Deutscher Hebammenverband e.V.

Wie beurteilen Sie die Situation in der klinischen Geburtshilfe allgemein und für welche Maßnahmen werden Sie sich einsetzen, um die Situation von Frauen in den Kreißsälen mit dem Ziel einer Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme zu verbessern?

Das IGES Institut kam in seinem im Januar 2020 veröffentlichten Gutachten zur stationären Hebammenversorgung zum Ergebnis, dass rund 40 Prozent der in Kliniken angestellten Hebammen aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit erwägen und 25 Prozent über eine gänzliche Aufgabe der Tätigkeit nachdenken (Quelle: IGES Gutachten zur stationären Hebammenversorgung). Vor dem Hintergrund des Ziels der Sicherstellung einer 1:1-Betreuung ist das ein Alarmsignal. Deshalb wollen wir vor allem auf eine Entlastung der Hebammen von fachfremden Tätigkeiten sowie eine nachhaltige Finanzierung von Hebammenstellen und Stellen für Hebammen assistierendes Personal hinwirken. 

Grundsätzlich setzen wir uns dafür ein, dass auch weiterhin die Freien Berufe im Gesundheitswesen gestärkt werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Heilmittelerbringerinnen und Heilmittelerbringer sowie Hebammen und Geburtshelfer müssen in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können. Denn die Therapiefreiheit der Behandlung ohne Budgetierungszwang kommt den Patientinnen und Patienten zugute. Freiheit und Verantwortung sind die Basis der Vertrauensbeziehung zwischen Hebamme und Patientin.

Wie beurteilen Sie die Arbeitsbedingungen der Hebammen in der klinischen Geburtshilfe und für welche Maßnahmen werden Sie sich einsetzen, um diese zu verbessern?

Wir Freie Demokraten wollen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Hebammen und Geburtshelfer sowie innovative Möglichkeiten für eine bessere Unterstützung. Wir befürworten Lösungen, um Hebammen vor unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen ihrer freiberuflichen Arbeit zu schützen. Von fachfremden Tätigkeiten wollen wir Hebammen entlasten. Engagierten Schulabsolventinnen und Schulabsolventen, die die EU-Mindestvorgaben zum Erlernen des Hebammenberufes nicht erfüllen, wollen wir bezüglich des Ziels einer solide finanzierten Eins-zu-eins-Betreuung dennoch ermöglichen, in der Geburtshilfe tätig zu werden. Dafür schlagen wir vor, den ergänzenden Beruf der „Mütterpflegekraft“ für die Vor- und Nachsorge im Wochenbett einzuführen.

Welche Maßnahmen halten Sie für geeignet, damit auch in der stationären Versorgung im Krankenhaus die hebammengeleitete Geburtshilfe, bei der die Geburt primär als physiologischer Prozess und nicht unter dem Risikogedanken betrachtet wird, zur Regel wird?

Für uns Freie Demokraten hat das Wohl der Schwangeren und ihres Kindes höchsten Stellenwert. Wir setzen uns daher für eine qualitätsorientierte geburtshilfliche Versorgung ein, welche die Wünsche der Schwangeren mit medizinischen Abwägungen vereint.  

Wie und in welchem Zeitrahmen kann das Hebammenstellen-Förderprogramm weiterentwickelt werden, um die Eins-zu-eins-Betreuung auch in der klinischen Geburtshilfe zeitnah umzusetzen und welche Rolle spielt dabei aus Ihrer Sicht die Einführung eines Personalbemessungsinstrumentes?

Aus Sicht der Freien Demokraten sind nachhaltige und effektive Maßnahmen notwendig, um eine ausreichende personelle Besetzung in Kreißsälen sicherzustellen. Das Hebammenstellen-Förderprogramm ist dafür ungeeignet. Es bedarf vielmehr einer zur Erreichung der konkret vor Ort benötigten Betreuungsrelation erforderlichen Finanzierung von Hebammenstellen und Stellen für Hebammen assistierendes Personal. Wir setzen uns dafür ein, solche sicherzustellen (vgl. Entschließungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag BT-Drs. 19/24737).

Für welche Maßnahmen werden Sie sich einsetzen, damit Frauen von Beginn der Schwangerschaft an, in der ambulanten und in der klinischen Geburtshilfe und auch nach der Geburt, das uneingeschränkte Fachwissen einer Hebamme zur Verfügung steht?

Aus Sicht der Freien Demokraten gilt es zur Sicherstellung der Versorgung mit geburtshilflichen Angeboten zum einen, den Hebammenberuf für künftige Interessentinnen und Interessenten attraktiv zu gestalten und zum anderen, bereits praktizierende Hebammen nicht zu verlieren. Wir wollen z. B. eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Hebammen sowie eine Entlastung von fachfremden Tätigkeiten erreichen (vgl. hierzu auch den Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag „Beste Versorgung rund um die Geburt sicherstellen Geburtshilfe zukunftsfit machen“ vom 17.12.2019).

Wie können aus Ihrer Sicht die Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Geburtshilfe gerade im ländlichen Raum überwunden werden, um schwangeren Frauen eine wohnortnahe geburtshilfliche Versorgung zu ermöglichen?

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient die beste Versorgung erhält. Dafür muss die Gesundheitsversorgung einschließlich der Geburtshilfe künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Wir wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln.

Um Frauen eine selbstbestimmte Geburt zu ermöglichen, treten wir dafür ein, dass es weiterhin eine Wahlfreiheit zwischen einer Entbindung in einer Geburtshilfeklinik oder in einem Geburtshaus existiert. Hierfür müssen die Kliniken beziehungsweise Geburtshäuser personell und räumlich besser ausgestattet werden. Wir Freie Demokraten wollen die flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe sicherstellen. Gerade auch im ländlichen Raum müssen wir dafür sorgen, dass ein umfassendes Geburtshilfe- und Betreuungsangebot für Schwangere und Mütter in erreichbarer Distanz vorhanden ist (vgl. Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag „Beste Versorgung rund um die Geburt sicherstellen Geburtshilfe zukunftsfit machen“ vom 17.12.2019).

Wie bewerten Sie die bisherigen Bemühungen, um das vom BMG herausgegebene Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ zu erreichen und welchen Verbesserungsbedarf sehen Sie bei der Umsetzung?

Aus Sicht der Freien Demokraten sind die bisher getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend, um eine solide finanzierte geburtshilfliche Versorgung mit dem Ziel einer 1:1-Betreuung nachhaltig sicherzustellen. Wir setzen uns für eine diesbezügliche Verbesserung ein und wollen dafür auch weiterhin den Dialog mit den Hebammenverbänden suchen, um deren Sichtweise und Vorschläge in die Diskussion einfließen zu lassen.

Wie kann aus Ihrer Sicht die Geburtshilfe sowie die Betreuung von Schwangeren und Wöchnerinnen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in der Gesundheitsversorgung in Deutschland besser abgebildet werden und welche Maßnahmen wollen Sie hierzu ergreifen?

Für uns Freie Demokraten sind Kinder unsere Zukunft. Wir wollen dazu beitragen, der geburtshilflichen Gesundheitsversorgung einen entsprechenden Stellenwert in der öffentlichen sowie gesundheitspolitischen Debatte zu verschaffen. Dabei wollen wir die Anliegen der in der Geburtshilfe tätigen Akteure stärker einfließen lassen.

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