LiveMusikKommission e.V.

Die Kulturbranche wurde schwer von der Krise getroffen. Wie steht ihre Partei zur Verstetigung der Clubprogramme und zum Ausbau der Festivalförderungen auf Bundesebene?

Unser Ziel ist es, so viele Akteure wie möglich dazu zu befähigen, ohne staatliche Unterstützung ihre Unternehmungen umsetzen zu können. Dafür ist vor allem Planungssicherheit und die maximale Unterstützung von Veranstaltungen durch die Behörden vor Ort notwendig. Anstatt Steine in den Weg zu legen, sollten praktikable Lösungen gesucht werden. Dafür setzen wir uns mit unserem liberalen Staatsverständnis ein. 

Staatliche Subventionen versuchen wir daher so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig haben wir als Freie Demokraten schon seit Langem den künstlerischen und auch unternehmerischen Wert von Clubs und Festivals als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft erkannt. Damit sollten sie auch gleichwertig wie die „Hochkultur“ in den Genuss staatlicher Kunstförderung kommen, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt. 

So lange pandemische Einschränkungen bestehen, werden wir Freie Demokraten uns dafür einsetzen, einen Umsatzausgleich auch weiterhin zu ermöglichen, beispielsweise über den Ausfallfonds Kultur. Gleichwohl bleibt unser oberstes Ziel eine schnellstmögliche und möglichst umfassende Öffnungsperspektive für die Branche. Wer getestet, genesen oder geimpft ist, soll an Veranstaltungen grundsätzlich teilnehmen können.

Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass für die Schaffung zielgenauer und schneller Hilfsprogramme kaum bis wenig Daten der Veranstaltungsbranche verfügbar waren. Wie sieht Ihre Partei die Notwendigkeit der Unterstützung von regelmäßigen Erhebungen struktureller Kennzahlen von Clubs- & Festivals

Bereits zu Beginn der Corona-Krise haben wir auf die falsche Ausgestaltung der Wirtschaftshilfen hingewiesen. Von Anfang an wollten wir den Rückgang des Betriebsergebnisses im Krisenzeitraum im Vergleich zum Vorjahr und nicht die Erstattung der Fixkosten oder einen Umsatzbezug heranziehen. Außerdem wäre eine branchenspezifische Förderung notwendig gewesen. Deshalb bedarf es empirischer Anhaltspunkte für überbetriebliche Krisen. Diese kann immer dann als gegeben gelten, wenn nicht nur einzelne Unternehmen, sondern eine ganze Branche in einer Region im Zuge einer makroökonomischen Notlage abrupt unter massiven Druck gerät. Daher ist die Überbrückungshilfe an den branchendurchschnittlichen und nicht am unternehmensindividuellen Betriebsergebnis-Einbruch auszurichten. Dadurch werden auch Anreize gesetzt, selbst in der Krise den Wettbewerb um die besten Lösungen nicht aufzugeben. Innovation und Engagement darf nicht dazu führen, den Zugang zu Wirtschaftshilfen zu verlieren.

Die Sicherung von Kulturräumen im Sinne der funktionsgemischten, nachhaltigen Stadt, entsprechend der Neuen Leipzig Charta, muss Ziel für den Erhalt und die Stärkung der Musikinfrastruktur sein. Wie sieht Ihre Partei eine jährliche finanzielle Unterstützung für die Bundesstiftung LiveKultur?

Die Ziele der Bundesstiftung LiveKultur – die Sicherung von Kulturräumen, die Entwicklung von Förderkonzepten sowie die Anerkennung der Livekultur als wertige, schützenswerte und förderungswürdige Kultur – sind wichtiger denn je. Inwieweit das Stiftungsziel der Bundesstiftung Livekultur durch die Förderrichtlinien des Bundes gedeckt ist, muss geprüft werden. 

Wie stehen Sie zu Schallschutzfonds zur Lösung von Nutzungskonflikten zwischen Kultur und heranrückender Wohnbebauung? Halten Sie verpflichtende Regeln zum “passiven Schallschutz” für geeignet und wie stehen sie zu einer Änderung der TA Lärm?

Wir haben uns in dieser Wahlperiode dafür stark gemacht, dass Clubs insbesondere in Städten als baukulturelles Erbe angesehen werden. Zudem haben wir darauf hingewirkt, dass die Baunutzungsverordnung so verändert wurde, dass Clubs und sonstige Kulturorte dieser Art in die Kategorie der „Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke" neu eingeordnet werden. 

Im Falle der heranrückenden Wohnbebauung wollen wir das in London bereits erfolgreich umgesetzte Agent-of-Change-Prinzip auch in Deutschland einführen. Die Verpflichtung für ausreichenden Schallschutz muss dabei auf die heranrückende Wohnbebauung übergehen und nicht beim Club-Bestand bleiben. Gegen ein Übermaß an verpflichtenden Regeln im Lärmschutz sprechen wir uns jedoch aus, um auch in solchen, oftmals zentralen Lagen die Angebotsmieten nicht durch ein Übermaß an Baukosten zu steigern. 

In Fällen, in denen die Verantwortung für den Schallschutz nicht klar erkennbar ist oder bereits beim Bestands-Club liegt, werden wir eine Förderung prüfen. Dieser Notwendigkeit wollen wir aber durch eine dringend nötige Änderung der TA Lärm vorbeugen. Im Hinblick auf technische Innovationen und städtebauliche Entwicklungen und verändertem Freizeitverhalten der Bevölkerung wie regelmäßigen Besuchen in Clubs und entsprechend der Ergebnisse der Bauministerkonferenz soll die TA Lärm auf ihre Aktualität und Angemessenheit hin überprüft und entsprechend reformiert werden, insbesondere gilt das für die Immissionsrichtwerte nach § 6.1.  Hierzu hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag eine Initiative eingereicht (vgl. Die Blackbox Clubszene – Kreativ und wirtschaftlich BT-Drs.-19/16833).

Würden Sie sich vor dem Hintergrund einer Wiederbelebung des stark geschädigten Kulturbereichs für OpenAir-Veranstaltungen einsetzen und dass es für die Jahre 2022, 2023 und 2024 eine Ausweitung der sogenannten „Seltenen Ereignisse" nach der Freizeitlärm-Richtlinie, selbst in den Abendstunden gibt?

Die Änderung der Freizeitlärm-Richtlinie und damit auch die Ausweitung der sogenannten „seltenen Ereignisse“ liegt im Kompetenzbereich der Länder. Wir Freie Demokraten wollen uns jedoch bei diesen für eine Ausweitung einsetzen. Hierzu hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag eine Initiative eingebracht (vgl. Öffentliches Leben ermöglichen – Den Sommer 2021 nutzen BT-Drs. 19/30346).

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat sich 2020 für eine als Drug-Checking bekannte Analyse von Partydrogen auch in Deutschland ausgesprochen. Wie beurteilt Ihre Partei die Zulassung, auch des „mobilen Drugcheckings“ – Verfahrens, unter anderem in Spielstätten und auf Eventflächen?

Drugchecking bietet Chancen und Risiken, diese sollten wir in Deutschland zunächst anhand von Modellprojekten untersuchen. Drugchecking bietet Chancen, da der Gesundheitsschutz der Konsumenten gestärkt und ein besserer Einblick in den Drogenmarkt und die im Umlauf befindlichen Drogen ermöglicht wird. Allerdings birgt Drugchecking auch Risiken. Nicht jedes Produkt kann sofort auf alle gefährlichen Inhaltsstoffe überprüft werden, somit bietet Drugchecking nur eine eingeschränkte Sicherheit. Weiterhin besteht das Risiko, dass Drogen, bei denen mithilfe des Tests gefährliche Inhaltsstoffe nachgewiesen wurden, von Konsumenten an Dritte weiterverkauft werden. Im Bereich Cannabis setzen wir uns für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene ein, diese würde ein Drugchecking aufgrund legaler Produkte, die hohe Qualitätsstandards erfüllen müssen, in diesem Bereich überflüssig machen.

Es bedarf Regelungen zur Scheinselbstständigkeit in der Veranstaltungswirtschaft. Projektarbeit im Veranstaltungswesen muss von dem Verdacht auf Scheinselbständigkeit freigesprochen werden. Zur Projektarbeit zählen u.a. Tätigkeiten in Tontechnik und Bühnenbild. Sieht Ihre Partei hier Handlungsbedarf

Wir Freie Demokraten fordern Fairness für Selbstständige. Ob Freie Berufe, Kultur- und Kreativwirtschaft, Handwerk oder Dienstleistungsbranche: Selbstständige sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse. Mit unterschiedlichen Reformansätzen wollen wir die Selbstständigkeit erleichtern, sie als Selbstbestimmung ernst nehmen und für mehr öffentliche Wertschätzung von Selbstständigen sorgen. Ungleichbehandlungen wollen wir abbauen und zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung endlich an den tatsächlichen Einnahmen orientieren.

Wir Freie Demokraten fordern eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Über das Statusfeststellungsverfahren muss sich zweifelsfrei klären lassen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Klare gesetzliche Positivkriterien gewährleisten Rechtssicherheit, indem bei Vorliegen bestimmter Kriterien eine Selbstständigkeit rechtssicher und verbindlich festgestellt wird. Zudem soll die Prüfung durch eine unabhängige Stelle statt durch die Rentenversicherung vorgenommen werden.

Das hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag  in dem Antrag „Fairness für Selbständige: Statusfeststellungsverfahren reformiere, Altersvorsorge ermögliche, Kranken und Arbeitslosenversicherung öffnen“ (BT-Drs. 19/15232) festgeschrieben. 

Wie steht ihre Partei der Forderung gegenüber, den Bundesanteil an der Finanzierung der Künstlersozialversicherung auf mindestens 50% zu erhöhen, damit sich die versicherten Künstler:innen sowie die abgabepflichtigen Unternehmen besser von den Folgen der Pandemie erholen können?

Die Künstlersozialversicherung ist eine der tragenden Säulen der sozialen Absicherung vieler Kreativer, die wir erhalten und stärken wollen. Währen der Corona-Zeit sind die Grenzwerte bei der Künstlersozialkasse (KSK) gelockert worden, die Mindestverdienstgrenze ist ausgesetzt, der zulässige, selbständige Zuverdienst in nichtkünstlerischen Bereichen ist angehoben. 

Wir haben seit Beginn der Krise gefordert, die Lebensrealität von Künstlerinnen und Künstlern, also vor allem der Selbständigen ohne Angestellte, anzuerkennen und wertzuschätzen. Praktisch heißt das: Die Hilfen hätten von Anfang an auch für Lebenshaltungskosten und damit einen Unternehmerlohn geöffnet werden müssen. Hierzu hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag eine Initiative eingebracht (vgl. Wertschätzung für Selbständige – sofort verlässliche und unbürokratische Corona-Hilfen schaffen BT-Drs. 19/25241). Die erst im Januar 2021 eingeführte und bis September geltende „Neustarthilfe für Selbständige“ ist - auf dann 18 Monate Pandemie bezogen - kein adäquater Unternehmerlohn. 

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