Bundesverband Trans*

1) Das „Transsexuellengesetz“ (TSG) verletzt in der aktuellen Form die Grundrechte von trans* Personen. Werden Sie die selbstbestimmte Änderung des Geschlechtseintrags für alle trans*, inter* und nicht-binären Personen einführen, sodass die Erklärung der Person selbst vor dem Standesamt ausreicht?

Für uns als Freie Demokraten umfasst das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht auf einen selbstbestimmten Umgang mit der eigenen geschlechtlichen Identität. Das derzeitige Transsexuellengesetz (TSG) wollen wir abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen, da das TSG eine solche Selbstbestimmung nicht gewährleistet, sondern insbesondere trans* und nichtbinäre Personen benachteiligt. Schon seit 2015 empfiehlt der Europarat seinen Mitgliedstaaten über die Resolution 2048, dass Personen "schnell und transparent" eine Änderung der Geschlechtsangabe möglich gemacht werden soll. Das Verfahren solle allein auf der selbstbestimmten Entscheidung der jeweiligen Person beruhen. Diese Empfehlung hat die Bundesregierung gänzlich ignoriert: In dieser Legislaturperiode hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag deshalb einen Gesetzentwurf zur geschlechtlichen Selbstbestimmung eingebracht (vgl. BT-Drs. 19/20048). Damit wäre für die Änderung des Geschlechtseintrages eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt möglich gewesen und hätte endlich die Notwendigkeit von oftmals diskriminierenden Verfahren zur Erstellung von Gutachten beendet. Da die Große Koalition diesen Antrag abgelehnt hat, werden wir uns weiterhin mit voller Kraft für geschlechtliche Selbstbestimmung einsetzen.

2) 2022 tritt der Diagnosekatalog ICD-11 in Kraft. Darin wird Trans*geschlechtlichkeit entpsychopathologisiert und als behandlungswürdiger Zustand gefasst. Wie werden Sie den Zugang zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen für trans* und nicht-binäre Personen nach Einführung der ICD-11 sicherstellen?

Wir setzen uns dafür ein, dass trans* und nicht-binäre Personen einen Anspruch auf die Übernahme von geschlechtsangleichendef Maßnahmen, einschließlich Hormontherapie sowie der Angleichung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, durch die Krankenkassen haben. Dabei muss medizinisches Personal für den Umgang mit trans* und nicht-binären Personen sensibilisiert sein. Als wichtig erachten wir auch ein ausreichendes und flächendeckendes Beratungs- und Aufklärungsangebot zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen für trans* und inter* Personen, auch um mögliche Ängste, die aus der einstigen Pathologisierung entstanden sind, abzubauen.

3) Als Eltern werden trans* Personen durch das Abstammungsrecht diskriminiert, indem sie nicht mit aktuellem Geschlechtseintrag und Vornamen in die Geburtsurkunden ihrer Kinder aufgenommen werden. Welche Reform streben Sie an, um trans* Personen als Eltern im Identitätsgeschlecht anzuerkennen?

Wie in der von der Koalition im Deutschen Bundestag abgelehnten Gesetzesinitiative der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag zur geschlechtlicher Selbstbestimmung formuliert, werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass trans*Personen als Eltern mit dem aktuellen Geschlechtseintrag und Namen in die Geburtsurkunden ihrer leiblichen Kinder aufgenommen werden (vgl. BT-Drs. 19/20048). Auch muss auf Antrag eine entsprechende nachträgliche Änderung der Geburtsurkunde mit aktualisiertem Geschlechtseintrag und Namen möglich gemacht werden. 

4) 15 von 16 Bundesländern haben inzwischen landesweite Aktionspläne, um verbindliche Ziele für den Abbau von LSBTIQA*-Feindlichkeit zu vereinbaren und Maßnahmen zur Zielerreichung zu bestimmen. Wie werden Sie auf Bundesebene den Abbau von LSBTIQA*-Feindlichkeit koordinieren und verstetigen?

Niemand soll in Deutschland wegen der eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Identität Hass und Gewalt erfahren oder in Angst davor leben müssen.  Wir Freie Demokraten fordern daher einen nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit. Wir fordern die Erweiterung des Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz um den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität und ein vollständiges Verbot sogenannter „Konversionstherapien“. Wir wollen das Blutspende-Verbot für homo- und bisexuelle Männer endlich abschaffen. Für die Eignung ist nicht die sexuelle Identität maßgeblich, sondern das individuelle Risikoverhalten eines jeden Menschen. Wir setzen uns für einen Nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit ein. Dieser soll Diskriminierungen, Beleidigungen und Gewalt wirksam entgegentreten. Bundes- und Länderpolizeien sollen LSBTI-feindliche Straftaten bundesweit einheitlich erfassen, sie in ihrer Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigen, die Ermittlungsdienste entsprechend schulen und LSBTI-Ansprechpersonen benennen. Homo- und transfeindliche Gewalt muss im Strafgesetzbuch genauso behandelt werden wie rassistische Gewalt. Beratungs- und Selbsthilfeangebote sowie die schulische und öffentliche Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt wollen wir stärken. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die vor zehn Jahren von den Freien Demokraten initiiert wurde, soll dauerhaft im Bundeshaushalt abgesichert werden.

5) Durch das TSG waren trans* Personen bis 2011 gezwungen, sich vor einer Änderung des Geschlechtseintrags sterilisieren zu lassen. Welche Entschädigung planen Sie für diese massiven Grundrechtsverletzungen? Welche Entschädigung sehen Sie für die bis 2008 umgesetzten Zwangsscheidungen vor?

Sofern Betroffene bereits nicht auf andere Möglichkeiten der Entschädigung zugreifen können, begrüßen wir eine Entschädigung von trans*Personen, die für eine Änderung des Geschlechtseintrages gezwungen waren, sich sterilisieren oder scheiden zu lassen.

6) Trans* Personen kommen als Geflüchtete nach Deutschland und erfahren hier (z.B. in Behörden und in Unterkünften) sowohl Trans*feindlichkeit als auch Rassismus. Wie werden Sie den Schutz dieser vulnerablen Personengruppe sicherstellen? Welche Maßnahmen zum Schutz der Grundrechte sehen Sie vor?

Trans*Personen brauchen als besonders vulnerable Gruppe sichere Verfahren. Dazu zählt beispielsweise im Fall sogenannter sicherer Herkunftsländer eine besondere Rechtsberatung, um Anträge form- und fristgerecht stellen zu können. Zudem muss ihre sichere Unterbringung gewährleistet sein. Hierzu muss eine stärkere Sensibilisierung der zuständigen Ämter und Behörden erfolgen.

7) In der Pandemie hat sich die Belastung vieler trans* Personen verstärkt, sodass der Bedarf an trans*sensibler Begleitung und Beratung deutlich gestiegen ist. Was tun Sie, um dieser gesteigerten Nachfrage zu begegnen? Wie werden Beratungsangebote für trans* Personen von Ihnen unterstützt?

Bereits vor der Pandemie war eine flächendeckende und ausreichende Versorgung an trans*sensibler Begleitung auf Beratung nicht gegeben und beschränkte sich von wenigen Ausnahmen vor allem auf städtische Regionen. Durch die Pandemie stehen nun zusätzlich – wie beispielswiese aus einem Bericht der Magnus-Hirschfeld-Stiftung hervorgeht – viele Initiativen und Schutzräume vor finanziellen Schwierigkeiten. Gerade jetzt muss es daher einen Ausbau der Möglichkeiten zur Beratung und zur Begleitung geben. Dabei hat sich gezeigt, wie sinnvoll auch der Ausbau digitaler Angebote ist.

8) Art. 3 Abs. 3 GG und das AGG weisen Schutzlücken auf. Die Kompetenzen der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes reichen nicht weit genug, um Betroffene wirksam zu unterstützen. Welche Maßnahmen werden Sie umsetzen, um Diskriminierungsschutz institutionell bzw. rechtlich zu stärken?

Der Blick auf die reaktionären Entwicklungen in Ungarn oder Polen zeigt, wie wichtig die rechtliche Absicherung des bisher Erreichten ist. Daher setzen wir uns mit aller Entschiedenheit für eine Ergänzung von Artikel 3 Grundgesetz um das Merkmal "sexuelle Identität" ein. Bezüglich der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag bereits in der Vergangenheit mit Nachdruck darauf verwiesen, dass der dortige Personalmangel der Nachfrage nicht gerecht wird und so unter anderem die telefonische Beratung komplett eingestellt wurde (vgl. BT-Drs 19/15592 und 19/27597). Wir sprechen uns für eine Stärkung der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes und für weitergehende Beratungsmöglichkeiten aus.

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