FREELENS e.V.

Pandemie hat bewiesen an welch dünnen Fäden die Existenz der freien Kreativen hängt. Die Grundsicherung ist meist keine Option die hilft. Die Hilfsprogramme sichern den Lebensunterhalt nicht. Welche Ideen haben Sie, um die kreativen Selbstständigen zukünftig gezielter zu unterstützen?

Wir Freie Demokraten fordern, für den Fall der Fälle bei Wirtschaftshilfen und Hilfen für Selbstständige in Zukunft besser gerüstet zu sein. Die Coronakrise hat gezeigt, welche Instrumente es im Fall großer Krisen mit außergewöhnlichen Verhältnissen in der gesamten Wirtschaft und auf dem gesamten Arbeitsmarkt braucht. Für solche Fälle brauchen wir eine negative Gewinnsteuer, bei der Verluste aus dem aktuellen Jahr mit Gewinnen der Vorjahre verrechnet werden können. Und wir brauchen dann ebenso Hilfen für Selbstständige mit und ohne Angestellte, um einen ausreichenden Unternehmerlohn zu gewährleisten.

Wir wollen zudem kreative und nichttechnische Innovationen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördern. Darüber hinaus wollen wir ein „Innovationsprogramm für digitale Geschäftsmodelle“ auflegen – insbesondere für Freiberuflerinnen sowie Freiberufler und Selbstständige wie Darsteller, Musiker und Schriftstellerinnen sowie Schriftsteller. Bisher werden im BMWi nur technische Innovationen unterstützt. Die vielfältigen Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft bilden eine Branche mit fast 1,7 Millionen Erwerbstätigen. Die Branche schafft Innovationsimpulse, die uns aus der Krise führen und dem Strukturwandel einen bedeutsamen Schub verleihen können. Innovationen im Kreativsektor führen nicht zuletzt durch „Cross Innovation“ zu Entwicklungen in anderen Wirtschaftszweigen.

Die Pandemie belastet Alleinerziehende zusätzlich. Neben den Einnahmeverlusten werden Kinder o. pflegebedürftige Angehörige betreut. Das führt zu weiteren Verlusten, was sich auf (Kinder)Krankengeld / Rente auswirkt. Wie soll ein Ausgleich geschaffen u. die Benachteiligung künftig vermieden werden?

Wir Freie Demokraten wollen Familien und Alleinerziehende entlasten. Dazu wollen wir den Kinder- und Auszubildendenfreibetrag sowie den Freibetrag für Alleinerziehende anheben. Auch die steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten, gesetzlichen Unterhaltsleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen wollen wir verbessern. Ebenso kann es sinnvoll sein, künftig stärker mit – von der Steuerschuld abzuziehenden – Steuergutschriften zu arbeiten. Dadurch wirken Freibeträge besser für die niedrigen und mittleren Einkommen. Darüber hinaus wollen wir beim Einkommensteuertarif den sogenannten Mittelstandsbauch vollständig abschaffen und so einen leistungsgerechteren linearen Chancentarif gestalten. Heute steigt die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen besonders schnell an. Von Gehaltserhöhungen greift sich der Staat mehr als die Hälfte. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht. Deshalb brauchen wir mehr Fairness bei den Steuern.

47% unserer weibl. und 21% der männl. Kreativen landen in Altersarmut. Die Einnahmen sind durch die Auftrags-/Abrechnungslage nicht linear. Dass für die Grundrente notwendige Durchschnittseinkommen ist nicht durchgängig vorhanden. Wie wollen Sie versicherten Kreativen die Grundrente ermöglichen?

Wir Freie Demokraten wollen eine Basis-Rente einführen. Wer gearbeitet und eingezahlt hat, muss im Alter immer mehr als die Grundsicherung haben und auch mehr als Menschen, die nicht gearbeitet und eingezahlt haben. Das erreichen wir durch einen Freibetrag bei der Grundsicherung im Alter für Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Beantragung und Auszahlung der Basis-Rente wollen wir unter dem Dach der Rentenversicherung zusammenführen. Der Gang zum Sozialamt entfällt, Altersarmut wird fair und gezielt bekämpft.

Förderprogramme für Soloselbständige decken nur die durchschnittlichen Betriebskosten. Zur Wiederaufnahme der Tätigkeit nach der Krise ist eine längere Phase mit zusätzlichen Auslagen (Werbung, Kundengewinnung, Kommunikation) erforderlich. Wie wollen Sie Kreative bei der Wiederaufnahme unterstützen?

Wir Freie Demokraten setzen uns für eine starke Kultur- und Kreativwirtschaft als wichtigen Wirtschaftszweig in Deutschland ein. Wir wollen Förderprogramme auch für kleinere Unternehmen und Solo-Selbstständige der Kultur- und Kreativwirtschaft öffnen. Förderanträge wollen wir vereinfachen. Auch Online-Formate wie Livestreams sind Teil einer lebendigen Kreativbranche. Daher wollen wir Online-Livestreams von der Rundfunklizenzpflicht befreien.

Wir haben seit Beginn der Krise gefordert, die Lebensrealität von Soloselbstständigen der Kultur- und Kreativwirtschaft anzuerkennen und wertzuschätzen. Praktisch heißt das: Die Hilfen hätten von Anfang an auch für Lebenshaltungskosten und damit einen Unternehmerlohn geöffnet werden müssen (siehe die Forderungen im Antrag der Fraktion der Freien im Deutschen Bundestag „Wertschätzung für Selbständige – sofort verlässliche und unbürokratische Corona-Hilfen schaffen“, BT-Drs. 19/25241). Die erst im Januar 2021 eingeführte und bis September geltende „Neustarthilfe für Selbständige“ ist -–auf dann 18 Monate Pandemie bezogen – kein adäquater Unternehmerlohn. 

2024 soll eine Altersvorsorgepflicht für alle künftig freiberuflich Tätigen in kraft treten. Reduzierte Beiträge würden Gründer:innen den Start etwas zu erleichtern. Wie stehen Sie dazu? Befürworten Sie die Altersgrenze von 35 Jahren? Wie wollen Sie zukünftig Anreize für Freiberufler:innen schaffen?

Wir Freie Demokraten fordern Fairness für Selbstständige. Ob Freie Berufe, Handwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft oder Dienstleistungsbranche: Selbstständige sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse. Mit unterschiedlichen Reformansätzen wollen wir die Selbstständigkeit erleichtern, sie als Selbstbestimmung ernst nehmen und für mehr öffentliche Wertschätzung von Selbstständigen sorgen. Ungleichbehandlungen wollen wir abbauen und zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung endlich an den tatsächlichen Einnahmen orientieren.

Wir wollen maximale Wahlfreiheit für Selbstständige bei der Altersvorsorge. Auch die Form der Vorsorge soll frei wählbar sein. Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge muss dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein. So verhindern wir auch, dass Personen mit Zickzack-Lebensläufen beim Wechsel in die Selbstständigkeit ihre Direktversicherung oder ihre Riester-Förderung verlieren. Für die Gründungsphase wollen wir Karenzfristen. Dabei halten wir eine Pflicht zur Altersvorsorge wie bei der Krankenversicherung für angemessen. Die Wahlfreiheit soll für alle Selbstständigen ohne obligatorisches Alterssicherungssystem sowie für Selbstständige gelten, die bisher in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt Sozialleistungen und sichert nicht nur in Krisen übergangslos die Existenz der Soloselbständigen. Es läßt die Menschen angstfreier leben. Gewinnen wird die Kreativität und das wirtschaftl. Wachstum. Wie stehen Sie zur Einführung eines Grundeinkommens?

Wir Freie Demokraten lehnen ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. Die Grundsicherung muss aber unbürokratischer, würdewahrender und chancenorientierter werden – unser Modell dafür ist das einkommens- und vermögensabhängige Liberale Bürgergeld. Ein Grundeinkommen wäre leistungsfeindlich, teuer und ungerecht.

Wir setzen hingegen auf das Liberale Bürgergeld. Wir wollen steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen, auch im Sinne einer negativen Einkommensteuer. Selbst verdientes Einkommen soll geringer als heute angerechnet werden. So möchten wir das Steuer- und Sozialsystem verbinden. Daneben sollte der Passiv-Aktiv-Tausch weiterentwickelt werden, bei dem Gelder, die eine Leistungsempfängerin oder ein Leistungsempfänger erhält, in Lohnkostenzuschüsse für einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz umgewandelt werden können.

Darüber hinaus fordern wir die besten Rahmenbedingungen für alle, die sich etwas aufbauen wollen. Hierzu gehören beispielsweise ein Gründungszuschuss als finanzielle Förderung in der Startphase oder auch die Ausweitung der derzeitigen Förderung des BMWi für technische Innovationen auf kreative und nichttechnische Innovationen.

Urheberrechtsverletzungen im Internet nehmen immer weiter zu. Eine Durchsetzung von Ansprüchen außerhalb Deutschlands (auch innerhalb der EU) ist kaum möglich. Das führt zur erheblichen Einnahmeverlusten bei den Urheber:innen. Haben Sie vor an der Situation etwas zu verbessern? Wenn ja, wie?

Wir Freie Demokraten wollen ein modernes Urheberrecht. Jedoch hinkt das geltende Urheberrecht der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung hinterher und bremst Innovationen aus. Wir Freie Demokraten wollen das Urheberrecht nach dem Vorbild des amerikanischen „Fair Use“-Prinzips maßvoll weiterentwickeln und hierzu die bisherigen Schranken des Urheberrechts durch eine Bagatellklausel für private Nutzungen ersetzen, die keine wirtschaftlichen Folgen haben und - wie viele inzwischen alltägliche Nutzungen wie Memes und Remixes - keine kommerziellen Interessen verfolgen. Das Leistungsschutzrecht für Presseverlegerinnen und Presseverleger wollen wir wieder abschaffen. Das Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und dem Schutz geistigen Eigentums muss im digitalen Zeitalter neu gedacht werden und gleichzeitig die Urheberin sowie den Urheber eines Werkes in ihren oder seinen wirtschaftlichen und ideellen Rechten schützen. Dies ist Grundvoraussetzung für eine lebendige Kultur- und Kreativwirtschaft. Den Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir als immense Gefahr für Meinungs- und Kunstfreiheit im Netz jedoch weiterhin ab. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass staatliche Informationen nicht länger mit pauschalem Verweis auf das Urheberrecht der Öffentlichkeit vorenthalten werden können.

Das Telemediengesetz verlangt ein Impressum. Bei freien Fotojournalist:innen ist oft die Privat- u. Büroadresse identisch. Wenn Fotograf:innen an z. B. politisch brisanten Themen arbeiten, kommt es immer wieder zu Bedrohungen u. Belästigungen. Sehen Sie eine Möglichkeit dort Abhilfe zu schaffen?

Der Anstieg tätlicher Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten sowie andere Medienvertreter in den letzten Jahren ist alarmierend. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass es Journalistinnen und Journalisten möglich ist, frei und unabhängig zu recherchieren und zu berichten, um ihre wichtige Aufgabe in unserer freiheitlichen Demokratie zu übernehmen. Im Grundsatz halten wir die Impressumspflicht aus Verbraucherschutzsicht für eine sinnvolle Regelung. Wir erkennen aber an, dass ein gewisses Spannungsfeld zwischen dem Schutzinteresse des Betreibers einer Webseite und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehen kann. Gerade in Fällen, in denen aufgrund einer bestimmten Gefährdungslage die Voraussetzungen für die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister besteht, tritt dieser Interessenkonflikt besonders deutlich zu Tage.

Die Impressumspflicht für Internetseiten entspringt zu großen Teilen europäischem Recht. Die in § 5 TMG niedergelegten Informationspflichten dienen der allgemeinen Transparenz für Angebote, die mit geschäftlichem Hintergrund im Internet angeboten werden, und damit dem Verbraucherschutz. Zudem sind Telemedien (wie etwa Internetseiten) nicht anmeldepflichtig, wie etwa Rundfunkangebote, sodass an keiner anderen Stelle hinterlegt ist, wer für das Angebot des Telemediums verantwortlich ist.

Abhilfe kann hier deshalb nur dadurch geschaffen werden, dass auf europäischer Ebene bei der Verhandlung des Digital Services Act, der die E-Commerce-Richtlinie novellieren soll, die Interessen von Journalistinnen und Journalisten eingebracht werden. Wir werden dieses Problem weiter aktiv beobachten.

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