VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.

Ein wichtiger Baustein der Energiewende ist der schnellere Ausbau des regenerativen Energieangebots. Wie wollen Sie den Ausbau von Windkraft und Fotovoltaik sowie Speichertechnologien beschleunigen und welche Hemmnisse würden Sie dafür abbauen?

Wir Freie Demokraten wollen erneuerbare Energien vollständig in den Wettbewerb überführen und die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beenden. Ein steigender CO2-Preis wird fossile Energie weiter unattraktiv machen und dazu führen, dass der Zubau erneuerbarer Energien stärker nachfragegetrieben erfolgt. Dazu wollen wir Strom günstiger machen, indem wir die Stromsteuer senken und die EEG-Umlage aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung schrittweise abschaffen.

Wir wollen das Energierecht entbürokratisieren sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren entschlacken und digitalisieren. Schnellere Verfahren erleichtern den marktgetriebenen Ausbau erneuerbarer Energien und die schnelle Realisierung der dafür nötigen Strom-, Wärme- und Gasnetze sowie Speicher.

Wir wollen den Ausbau von Speichern vorantreiben. Denn vor allem Stromspeicher sind eine Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende. Wir wollen Speicher daher als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich definieren und für einen wirtschaftlichen Betrieb von Abgaben und Umlagen befreien.

Wie wollen Sie den Transformationspfad zur Treibhausgasneutralität von Wirtschaft und Gesellschaft so gestalten, dass auf dem Weg dorthin Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Akzeptanz der Energiewende ausreichend berücksichtigt werden?

Wir Freie Demokraten fordern einen marktwirtschaftlichen Klimaschutz, der verbindliche Klimaschutzziele setzt, jedoch Freiräume bei deren Umsetzung einräumt. Wir wollen einen alle Sektoren einschließenden Emissionshandel einführen. Mit einem Treibhausgasdeckel erfüllen wir unseren Beitrag zur EU-Klimaneutralität bis 2050. Durch den Emissionshandel werden die Treibhausgasemissionen dort reduziert, wo die geringsten Kosten entstehen. Gleichzeitig werden wirksame technologieneutrale Innovationsanreize gesetzt. Die Einnahmen aus der Versteigerung der knappen Emissionsberechtigungen wollen wir für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger vor steigenden Energiepreisen einsetzen. So soll die Stromsteuer gesenkt, die EEG-Umlage abgeschafft und eine Klimadividende an alle Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt werden.

Die Klimaziele der Energiewirtschaft erreichen wir durch den europäischen Emissionshandel. Wir werden auch die Ziele Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit stärker in den Fokus rücken. Dazu wollen wir die Energiewende durch mehr Wettbewerb und weniger staatliche Detailsteuerung insgesamt effizienter gestalten und Kosten senken. Die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) möchten wir beenden. Kohle- und Atomausstieg stellen durch das Abschalten gesicherter Kraftwerksleistung neue Herausforderungen für die Versorgungssicherheit. Einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen können flexible Erzeugungs- und Speichertechnologien leisten.

In einer "all electric" oder "more electric world" wird der Strombedarf langfristig infolge der Kopplung der Sektoren Strom, Mobilität und Wärme steigen. Welche politischen Rahmenbedingungen wollen Sie setzen, um Infrastrukturentscheidungen zukünftig ganzheitlich und systemisch zu regeln?

Wir Freie Demokraten wollen die Energiewende stärker als Gesamtsystem denken. Wir werden die Klimaschutzziele nicht erreichen, indem wir nur auf direkte Elektrifizierung auf Basis erneuerbaren Stroms in Deutschland setzen. Dennoch gehen auch wir von einem steigenden Strombedarf aus. Dazu wollen wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Erzeugungsanlagen und Netze vereinfachen und beschleunigen. Neben Strom wird auch Erdgas auf absehbare Zeit eine weiterhin wichtige Rolle bei der Energieversorgung einnehmen. Darüber hinaus setzen wir uns für den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft ein. Dafür wollen wir die Netzplanung für Strom und Gas besser aufeinander abstimmen und setzen uns für eine technologieoffene Regulierung von Gasnetzen ein, die auch Wasserstoff umfasst. 

Das autonome Fahren bietet die Chance, die individuelle Mobilität aller Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Wie wollen Sie diese Potenziale und Herausforderungen im Hinblick auf den ÖPNV und neue Mobilitätskonzepte besser vermitteln und für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz werben?

Wir Freie Demokraten glauben, dass die Zukunft der Mobilität zunehmend digital und autonom sein wird. Autonom fahrende Fahrzeuge, die über das Smartphone gebucht werden können oder Mobilitätsplattformen, die Kundinnen und Kunden über alle Verkehrsträger hinweg die kürzeste Tür zu Tür Verbindung mit den besten Tarifen heraussuchen, können schon in einigen Jahren Realität werden. Dafür müssen Zulassungs- und Testverfahren für neue Ideen vereinfacht werden und es bedarf einer langfristig angelegten Strategie für das Autonome Fahren, die nicht nur die Entwicklung der eigentlichen Technologie, sondern auch die Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer sowie rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen miteinschließt. Besonders der ländliche Raum hat so Chancen auf eine schnellere und kostengünstigere Versorgung und auch für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Die beste Art, die Akzeptanz zu stärken, besteht darin, dass die Bürgerinnen und Bürger die neuen Mobilitätskonzepte nutzen können und zunehmend eigene Erfahrungen damit sammeln.

Mobilität spielt eine wichtige Rolle zur Erreichung der Klimaziele. Wie schätzen Sie das Potenzial elektrischer Antriebe mit Batterie, von Brennstoffzellen und von Verbrennungskraftmaschinen mit klimaneutralen Kraftstoffen in den unterschiedlichen Einsatzgebieten (Straße, Schiene, Luft, Wasser) ein?

Für uns ist der Emissionshandel das zentrale Instrument zum Erreichen der Klimaschutzziele. Schrittweise wollen wir ihn auf alle Sektoren ausweiten und für weltweite Wettbewerbsgleichheit auch nach Möglichkeit global ausrichten. Unter dem Dach des Emissionshandels muss Technologieoffenheit möglich sein. Weitere Lenkungsmaßnahmen, wie eine nationale CO2 Steuer, sind nicht nötig. Statt staatlicher Preissetzung setzen wir auf wettbewerbliche Effekte um kostengünstig und effizient CO2 einzusparen. Jede Technologie wird benötigt und wird auf diese Weise ihren effizienten Einsatzort finden.

Die Corona-Pandemie hat in einigen Bereichen zuletzt einen wahren Digitalisierungsschub ausgelöst. In anderen Feldern, wie z.B. Bildung oder Gesundheit haben sich dagegen Defizite offenbart. Welche digitalpolitischen Themen stehen ganz oben auf Ihrer Agenda?

Die Corona-Krise hat wie ein digitalpolitisches Brennglas gewirkt. Sie hat bundesweit Digitalisierungsdefizite offengelegt und gezeigt, was die Bundesregierung und viele Länderverwaltungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten versäumt haben. Nachholbedarf wurden in zahlreichen Bereichen offengelegt - auch deshalb hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag in einem Antrag dargelegt, dass die Pandemie insgesamt als digitaler Weckruf verstanden werden muss, auf den mit einer umfassenden Digitalisierungsstrategie reagiert werden sollte (Vgl. BT-Drs. 19/24632). Ganz oben in der Prioritätenliste stehen Projekte, die auf struktureller Ebene den größten Unterschied machen, sodass sie auf die Digitalisierungsbemühungen hierzulande insgesamt einen Katalysatoreffekt haben. Dazu gehören: Erstens, die Schaffung klarer digitalpolitischer Projektsteuerungs- und Koordinationsstrukturen auf bundespolitischer Ebene durch Einrichtung eines Bundesministeriums für digitale Transformation. Zweitens, die Modernisierung und Entbürokratisierung der Verwaltung im Rahmen ihrer zügigen digitalen Transformation. Drittens, der flächendeckende Ausbau gigabitfähiger digitaler Infrastruktur, weil dies die Basis der digitalen Zukunftsfähigkeit unseres Landes in der Breite ist.

Die Verfügbarkeit, der Zugang und die Qualität von Daten sind Grundlage vieler technologischer Innovationen. Oft sind Daten in Industrie und Gesellschaft vorhanden, werden aber noch nicht genutzt. Wie wollen Sie die innovative und verantwortungsvolle Datennutzung steigern?

Wir Freie Demokraten fordern eine Datenpolitik, die den Prinzipien von Selbstbestimmung über die eigenen Daten und Wettbewerb dient sowie Innovationen ermöglicht. Wir wollen einen EU-weiten Rechtsrahmen für nichtpersonenbezogene Daten schaffen. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen ein Nutzungsrecht an den Daten erhalten, an deren Erzeugung sie mitgewirkt haben. Eine generelle Datenteilungspflicht lehnen wir ab, denn auch die Kosten der Sammlung und Aufbereitung nicht-personenbezogener Daten müssen sich amortisieren können. Stattdessen wollen wir den Zugang zu Datenbeständen sektorbezogen und gegen Entgelt ermöglichen, wenn ein Wettbewerber keine Chance hat, selbst entsprechende Datenbestände aufzubauen. Nicht-unternehmensbezogene oder nicht-personenbezogene Daten der Verwaltung sollen in maschinenlesbarer Form als "Open Data" frei zugänglich gemacht werden. Für die Bereitstellung hochwertiger Daten für die kommerzielle Nutzung ist ein Lizenzsystem denkbar.

Wir setzen uns darüber hinaus für eine bessere wirtschaftliche Nutzbarmachung von Daten ein. Wir fordern deshalb die Ermöglichung und Einrichtung von Datenpools und Datendrehscheiben. Hierfür wollen wir rechtliche Hürden abbauen, die für die Zusammenführung von Daten und die Durchführung von Datenkooperationen bestehen. Datenpools, in denen qualitativ hochwertige Daten beispielsweise für das Training von Algorithmen oder die Auswertung durch „Data Scientists“ zusammengeführt werden, sind für Wirtschaft und Wissenschaft sowie gesellschaftsrelevante Innovationen elementar. Der Austausch von Daten und der Zugang zu Informationen soll zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen ermöglicht werden.

Circular Economy ist ein wichtiger Baustein, um das Ziel einer klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaft zu erreichen. Die Instrumente reichen von Mindestquoten für Rezyklate bis zur nachhaltigen Beschaffung. Was sind aus Ihrer Sicht wichtige politische Stellschrauben, um Kreisläufe zu schließen?

Wir Freie Demokraten wollen technologieoffenes Recycling in Deutschland ermöglichen und Abfälle zu neuen Rohstoffen machen, um letztlich eine EU-weite Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Wir wollen das chemische Recycling als gleichwertige Möglichkeit des Recyclings von Verpackungen zulassen und somit die rechtliche Diskriminierung dieser vielversprechenden Technologie beenden. Ressourcenschonung bedeutet nicht nur Verzicht, sondern kann auch durch innovative Wiederverwertungstechnologien erreicht werden.

Wir wollen zudem eine europaweit einheitliche Sammlung von Abfällen, um eine effiziente Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. In Europa ist die Sammlung von Abfällen noch immer so unterschiedlich, dass ein Handel damit nicht möglich ist. Zudem verhindern bürokratische Hürden oftmals den europaweiten Handel mit sekundären Rohstoffen. Wir werden uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, die Sammlung von Abfällen zu harmonisieren, damit sich Investitionen in spezialisierte Recyclinganlagen schneller lohnen.

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