Deutsches Studentenwerk

Unterstützt Ihre Partei in der kommenden Legislaturperiode die Forderung der Studenten- und Studierendenwerke nach einem Bund/Länder-Hochschulsozialpakt in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, auch zur pandemiebedingten Nachrüstung ihrer Wohnheime und Mensen? Wenn ja, wie konkret?

Für Ausbau und Instandhaltung von Wohnheimen und Mensen sind primär die Länder verantwortlich. Wir stehen Gesprächen, inwieweit sich auch der Bund zusätzlich finanziell beteiligt, grundsätzlich offen gegenüber. Dies darf aber nicht dazu führen, dass sich die Länder aus ihrer Finanzierungsverantwortung zurückziehen. Bedarf sehen wir vor allem bei der psychosozialen Betreuung.

Welchen konkreten Reform- oder Veränderungsbedarf sehen Sie beim BAföG?

Wir Freie Demokraten wollen ein elternunabhängiges Baukasten-BAföG einführen. Die freie Wahl des Studiums darf nicht länger von der Unterstützung der Eltern abhängen. Studierende sollen analog zum bisherigen Kindergeld beziehungsweise Kinderfreibetrag der Eltern einen monatlichen Sockelbetrag von 200 Euro erhalten. Weitere 200 Euro sollen bei ehrenamtlichem Engagement oder Nebentätigkeiten als Zuschuss gewährt werden. Darüber hinaus soll ein monatlich anpassbares, zinsfreies und erst bei gutem Einkommen rückzahlbares Darlehen die notwendige finanzielle Flexibilität sichern. Die Förderhöchstdauer soll künftig die Regelstudienzeit plus zwei Semester umfassen. Studienfachwechsel sollen keinen Einfluss auf die Gesamtförderdauer haben. Höchstaltersgrenzen werden aufgehoben und Zuverdienstgrenzen werden angehoben. Die Beantragung und Verwaltung des BAföG wollen wir vollständig digitalisieren.

Was sind Ihre Ziele in der Hochschulpolitik in den kommenden fünf Jahren?

Die nächste Bundesregierung muss eine strukturelle Reform des BAföG zu einer elternunabhängigen Studienfinanzierung ganz oben auf die Agenda setzen. Junge Studierende sind eigenständige Personen und kein Anhängsel einer elterlichen Bedarfsgemeinschaft. Der Zugang zum Studium darf nicht länger von der Unterstützungskraft oder -bereitschaft der Eltern abhängen. Die Zeit drängt. Einen konkreten und gegenfinanzierten Vorschlag hat die FDP-Bundestagsfraktion vorgelegt (BT-Drucksache 19/29427).

Zudem muss gemeinsam mit den Ländern das Kapazitätsrecht reformiert werden. Den rapide veränderten Anforderungen an Hochschulen hinsichtlich heterogenen Studierendenkohorten, digitaler Lehre und dem Ausbau von Lehrangeboten für das lebenslange Lernen können die Hochschulen mit einem Kapazitätsrecht aus den 1970er-Jahren nicht nachkommen. Wir brauchen eine Nachfolgevereinbarung des Zukunftsvertrages Studium und Lehre, die noch stärker Qualität statt Quantität als Kriterium anlegt.

Die Hochschulen müssen endlich für die gesamte Gesellschaft geöffnet werden. Mit einem Midlife-BAföG wollen wir Bildungschancen in jeder Lebenssituation ermöglichen. Eine European Digital University sollte als erste tatsächlich gesamteuropäische Hochschule allen Europäerinnen und Europäern einen direkten Zugang zur besten Lehre ermöglichen - unabhängig vom Wohnort, von finanziellen Möglichkeiten oder eingeschränkter Mobilität. So sind der Kurs der Physik-Professorin aus Madrid und der Philosophie-Kurs aus Paris auf dem eigenen Tablet bald schon für jeden greifbar.

Wie sieht für Sie das deutsche Hochschulsystem aus, wenn die Coronavirus-Pandemie gut im Griff oder gar beendet ist?

Der Digitalisierungsschub und die Kreativität vieler Hochschulen darf nach der Pandemie nicht verpuffen. Die Lehre sollte nach Corona moderner, abwechslungsreicher und qualitativ hochwertiger sein als noch 2019. Digitale und analoge Lehrformate sollten intelligent miteinander kombiniert werden. Mit zeitlich wie örtlich flexibler Lehre und berufsbegleitenden Micro Degrees lassen sich neue Zielgruppen erreichen. Dafür braucht es einen Kulturwandel an den Hochschulen sowie länderspezifische Zielvereinbarungen in der Nachfolgevereinbarung des Zukunftsvertrages, die digitale Lehrkonzepte und Bildungsplattformen fördern.

Der Corona-Lockdown hat viele Studierende enorm belastet. Unter der sozialen Isolation, der unsicheren Studienfinanzierung und großen Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt leiden Studierende mit psychischen Erkrankungen besonders. Bund und Länder müssen ein flächendeckendes Beratungsangebot an allen Bildungsstandorten gewährleisten. Die psychische Gesundheit sollte genauso ernst genommen werden wie die körperliche Gesundheit. Die Corona-Krise hat zudem gezeigt, dass eine strukturelle Reform der Studienfinanzierung überfällig ist.

Bund und Länder werben um ausländische Studierende; sie benötigen bezahlbaren Wohnraum und Betreuung. Was will Ihre Partei dafür tun?

Eine verbesserte Wohnraumsituation kommt allen jungen Menschen in Ausbildung zugute. Hohe Mietpreise belasten deutsche und ausländische Studierende sowie Auszubildende. Der knappe Wohnungsmarkt ist eine unnötige Bremse für die freie Wahl der Ausbildung. Bezahlbare Mieten werden auf Dauer nur möglich sein, wenn mehr gebaut wird. Wer Bauvorschriften reduziert, Genehmigungsverfahren beschleunigt und mehr Bauland aktiviert, ermöglicht schneller neuen und günstigeren Wohnraum – und reduziert so auch die Miete. Für Studierende und Auszubildende, die nicht dauerhaft in einer Wohnung leben und an Wochenenden und Semesterferien gerne zur Familie fahren, ist beispielsweise der PKW-Stellplatz als Baustandard vermutlich weniger relevant, als kostengünstig zu wohnen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat darüber hinaus vorgeschlagen, Eigentümerinnen und Eigentümer von leerstehenden Gewerbe- und Büroflächen zu ermöglichen, ihren leerstehenden gewerblichen Raum für bildungsbezogenes Wohnen umzubauen (BT-Drucksache 19/23927).

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