Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie (AGEV) e. V.

Die Zahl der Selbstständigen sinkt seit Jahren massiv. Welche Konzepte haben Sie, um diesen für Deutschland bedrohlichen Trend umzukehren?

Wir Freie Demokraten fordern Fairness für Selbstständige. Ob Freie Berufe, Handwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft oder Dienstleistungsbranche: Selbstständige sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse. Mit unterschiedlichen Reformansätzen wollen wir die Selbstständigkeit erleichtern, sie als Selbstbestimmung ernst nehmen und für mehr öffentliche Wertschätzung von Selbstständigen sorgen. Ungleichbehandlungen wollen wir abbauen und zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung endlich an den tatsächlichen Einnahmen orientieren.

Wir fordern eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Über das Statusfeststellungsverfahren muss sich zweifelsfrei klären lassen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Klare gesetzliche Positivkriterien gewährleisten Rechtssicherheit, indem bei Vorliegen bestimmter Kriterien eine Selbstständigkeit rechtssicher und verbindlich festgestellt wird. Zudem soll die Prüfung durch eine unabhängige Stelle statt durch die Rentenversicherung vorgenommen werden.

Darüber hinaus fordern wir die bundesweite Einführung der Schulfächer Wirtschaft und Informatik. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über unser Wirtschafts­system mit auf den Weg geben und ihren Gründergeist sowie die Innovationsfreude schon im Schulalter fördern.

Wir wollen außerdem Behörden konsequent zu One-Stop-Shops ausbauen. Daten werden einmalig an die Verwaltung weitergegeben und dann an entsprechender Stelle verarbeitet. Zur Funktionsfähigkeit des Systems fordern wir einheitliche Standards. Damit lassen sich Prozesse der Verwaltung beschleunigen. Wir bauen Bürokratie ab und erleichtern das Gründen.

Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse sinkt seit Jahren, obwohl Deutschland immer um sein Berufsausbildungssystem beneidet wurde. Der schon heute eklatante Facharbeitermangel, insbesondere in der wichtigen IT-Wirtschaft, vergrößert sich weiter. Was tun Sie dagegen?

Wir Freie Demokraten fordern eine Exzellenzinitiative Beruf­liche Bildung, um die Attraktivität und Innovationskraft der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu stärken. Um sich den Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt zu stellen, braucht das System der beruflichen Bildung ein Update. Ein bundesweiter Exzellenzwettbewerb soll die besten Ideen zur Zukunft der beruflichen Bildung mit hochrangigen Auszeich­nungen und mehrjährigen Zuschüssen fördern. Ein Zentrum für digitale Berufsbildung soll berufsbildende Schulen und ausbildende Betriebe in der Konzeption und Umsetzung digitaler Ausbildungsangebote unterstützen. Schulen der beruflichen Bildung wollen wir um kreative MakerSpaces und offene Werkstätten (FabLabs) erweitern.

Wir fordern zudem eine Zukunftsgarantie für junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz finden können. Dazu wollen wir das kleinteilige Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung auf ein bundesweites Programm mit regionaler und individueller Ausgestaltung fokussieren sowie regelmäßig evaluieren. Unsere Zukunftsgarantie steht auf drei Säulen: Erstens wollen wir die Einstiegsqualifizierung reformieren und den Teilnehmenden sozialpädagogisch geschulte Lernprozessbegleiterinnen und -begleiter zur Seite stellen. Zweitens wollen wir außerbetriebliche Ausbildungsangebote in Regionen mit einer erheblichen Unterversorgung an Ausbildungsplätzen bedarfsgerecht in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern stärken, wobei der Übergang in eine betriebliche Ausbildung stets vorrangiges Ziel bleibt. Drittens wollen wir sicherstellen, dass der Zugang zu Praktika für Schülerinnen und Schüler unabhängig von der sozialen Herkunft gewährleistet ist. Die berufliche Ausbildung selbst wollen wir durchlässiger gestalten. Hierzu wollen wir Teilqualifizierungen ausbauen, die Ausbildungsdauer flexibilisieren, digitale Ausbildungsangebote fördern und verstärkt Teilzeitausbildungen ermöglichen.

Darüber hinaus wollen wir Talenten der beruflichen Bildung den gleichwertigen Zugang zu den Begabtenförderungswerken und zum Deutschlandstipendium ermöglichen. Neben einer finanziellen Unterstützung ist die Öffnung der ideellen Förderung für Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Bedeutung. Durch eine Öffnung der Förderung schaffen wir attraktive Perspektiven für Talente aus der beruflichen Bildung. Auch sie sollen künftig von Seminar- und Schulungsangeboten profitie­ren. So schaffen wir mehr Gleichwertigkeit zwischen akade­mischer und beruflicher Bildung.

Welche wirtschafts- und fiskalpolitischen Maßnahmen werden Sie einleiten, um die historisch hohe Verschuldung infolge der Pandemie zu überwinden.

Deutschland gehört bei Steuern und Sozialabgaben zur Welt­spitze. Wir Freie Demokraten wollen die Balance zwischen Privat und Staat wiederherstellen, ohne dabei eine seriöse Haushaltspolitik aufzugeben. Wir fordern ein grundlegendes Umdenken in der Steuerpolitik: Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger spürbar entlasten und damit die unabdingbare Voraussetzung für Impulse in die wirtschaftliche Erholung unseres Landes schaffen. Das ist ein wichtiger Punkt auf unserer Agenda für mehr Wachstum, denn nur mit Wachs­tum wird es gelingen, die Folgen der Coronapandemie zu überwinden. Dabei stehen wir für eine solide und investitions­orientierte Haushaltspolitik und zur im Grundgesetz veranker­ten Schuldenbremse. Denn jede Generation hat ihre Heraus­forderungen und muss über die finanzpolitischen Spielräume verfügen, um diesen gerecht werden zu können.

Welche Strategie verfolgen Sie gegen Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur, aber auch kleine und große Unternehmen? Wie wollen Sie die Einflussnahme anderer Staaten auf die politische Willensbildung begrenzen?

Wir Freie Demokraten wollen die Cybersicherheit stärken. Denn Cybersicherheit ist die Achillesferse des Informationszeitalters. Deshalb brauchen wir eine tatsächlich umsetzbare und agile Cybersicherheitsstrategie. Bestandteile davon müssen ein wirksames Schwachstellenmanagement und ein Recht auf Verschlüsselung sein. Dazu gehören ebenfalls die Vorgabe von security-by-design inklusive Haftung der Herstellerinnen und Hersteller für Schäden, die fahrlässig durch IT-Sicherheitslücken verursacht werden, und eine Verpflichtung der Herstellerinnen und Hersteller, während der üblichen Nutzungsdauer eines Produkts Updates zur Verfügung zu stellen. Effiziente Schutz- und Verteidigungssysteme müssen in der Cybersicherheit stets Vorrang haben. Deshalb sollen Unternehmen, die umfangreichen Einflussmöglichkeiten autoritärer Regime unterliegen, beim Ausbau kritischer Infrastruktur wie dem 5G-Netz nicht beteiligt werden. Wir lehnen digitale Vergeltungsschläge (Hackbacks) ab, da sie die Gefahr eines digitalen Wettrüstens bergen und nicht die Täterinnen und Täter, sondern zivile Opfer treffen. Für mehr Cybersicherheit als strategisches Sicherheitsziel der Bundesrepublik Deutschland sind die entsprechenden Strukturen des Bundes, wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, zu stärken und aufzurüsten.

Wir wollen außerdem die liberalen Demokratien Europas dazu befähigen, Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können. Dazu müssen alle Anstrengungen auf europäischer Ebene gebündelt und unter Einbeziehung neuester Forschungsergebnisse verstärkt werden. Beispielsweise muss die Wahlinfrastruktur aller EU-Mitgliedstaaten als kritische Infrastruktur erheblich besser geschützt werden.

Welche Regulierungen planen Sie für die „Plattformarbeit“ und wie verhindern Sie, dass dadurch auch gut bezahlte, freiwillig Selbstständige belastet werden? Gehören für Sie auch IT-Selbstständige zu den Plattformarbeitern?

Wir streben grundlegenden Reformen an, die die Selbstständigkeit erleichtern, zum Beispiel im Bereich der Statusfeststellung. Damit sorgen wir für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, auch mit Blick auf digitale Plattformen. Wir fordern zum Beispiel eine Beauftragte oder einen Beauftragten der Bundesregierung für Selbstständige. Die Bundesregierung muss ihre Belange besser kennen und dafür einen ständigen koordinierten Dialog ermöglichen. Die Coronakrise hat gezeigt, dass für Selbstständige, Freelancerinnen und Freelancer sowie Freiberuflerinnen und Freiberufler keine zentrale Ansprechperson in der Bundesregierung vorhanden ist. Zuständigkeiten und Kompetenzen sind über unterschiedliche Bundesministerien verteilt. Das wollen wir ändern. Denn Selbstständige, Freelancerinnen und Freelancer sowie Freiberuflerinnen und Freiberufler sind für unsere moderne Wissensgesellschaft unersetzlich.

Wie wollen Sie die geplante Altersvorsorgepflicht für Selbstständige ausgestalten? Werden Selbstständige, die bereits vorgesorgt oder ein bestimmtes Alter erreicht haben, ausgenommen? Wie würden Sie die dann notwendige Bürokratie minimieren?

Wir Freie Demokraten wollen maximale Wahlfreiheit für Selbstständige bei der Altersvorsorge. Auch die Form der Vorsorge soll frei wählbar sein. Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge muss dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein. So verhindern wir auch, dass Personen mit Zickzack-Lebensläufen beim Wechsel in die Selbstständigkeit ihre Direktversicherung oder ihre Riester-Förderung verlieren. Für die Gründungsphase wollen wir Karenzfristen. Dabei halten wir eine Pflicht zur Altersvorsorge wie bei der Krankenversicherung für angemessen. Die Wahlfreiheit soll für alle Selbstständigen ohne obligatorisches Alterssicherungssystem sowie für Selbstständige gelten, die bisher in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.

Wie stehen Sie zur Einführung eines pfändungs- und insolvenzsicheren Altersvorsorgedepots nach den Beispielen USA oder Schweden? Damit könnte ein Großteil der Bevölkerung eine kostenarme zusätzliche Versorgung erhalten und die gesetzliche Rentenversicherung massiv entlasten.

Wir Freie Demokraten wollen ein Altersvorsorge-Depot einführen. Ohne obligatorischen Versicherungsmantel vereinen wir so das Beste aus Riester-Rente (Zulagen-Förderung), Rürup-Rente (steuerliche Förderung) und dem amerikanischen Modell „401K“ (Flexibilität und Rendite-Chancen). Ansprüche aus der Altersversorgung müssen übertragbar (Portabilität) und ein Anbieterwechsel möglich sein. Dies stärkt den Wettbewerb und macht private Altersvorsorge für alle attraktiver.

Welche Schritte planen Sie, um den beginnenden Eintritt der Babyboomer in den Ruhestand zu finanzieren, während gleichzeitig die ins Berufsleben eintretenden Jahrgänge nur noch halb so stark sind?

Wir Freie Demokraten wollen das Renteneintrittsalter nach schwedischem Vorbild flexibilisieren. Wer früher in Rente geht, bekommt eine geringere, wer später geht, erhält eine höhere Rente. Wer das 60. Lebensjahr und mit allen Altersvorsorgeansprüchen mindestens das Grundsicherungsniveau erreicht, soll selbst entscheiden, wann der Ruhestand beginnt. Zuverdienstgrenzen schaffen wir ab, und Teilrenten sind unkompliziert möglich. Das sorgt zum einen für mehr finanzielle Stabilität, weil die Menschen im Schnitt länger im Beruf bleiben, zum anderen passt ein flexibler Renteneintritt besser zu vielfältigen Lebensläufen. Die Erwerbsminderungsrente stärken wir. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, braucht eine starke Unterstützung.

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