Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen

Werden Sie sich für ein Bundespartizipationsgesetz stark machen, das die umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte und Diskriminierungserfahrungen verwirklicht, wirksame Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus enthält und Benachteiligungen verhindert?

Als Freie Demokraten wollen wir mit einem Einwanderungsgesetz aus einem Guss die Zuwanderung nach Deutschland sowie Integration und Partizipation von Einwanderinnen und Einwanderer ganzheitlich regeln, wodurch die Notwendigkeit eines einzelnen Partizipationsgesetzes entfällt. Wir wollen, dass Zugewanderte ein Teil unserer Gesellschaft werden können und zu ihrem Gelingen beitragen. Deshalb wollen wir Integration und Partizipation fördern und dafür beispielsweise Integrationspaten nach kanadischem Vorbild einführen und zusätzliche Integrationsmaßnahmen ermöglichen, die sich gezielt an Frauen, Kinder und Senioren, aber auch an besonders schutzbedürftige Personengruppen richten. Außerdem wollen wir bessere Angebote für das Erlernen der Sprache und zum Kennenlernen der deutschen Gesellschaftsordnung schaffen. Zudem wollen wir den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern - bereits nach vier Jahren und bei grundsätzlicher Akzeptanz von mehreren Staatsangehörigkeiten bis zur Generation der Enkel der Eingebürgerten. 

Halten Sie es für sinnvoll und notwendig, die Bereiche der Rassismusbekämpfung und -prävention (inkl.politische Bildung) und der Gestaltung der Migrationsgesellschaft auszubauen und in einem eigenständigen Ressort/Ministerium zusammenzuführen? Welche Zuständigkeiten sehen Sie für dieses Ministerium?

Wir Freie Demokraten wollen die Kompetenzverteilung in der Einwanderungs- und Integrationspolitik grundlegend verbessern, indem wir die Zuständigkeiten insbesondere von Bund und Ländern klar trennen. Der Bund sollte für alle Fragen des Schutzstatus und der Beendigung des Aufenthaltes einschließlich der Abschiebung zuständig sein, damit sich die Länder auf die Aufgabe der Integration konzentrieren können. 

Darüber hinaus machen wir Freie Demokraten uns stark für unsere freiheitliche Gesellschaft und gegen Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Homophobie. Daher erkennen wir die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus als besondere Herausforderung an. Wir stellen uns Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktiv entgegen. Rechtsextreme Vereinigungen müssen konsequent verboten werden. Die Beobachtung rechtsextremer Gefährderinnen und Gefährder muss zügig intensiviert werden. Die Sicherheitsbehörden müssen sich besser um den Schutz besonders gefährdeter Gruppen und ihrer Einrichtungen kümmern. Klar ist für uns auch: Für Menschen mit gefährlichen rechtsextremen Einstellungen ist im öffentlichen Dienst kein Platz. Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zu Radikalisierung, Extremismus und Rassismus in der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten ebenso wie die Sensibilität für Diskriminierung eine stärkere Rolle spielen müssen.

Befürworten Sie die Einrichtung einer Enquete Kommission im Bundestag zum Thema Rassismus, die unter anderem endlich die Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Ausschusses und des UN-Antirassismus-Ausschusses (ICERD) vorantreibt?

Wir Freie Demokraten erkennen die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus als besondere Herausforderung an. Eine konsequente parlamentarische Aufarbeitung der rechtsterroristischen Anschläge in Kassel, Halle und Hanau, des NSU-Komplexes sowie weiterer rechtsextremistischen Vorfälle war daher auch der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag ein wichtiges Anliegen. Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse wurden durch die Fraktion in der zurückliegenden Wahlperiode (vgl. Bundestagsdrucksache 19/13659) durch parlamentarische Anfragen und Initiativen und im dafür zuständigen Innenausschuss des Bundestages vorangebracht. Gesprächen über eine Enquete-Kommission würden wir uns nicht verschließen, sind aber der Auffassung, dass die notwendigen politischen Konsequenzen u.a. aus den NSU-Untersuchungsausschüssen bereits hinlänglich bekannt sind, aber noch nicht ausreichend gezogen worden sind.

Welchen Fahrplan schlagen Sie zum Ausbau eines flächendeckenden Antidiskriminierungsnetzwerks vor? Wie werden Sie erreichen, dass Gleichbehandlungsstellen, v.a. ADS, gemäß der Empfehlungen der Europ. Kommission gegen Rassismus und Intoleranz finanziell und personell umfänglich aufgestellt werden?

Die Arbeit unabhängiger Antidiskriminierungsberatungsstellen wollen wir Freie Demokraten unter anderem mit konkreten gegen Diskriminierung gerichteten Initiativen und der Stärkung des Aufklärungs- und Beratungsangebots fördern.

Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat mit ihrer Kleinen Anfrage vom 16.03.2021 (BT-Drs.: 19/27597) zudem erhebliches Verbesserungspotential bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ausgemacht und bei der Kommentierung der Antwort auf die Kleine Anfrage kritisiert, dass die personelle Ausstattung der ADS durch die Bundesregierung während der Corona-Pandemie zu einer Einschränkung des Beratungsangebots geführt hat. Hier bestehen mit der Einführung digitaler Beratungstechnologien bspw. zur Terminvereinbarung oder mit der Durchführung der Beratung mittels Videotelefonie, mit Kontaktformularen, Chats etc. viele Möglichkeiten, die Beratung sowohl niedrigschwelliger als auch effizienter zu gestalten und damit Zugangsschranken und räumliche Distanz zu den Betroffenen auszugleichen. 

Befürworten Sie die Verstetigung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auf der Grundlage eines Demokratiefördergesetzes? Sprechen Sie sich dafür aus, die Förderschwerpunkte Empowermentarbeit und Antidiskriminierung in das Demokratiefördergesetz mit aufzunehmen?

Unsere Demokratie und unsere Freiheit sind bedroht durch Extremismus, durch Populismus und durch Gleichgültigkeit. Für uns Freie Demokraten ist es daher eine Kernaufgabe, die liberale Demokratie mit Leben zu erfüllen, sie fortzuentwickeln und zu verteidigen. In diesem Zusammenhang fordern wir, dass der Bund die Präventionsarbeit und funktionierende Aussteigerprogramme zu unterschiedlichen Extremismusformen auf eine verlässliche finanzielle Grundlage stellt. Daneben wollen wir auch die Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft stärken. Durch ehrenamtlichen Einsatz leisten viele Bürgerinnen und Bürger einen elementaren Beitrag zu einer friedfertigen, lebendigen und wehrhaften Demokratie.

Sind Sie dafür, dass es zukünftig eine Kranken- und Rentenversicherungspflicht für in Deutschland arbeitende ausländische Saisonarbeiter*innen gibt? Wie wollen Sie die Sicherheit und Gesundheit der Saisonsarbeiter*innen am Arbeitsplatz und in den Unterkünften gewährleisten?

Wir Freie Demokraten wollen die aktuelle Regelung bezüglich der kurzfristigen Beschäftigung bzw. der Saisonarbeit beibehalten. Dieses Instrument wird gerade in der Landwirtschaft bei Erntehelfern gern genutzt und beispielsweise für Spargelernte, Hopfenanbau, Weinbau und Obstbau gebraucht. Viele landwirtschaftliche Betriebe können darauf nicht verzichten. Zugleich ist es eine einfache und lohnende Möglichkeit für ausländische Saisonarbeiter, in einem zeitlich begrenzten Umfang gutes Geld zu verdienen. Oftmals wird eine Mitgliedschaft in der Sozialversicherung von den Erwerbstätigen selbst nicht gewünscht, da diese nur wenige Monate im Jahr in Deutschland leben. So sehen auch wir Freie Demokraten nicht die Notwendigkeit für eine Kranken- und Rentenversicherungspflicht. Klar ist aber auch, dass die Arbeitgeber in der Pflicht stehen, Sicherheit und Gesundheit der Saisonarbeiter am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Setzt sich Ihre Partei dafür ein, dass die digitale Grundversorgung mit Netzausbau, WLAN im öffentlichen Raum und einer Verankerung von sozialrechtlichen digitalen Hilfen im SGB XII Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in ganz Deutschland wird? Mit welchen konkreten Maßnahmen werden sie das umsetze

Mit Gigabit-Gutscheinen auch für Privathaushalte wollen wir den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen nachfrageorientiert und kosteneffizient beschleunigen. Mit den Gutscheinen schaffen wir einen wirksamen Anreiz für Investitionen in den Gigabit-Netzausbau und helfen den Betroffenen bedarfsorientiert. Rechtlich bindende Ausbauverpflichtungen können dagegen neben Fehlallokationen zu unnötiger Rechtsunsicherheit und damit sogar zu einer erheblichen Verlangsamung des Ausbaus führen.

Im öffentlichen Dienst spiegelt sich der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund nicht wider – er liegt bei 6 % der Beschäftigten. Befürworten Sie das Festsetzen von Zielquoten („Diversitätsquote“) für den öffentlichen Dienst im Hinblick auf Menschen mit Migrationsgeschichte?

Wir setzen uns für mehr Vielfalt im Öffentlichen Dienst ein und begrüßen es, wenn mehr Menschen mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst tätig sind. Gesetzliche Quoten lehnen wir aber ab, da grundsätzlich Befähigung, Eignung und fachliche Leistung für den Zugang zum Öffentlichen Dienst maßgeblich sein sollten. Stattdessen fordern wir für die Arbeitswelt ein ganzheitliches Diversity Management. So schaffen wir gleiche Chancen für Aufstieg durch Leistung – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, sexueller Orientierung oder Religion. Im Öffentlichen Dienst sind dafür die Strukturen der Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragten in ein ganzheitliches Diversity Management einzubinden. Transparenz in Gleichstellungsberichten fördert zudem den Kulturwandel.

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