Allianz der Gleichstellungsbeauftragten der außeruniversitären Forschungsorganisationen (AGbaF)

Plant Ihre Partei eine ganzheitliche Gleichstellungsstrategie für die deutsche Wissenschaftslandschaft über bestehende Einzelmaßnahmen hinausgehend, insbesondere für die außeruniversitären Forschungs-organisationen? Welche Meilensteine sind enthalten? Wie wird die Nachhaltigkeit gesichert?

Wir Freie Demokraten setzen uns für mehr Diversität in der Gesellschaft im Allgemeinen und in der Wissenschaft im Besonderen ein. Wir wollen in der Wissenschaft für mehr Diversität sorgen, denn Forschung lebt auch vom Perspektivwechsel. Doch leider zahlen die außeruniversitären Forschungsorganisationen immer noch lieber die Ausgleichsabgabe, anstatt fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderungen zu besetzen. Leider ist der Anteil von Frauen insbesondere in Führungspositionen und vor allem in MINT-Fächern nach wie vor deutlich zu gering. Wir möchten bessere Rahmenbedingungen an Hochschulen für Wissenschaftskarrieren schaffen. Dabei ist uns auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein zentrales Anliegen – zum Beispiel durch eine bessere Kinderbetreuung an Hochschulen und die Möglichkeit für Väter und Mütter, ihre Lehrverpflichtungen beziehungsweise Forschungszeiten selbstbestimmter festzulegen. Des Weiteren setzen wir uns für eine Untersuchung zur Situation von Frauen in der deutschen Wissenschaft ein – nach dem Vorbild des MIT (Massachusetts-Institut für Technologie) Ende der 1990er Jahre.

Welche Rolle wird die schon im letzten Koalitionsvertrag vereinbarte ressortübergreifende Bundesstiftung Gleichstellung im Rahmen einer solchen Strategie spielen? Wie werden Sie garantieren, dass die gleichstellungspolitische Expertise der AGbaF in Aufbau und Entwicklung der Stiftung einfließt?

Das Gesetz zur Errichtung einer "Bundesstiftung Gleichstellung" trat im Mai 2021 in Kraft. Derzeit befindet sich die Stiftung im Aufbau. Die Aufgabe der Stiftung ist es, für mehr Wissen, mehr Aktion zwischen Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft sowie mehr Innovation in der Gleichstellungspolitik zu sorgen. Diese drei zentralen Aspekte unterstützen auch wir Freie Demokraten. Für uns ist entscheidend, dass die neue Stiftung insbesondere dazu beiträgt, Gleichstellung zu beschleunigen. Dazu sollte sie bereits vorhandenes Wissen nutzen, es gezielt erweitern und mit modernen Mitteln in die Umsetzung bringen.

Welche Strategie wird Ihre Partei verfolgen, um der ungleichen Repräsentation der Geschlechter in den außeruniversitären Forschungsorganisationen - insbesondere auf Führungsebene - entgegenzuwirken?

Aus Sicht der Freien Demokraten haben wir hier weniger ein Erkenntnis- als vielmehr ein Umsetzungsproblem. Die Probleme sind bekannt und die Forderungen liegen auf dem Tisch. Es geht aber viel zu langsam voran. Woran dies jedoch im Einzelnen liegt, wollen wir durch eine systematische Untersuchung sowie eine quantitative und qualitative Analyse am Beispiel des KIT erheben. Das KIT ist sowohl Exzellenzuniversität als auch Institut der Helmholtz-Gemeinschaft und gehört mit seinen rund 9.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den Großforschungsstandorten. Daher würde sich das KIT hervorragend für eine rasch durchzuführende Pilotstudie eignen (vgl. „Gleichstellung in der Wissenschaft – Vorgehensweise des Massachusetts Institute of Technology als Vorbild für das deutsche Wissenschaftssystem“ BT-Drs.-19/23629).

In die Führungsebene aufsteigen kann aber meist nur, wer schon früh am Ball ist. Wir Freie Demokraten fordern daher eine MINT-Offensive. Pädagoginnen und Pädagogen müssen für experimentelles und forschendes Lernen in allen Kitas ausgebildet werden. Mit modernen Makerspaces in Schulen ermöglichen wir allen Jugendlichen bessere Zukunftschancen. Auch fordern wir ein gezieltes Maßnahmenpaket für die Förderung von Mädchen und Frauen im MINT-Bereich. Denn so werden aus jungen Forscherinnen aufgeweckte Erwachsene, die wissenschaftliche Innovationen aktiv mitgestalten.

Verfolgt Ihre Partei die Implementierung eines Gender Budgeting Ansatzes im Sinne einer geschlechtergerechten Partizipation an finanzpolitischen Entscheidungen?

Aus Sicht der Freien Demokraten gibt es kein pauschales 'Ja' oder 'Nein' zum Gender Budgeting, da dieser Begriff oftmals sehr weit gefasst wird. Unterschiede in der Verteilung von Haushaltsmitteln sind eine Konsequenz aus zuvor getroffenen politischen Entscheidungen. Hier gilt es, wie in den anderen Fragen beschrieben die richtigen Grundsatzentscheidungen zu treffen, damit die Haushaltsmittel bei den richtigen Adressatinnen und Adressaten ankommen.

Berücksichtigt eine solche Strategie Infrastruktur, personelle Ressourcen, gleichstellungsrelevante Forschungsthemen sowie die Ausstattung von Gleichstellungsbeauftragten?

Wir sind der Überzeugung, dass sich die Führungskulturen der AuF wandeln müssen. Noch wirken unbewusste Vorurteile ("Unconscious Bias"), die unbedingt noch stärker hinterfragt werden müssen. Nicht jede Spitzenwissenschaftlerin und jeder Spitzenwissenschaftler ist auch eine gute Führungskraft. Stark hierarchische Strukturen und Abhängigkeitsverhältnisse können dazu beitragen, Arbeitsatmosphären negativ zu beeinflussen. Auch wenn sich die AuF dessen zunehmend bewusster werden, muss an der Umsetzung von Erkenntnissen noch gearbeitet werden.

 

Berücksichtigt eine solche Strategie die Ausweitung des Zuwendungsrechts bezüglich der finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten der Karrieren von Wissenschaftlerinnen?

Das Zuwendungsrecht gilt es laufend zu überprüfen und wenn notwendig, bei Bedarf anzupassen. Dies betrifft neben wirtschaftlichen und politischen Veränderungen auch gesellschaftliche Gesichtspunkte. Im Rahmen dieser Prüfung sind daher auch Gleichstellungsaspekte zu berücksichtigen.

Wie wollen Sie gewährleisten, dass künftig Genderaspekte in allen Forschungsprojekten Berücksichtigung finden?

Der Forschungsstandort Deutschland steht in einem harten internationalen Wettbewerb. Die Forschungsfreiheit ist ein hohes Gut. Gleichzeitig ist es entscheidend, dass Wissenschaft und Forschung nachweisbare Ergebnisse und Lösungen (sei es Output, Outcome und/oder Impact) für existenzielle Fragen entwickeln. Technologische wie soziale Innovationen müssen die Wirtschaft ebenso wie die Gesellschaft voranbringen sowie Fortschritt und Wettbewerbsfähigkeit sichern. Stärker als bisher muss im Selbstverständnis öffentlich geförderter Forschung verankert werden, dass gesellschaftlicher Nutzen im Sinne von Impact daraus erwachsen sollte. Welcher Nutzen das sein könnte und welche Anstrengungen unternommen werden müssten, damit er entsteht, muss permanent mitgedacht werden(vgl. „Forschungsstrukturen und -kulturen neu denken − Handlungsfelder zur Stärkung von Agilität, Effizienz und Impact außeruniversitärer Forschungseinrichtungen“ BT-Drs.-19/30835).

Welche Pläne hat Ihre Partei, um Chancengleichheitsaspekte und vorhandene Gleichstellungsexpertise von Anfang an in die Strategieentwicklung gegen die Auswirkungen von Krisen konsequent zu integrieren?

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Frauen verstärkt in alte Rollenmuster zurückgedrängt wurden. Insbesondere, wenn sie Kinder versorgen oder Pflegeaufgaben nachgehen mussten. Wichtig ist jetzt, negative Auswirkungen auf die weiteren wissenschaftlichen Karrierewege der betroffenen Frauen aufzufangen.

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