BUNDjugend

Klimaschutz und -anpassung muss man sich leisten können. Die Klimakrise trifft Menschen und Staaten mit geringen finanziellen Mitteln viel stärker als privilegierte. Welche Konzepte hat Ihre Partei für eine klimagerechte Gesellschaft innerhalb und außerhalb Deutschlands?

Wir Freie Demokraten wollen eine Klimadividende einführen und die Energiebesteuerung drastisch absenken. So müssen auch die sozialen Kosten des Klimaschutzes abgemildert werden. Da die kontinuierliche Verknappung der Zertifikate auf der einen Seite zu steigenden Preisen und auf der anderen Seite zu höheren staatlichen Einnahmen führen wird, wollen wir die EEG-Umlage abschaffen sowie die Stromsteuer, die unabhängig von der Erzeugungsart und damit der Umweltwirkung erhoben wird, auf den niedrigsten nach aktuellem EU-Recht möglichen Satz absenken und so schnell wie möglich komplett streichen. Darüber hinaus wollen wir Aufkommensneutralität durch die Rückzahlung eines jährlich zu berechnenden pauschalen Betrages, also einer Klimadividende, an jede Bürgerin und jeden Bürger gewährleisten.

Wir wollen außerdem national wie international mehr Aufforstungen und den Schutz bestehender Wälder. Dafür müssen wir internationale Anreize schaffen – zum Beispiel durch Belohnung der langfristigen Bindung von CO2 durch das Emissionshandelssystem. Denn Wälder und Moore sind Hüter von Biodiversität und wirksame Kohlenstoffspeicher. Dabei muss auf eine langfristige Sicherung entsprechender Projekte geachtet werden, sodass Bäume beispielsweise wachsen können und nicht binnen weniger Jahre wieder verschwinden. Mehr Wald und Moore bedeuten auch bessere Lebens-, Ernährungs- und Einkommenschancen – sowohl weltweit für Millionen Menschen in Entwicklungsländern als auch in Deutschland und Europa.

Aufgrund der Dekarbonisierung des Energiesektors und des steigenden Strombedarfs müssen die Erneuerbaren Energien deutlich stärker ausgebaut werden. Doch der Ausbau stagniert. Wie bzw. in welcher Form wollen Sie den Ausbau von Windenergie und Photovoltaik fördern und in welchem konkreten Umfang?

Um Klimaneutralität zu erreichen, brauchen wir mehr erneuerbare Energien. Wir wollen den Ausbau in Deutschland voranbringen, indem wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Anlagen und die notwendigen Netze vereinfachen und beschleunigen. Zudem wollen wir die Akzeptanz der Energiewende vor Ort durch eine frühzeitige Bürgerbeteiligung, einen klugen Ausgleich mit Anwohnerinnen und Anwohnern sowie transparente rechtsstaatliche Verfahren stärken. Durch eine konsequente CO2-Bepreisung in allen Sektoren über den Emissionshandel sowie eine Entlastung beim Strompreis wollen wir die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbaren Stroms weiter steigern. Nationale Ausbaupfade für einzelne Erzeugungstechnologien lehnen wir im europäischen Energiebinnenmarkt ab, da die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft ohnehin bereits über den Emissionshandel gedeckelt sind und die Klimaziele somit zuverlässig erreicht werden können. Neben der heimischen Produktion setzen wir auch auf den Import erneuerbarer Energien, etwa in Form von Wasserstoff und seinen Derivaten.

Der Verkehrssektor ist für 1/5 der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. Welche Maßnahmen schlägt ihre Partei für eine gerechte und klimafreundliche Verkehrswende vor, insbesondere hinsichtlich des hohen Ressourcen-, Energie- und Flächenverbrauchs von Verbrennern und E-Autos?

Wir Freie Demokraten fordern seit langem die Einbeziehung des Verkehrs in den EU-Emissionshandel, um so die Klimaschutzziele Deutschlands und der EU mit einem marktkonformen CO2-Preis zu erreichen. Wir wollen mehr alternative Kraftstoffe, deren Zertifizierung vereinfacht werden muss. Denn klimafreundliche synthetische Kraftstoffe sind eine bereits heute verfügbare Alternative für alle Verkehrsarten, die ohne technische Umrüstung in herkömmlichen Verbrennungsmotoren verwendet werden können. Des Weiteren setzen wir uns für eine sinnvolle Parkraumbewirtschaftung und die Anwendung belastbarer Nutzen-Kosten-Analysen beim Infrastrukturausbau aus. Zudem treten wir für einen fairen Wettbewerb moderner Mobilitätsdienstleistungen ein, wodurch die Auslastung des Verkehrsmittelbestands verbessert wird und neue nachhaltige Mobilitätskonzepte den Verbrauchern zur Verfügung stehen. In der Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur, neuen Anwendungen und intelligenten Leitsystemen sehen wir großes Potential. 

In der Coronakrise waren bisher Wirtschaftshilfen und Staatskredite kaum an nachhaltige Kriterien geknüpft. Wie wollen Sie sicherstellen, dass ab sofort Wirtschaftshilfen für einen klimaneutralen, sozial-ökologischen Umbau der deutschen Wirtschaft eingesetzt werden?

In der Corona-Pandemie waren gerade viele Unternehmen der Gastronomie, der Hotellerie und des Tourismus sowie aus dem Kulturbereich von den Schließungen betroffen und dementsprechend von einem schnellen Zugang zu den Wirtschaftshilfen abhängig. Eine Einschränkung des Zugangs zu den Wirtschaftshilfen für die Kneipe um die Ecke oder das private Theater durch schwer zu definierende Nachhaltigkeitskriterien, hätte die Auszahlung sicherlich noch weiter erschwert. Die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft hin zur CO2-Neutralität kann nicht im Rahmen von Krisenhilfe erfolgen, sondern erfordert Rahmenbedingungen wie den CO2-Zertifikatehandel, der Unternehmen Planbarkeit ermöglicht. Dabei sind alle drei Säulen der Nachhaltigkeit - wirtschaftliche, soziale und ökologische - zu beachten. Wir Freie Demokraten wollen hier einen marktwirtschaftlichen Umstieg durch ein umfassendes Emissionshandelssystem mit einem strikten und jährlich sinkenden CO2-Limit. Ein steigender CO2-Preis macht klimaschädliche Investitionen zunehmend unrentabel und sorgt dafür, dass Investoren nach Anlagemöglichkeiten in klimafreundliche Alternativen suchen und diese dadurch finanzieren.

2020 wurde der European Green Deal (EGD) auf EU-Ebene vereinbart. Wie positioniert sich Ihre Partei zum EGD und welche konkreten Maßnahmen würde Ihre Partei im Rahmen des EGD zuerst umsetzen? Mit welcher Summe in Prozent des BIP soll sich Deutschland am EGD beteiligen?

Wir Freie Demokraten unterstützen grundsätzlich die Zielsetzung des European Green Deals, Wirtschaftswachstum und Wohlstand mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Allerdings kritisieren wir die stark planwirtschaftliche Ausrichtung der konkreten Umsetzung dieser EU-Nachhaltigkeitsstrategie, bei der marktwirtschaftliche Innovationsanreize zu wenig berücksichtigt werden und neben dem Vorsorgegedanken das Innovationsprinzip zu kurz kommt. Aus Perspektive der Freien Demokraten hätte eine Erweiterung der EU-Emissionshandels zur Treibhausgasminderung auf weitere Wirtschaftsbereiche oberste Priorität, damit das EU-Ziel Klimaneutralität bis 2050 sicher und kostenminimal erreicht werden kann.

Inwiefern bekennen Sie sich als Partei zu den vier Säulen der digitalen Suffizienz (Techniksuffizienz, Datensuffizienz, Nutzungssuffizienz und ökonomischer Suffizienz)?Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie zur Erreichung derselben umsetzen und bis wann?

Wir Freie Demokraten wollen technologieoffenes Recycling in Deutschland ermöglichen und Abfälle zu neuen Rohstoffen machen, um letztlich eine EU-weite Kreislaufwirtschaft aufzubauen und damit Ressourcen zu schonen. Den CO2-Ausstoß wollen wir durch den Emissionshandel sektorübergreifend mit einem stets den Klimazielen entsprechend sinkenden Deckel strikt eingrenzen, um so Suffizienz und Effizienz im Klimaschutz zu erreichen. Dies soll auch die Rahmenordnung für die Aspekte der digitalen Suffizienz sein.

Wir treten zudem für nachhaltige Rechenzentren ein. Bereits aktuell werden durch innovative Technologien, Softwares sowie energieeffizientere IT-Architekturen und vieles mehr große Fortschritte für den nachhaltigeren Betrieb erzielt. Darüber hinaus wollen wir durch den gezielten Ausbau der Forschungsförderung für energie- und ressourcensparende Informations- und Kommunikationstechnik sowie durch Anreize zur Abwärmenutzung von Rechenzentren die nächsten großen Potentiale heben, um dem Ziel der Klimaneutralität von Rechenzentren einen weiteren Schritt näher zu kommen.

Ein Großteil der CO2-Emissionen eines Gebäudes fällt bereits beim Bau an. Deshalb muss klimaverträglicheres Bauen in den Fokus rücken. Welche Maßnahmen sieht Ihre Partei konkret vor, um Suffizienz im Bauwesen umzusetzen, insbesondere im Hinblick auf Flächenverbrauch und das Potential des Bestands?

Wir Freie Demokraten fordern einen sektorübergreifenden Emissionshandel, der auch die Prozessemissionen der Bauindustrie einbezieht und effektiv reduziert. Dadurch werden hinreichend Anreize für klimaschonendes Bauen gesetzt. Darüber hinaus treten wir für flächensparendes Bauen durch mehr Möglichkeiten der Nachverdichtung und des Dachgeschossausbaus auf kommunaler Ebene ein.

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