TERRE DES FEMMES e.V.

Wird sich Ihre Partei für einen Aktionsplan zur Prävention und Abschaffung von weiblicher Genitalverstümmelung einsetzen, der Fachkräfteschulung, Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit, flächendeckende Fachberatungsstellen und die kassenleistende medizinisch/psychologische Nachbehandlung umfasst?

Wir unterstützen einen Aktionsplan gegen weibliche Genitalverstümmelung.

Wird sich Ihre Partei für die Einführung des Sexkaufverbots gem. Nordischem Modell, für die Finanzierung von Ausstiegsprogrammen und Unterstützungseinrichtungen für Prostituierte und für ein gesichertes Aufenthaltsrecht für Betroffene von Menschenhandel unabhängig von ihrer Zeugenaussage einsetzen?

Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt (vgl. BT-Drs. 19/29265). Darin setzt sie sich insbesondere dafür ein, dass in Zusammenarbeit mit den Bundesländern eine langfristige Strategie erarbeitet wird, die zu einer praxisnahen Verbesserung der Situation für Prostituierte in Deutschland führt und Grund- und Menschenrechte gewährleistet. Dazu gehört auch, den Schutz von Prostituierten ohne Aufenthaltserlaubnis auszubauen, indem die Bedenk- und Stabilisierungsfrist auch für Opfer von Ausbeutung in der Prostitution und Opfer von weiteren Straftaten, wie der sexuellen und physischen Gewalt gelten soll. Hierfür soll die sexuelle Ausbeutung (§ 180a StGB) in § 25 Abs. 4 a AufenthG (Aufenthalt aus humanitären Gründen) und auch in § 59 Abs. 7 AufenthG aufgenommen werden.

Generell wollen wir Beratungsstellen in der Breite ihrer Angebote unterstützen und einen Ausbau von niedrigschwelliger Beratung fördern. Dabei sollen Mittel, die den Beratungsstellen und Organisationen zur Verfügung gestellt werden, langfristig und flexibel einsetzbar sein. Wir wollen Ausstiegsprogramme für Prostituierte fördern, besonders für vulnerable Gruppen wie Drogenabhängige, Analphabetinnen, Prostituierte aus Drittstaaten ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland und Prostituierte mit minderjährigen Kindern. Zudem setzen wir uns für den Ausbau von niedrigschwelligen Aus- und Fortbildungssystemen für Prostituierte ein. Das Prostituiertenschutzgesetz soll um eine Vorschrift ergänzt werden, nach der alle staatlichen Stellen im Umgang mit Prostituierten auf zuständige Beratungsstellen und deren bestehende Beratungsangebote hinweisen sollen. 

Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, das religiöse und soziale Zwangsverheiratung nach StGB §237 strafbar wird? Werden Sie sich für ein Verbot der religiösen Voraustrauung auch für Volljährige sowie eine strafrechtliche Verfolgung einer Zuwiderhandlung stark machen?

Wir sind der Auffassung, dass Zwangsverheiratungen eine Gefahr darstellen, da sie die Betroffenen in aller Regel entmündigen und ihnen ihrer psychischen und oftmals auch physischen Selbstbestimmung berauben. Betroffene leiden unter einer Zwangsverheiratung ein Leben lang. Eine Voraussetzung zur erfolgreichen Bekämpfung von Zwangsverheiratungen ist es, die Wirksamkeit bestehender gesetzlicher Verbote sicherzustellen. Um das zu überprüfen, ist eine verlässliche Datenlage über das aktuelle Ausmaß sowie die Hintergründe von erzwungenen Heiraten unerlässlich. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat sich erst jüngst dafür eingesetzt, schnellstmöglich eine Folgestudie zu der im Jahr 2011 veröffentlichten Studie „Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen“ zu veranlassen, die eine aktuelle Datengrundlage über das Ausmaß von Zwangsverheiratung in Deutschland liefert (vgl. BT-Drs. 19/30328).

Wird sich Ihre Partei für die ersatzlose Streichung der Paragrafen 218/219 aus dem Strafgesetzbuch und des Paragrafen 12 aus dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) einsetzen?

Die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen ist grundsätzlich strafbewehrt und wird von der Rechtsordnung nur unter den Bedingungen der §§ 218a ff. StGB toleriert. Dieser gelungene Kompromiss ist das Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Diskussion und sollte in seiner Grundkonstruktion auch nicht angetastet werden. Eine ersatzlose Streichung des § 218 StGB wäre aufgrund der Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben verfassungsrechtlich zweifelhaft.  

Es muss sichergestellt sein, dass Frauen, die eine Abtreibung durchführen wollen, auch ausreichend Ärztinnen und Ärzte finden, die hierzu bereit sind. Daher setzen wir uns für eine ersatzlose Streichung von Paragraf 219a StGB ein. Es ist aber auch nachvollziehbar, wenn Ärztinnen und Ärzte sich entscheiden, aus Gewissensgründen keinen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen; dieser individuellen Entscheidung trägt Paragraf 12 Schwangerschaftskonfliktgesetz Rechnung. 

Werden Sie sich für eine bundesweite gesetzliche Regelung des „Kinderkopftuchs“ an allen öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie für die bundesweite Ausdehnung des Neutralitätsgesetzes und für die Einführung von „Ethik“ als Pflichtfach an öffentlichen Schulen einsetzen?

Die selbstbestimmte Entscheidung für das Tragen eines Kopftuchs oder anderen religiösen Symbolen muss in einem weltanschaulich-religiös neutralen Staat möglich sein. Das Grundrecht auf freie Religionsausübung darf daher nicht pauschal eingeschränkt werden. In bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes (beispielsweise Schulen, Justiz) kann es jedoch erhöhte Anforderungen an eine religiös und weltanschaulich neutrale Kleidung von Beamtinnen und Beamten geben. Mit Blick auf die Fragen zum Bildungsbereich verweisen wir auf die Kompetenz der Länder in diesem Bereich.

Wird Ihre Partei einen Rechtsanspruch auf Hilfe bei Gewalt unabhängig von Wohnort, Gesundheitszustand, Herkunft oder Aufenthaltstitel Betroffener umsetzen? Mehr als 100.000 Frauen sind jährlich von häuslicher Gewalt betroffen. Es fehlen jährlich 14.600 Schutzplätze in Frauenhäusern.

Wir Freie Demokraten fordern, dass die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt schnell, umfassend und wirksam umgesetzt wird. Bund und Länder müssen hier intensiver zusammenarbeiten. Wir wollen Betroffenen anzeigeunabhängig, kostenlos und anonym die Spurensicherung bei sexueller oder sexualisierter Gewalt ermöglichen. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei Polizei und Justiz müssen nach gemeinsamen Standards aus- und weitergebildet werden. Wir setzen uns für einen bedarfsgerechten Ausbau von Frauenhausplätzen, eine bundesweit einheitliche Finanzierung sowie ein nationales Online-Register ein. Informationen über Hilfsangebote zu häuslicher Gewalt sollen standardmäßig beim Besuch der Frauenärztin oder des Frauenarztes zur Verfügung gestellt werden. 

Frauen, aber auch Männer müssen, wenn sie Gewalt erlitten haben, schnell und unkompliziert Schutz erhalten. Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept, das insbesondere die Präventionsarbeit als wesentlichen Bestandteil umfasst und eine bessere Koordinierung der beteiligten Akteure beinhaltet. Projektarbeit, zum Beispiel an Schulen, kann oftmals aufgedeckte Fälle häuslicher Gewalt nicht weiterverfolgen, da die Vernetzung zur Beratungsstelle und/oder eine Finanzierung unzureichend vorhanden sind.

Polizei und Justiz müssen gut ausgestattet sein, damit in Gewaltsituationen schnell eingegriffen und geahndet werden kann. Wir begrüßen es, wenn die Polizei Anstrengungen unternimmt mehr Frauen – auch mit Migrationshintergrund – für den Polizeidienst zu gewinnen. Dies erleichtert es gerade weiblichen Opfern von Gewalt, eine Aussage zu machen.

Wir fordern auch, der Bekämpfung von Gewalt im Internet Priorität einzuräumen. Um Straftaten insbesondere gegenüber Frauen besser zu bekämpfen, müssen geschlechterspezifische digitale Straftaten in Kriminalitätsstatistiken aufgenommen werden. So können konkrete Handlungsbedarfe abgeleitet und umgesetzt werden.

Wird sich Ihre Partei für die Datenerhebung und Forschung von Femiziden, für eine Strafverschärfung der Täter sowie für Fortbildungen und verbindliche Protokolle bei Polizei und Gerichtswesen einsetzen? Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner umgebracht.

Wir fordern, dass die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt schnell, umfassend und wirksam umgesetzt wird. Bund und Länder müssen hier intensiver zusammenarbeiten. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei Polizei und Justiz müssen nach gemeinsamen Standards aus- und weitergebildet werden. Außerdem wollen wir eine besser ausgebaute und institutionalisierte präventive und sowie repressive Täter- und Täterinnenarbeit.

Wird sich Ihre Partei im Rahmen von bilateralen Verhandlungen in der Internationalen Zusammenarbeit (IZ) einbringen, um Menschenrechtsstandards einzufordern, insbesondere Frauenrechtsverletzungen anzuprangern sowie die Sichtbarkeit von Frauenorganisationen zu stärken?

Ja. Gerade in Krisenzeiten wie der aktuellen Covid-Pandemie geraten Menschenrechte international stärker unter Druck. Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass der Einsatz für Freiheit und Menschenrechte weltweit dringender denn je ist. Wir wollen deshalb, dass Deutschland beim Schutz der Menschenrechte international eine Vorreiterrolle einnimmt und Führungsstärke zeigt. Für uns Freie Demokraten ist die Sicherung von Frauenrechten eine der Herausforderungen bei der globalen Durchsetzung von Menschenrechten. Das gilt einerseits für umfangreiche politische, wirtschaftliche, soziale und religiöse Teilhaberechte, insbesondere das Menschenrecht auf Bildung. Um die Verwirklichung dieses Rechts zu gewährleisten, wollen wir die Investitionen Deutschlands in die Global Partnership for Education verdoppeln. Dazu kommen frauenspezifische Menschenrechtsverletzungen wie weibliche Genitalverstümmelung und Femizide. Wir wollen gezielt in Programme investieren, die die Lebens- und Überlebenschancen von Frauen verbessern, insbesondere in Zeiten von Schwangerschaft und Geburt. Weibliche Genitalverstümmelung wollen wir effektiv bekämpfen. In Deutschland lebende Mädchen gilt es durch die konsequente Umsetzung bestehender Gesetze wie Passentzug bei sog. „Ferienbeschneidungen“ zu schützen, betroffenen Frauen bestmögliche Versorgung, z. B. bei der Geburt, zu gewährleisten und das Budget für eine bessere Aufklärung über weibliche Genitalverstümmelung zu erhöhen. Dazu zählt auch der von der Bundesregierung für Eltern und Mädchen herausgegebene Schutzbrief. Wir kritisieren in diesem Zusammenhang scharf den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen und fordern die Bundesregierung und die EU auf, auf die Türkei mit Nachdruck darauf einzuwirken, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen.

Der Nationale Aktionsplan „Frauen, Frieden, Sicherheit“ und die entsprechende VN-Resolution 1325 müssen ambitioniert umgesetzt werden. Weltweit werden Krisen und Konflikte in den kommenden Jahren zunehmen. Besonders Kinder, ältere Menschen und Frauen sind in diesen Situationen besonders betroffen. Sexualisierte Gewalt wird systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass diese Form der Kriegsführung geächtet und sowohl die VN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) als auch die Istanbul-Konvention von Vertragsstaaten eingehalten und umgesetzt wird.

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