft werden. Im Bereich Cannabis setzen wir uns für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene ein, diese würde ein Drugchecking aufgrund legaler Produkte, die hohe Qualitätsstandards erfüllen müssen, in diesem Bereich überflüssig machen.

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