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Wie stehen Sie zu den Plänen für den Aufbau eines Zentrums für digitale Souveränität? Was bedeutet digitale Souveränität für Sie und wie wollen Sie diese erreichen? Welche konkreten Maßnahmen (insbesondere Governancemodell) werden eingeführt, um Digitalisierung ressortübergreifend umzusetzen?

Digitale Souveränität ist essentiell, sowohl um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, als auch um in einer zunehmend datengetriebenen Welt unsere europäischen Werte effektiv schützen zu können. Unternehmen, die umfangreichen Einflussmöglichkeiten autoritärer Regime unterliegen, sollten beim Ausbau kritischer Infrastruktur wie dem 5G-Netz nicht beteiligt werden. Weiterhin gilt es, die IT-Sicherheit hierzulande zu stärken, etwa durch ein Recht auf Verschlüsselung, denn höchstmögliche IT-Sicherheit ist ein Grundpfeiler digitaler Souveränität. Es muss ebenso um den Aufbau und die Förderung digitaler Kapazitäten und Fähigkeiten sowie der Forschungs- und Innovationskraft hierzulande gehen. Wirklich selbstbestimmt und unabhängig agieren kann nur, wer selbst zu den Technologieführern gehört. Wir brauchen deshalb deutlich innovationsfreundlichere Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa. Essentiell sind hierbei zum Beispiel: ein einheitlicher europäischer digitaler Binnenmarkt, die Schaffung eines modernen Datenrechts (siehe auch BT-Drs. 19/26538), verbesserte Gründungs- und Arbeitsbedingungen für Start-ups oder die systematische Förderung digitaler Kompetenzen für Menschen jeden Alters.

Um den vielfältigen Herausforderungen im Zusammenhang mit digitaler Souveränität bestmöglich gerecht werden zu können, braucht es eine zentrale Stelle, die als Projektsteuerungs- und Koordinationsknotenpunkt für digitalpolitische Projekte agieren kann. Deshalb fordern wir die Einrichtung eines Ministeriums für digitale Transformation auf Bundesebene. Hier sollen Kompetenzen gebündelt werden, um Synergieeffekte zu nutzen und eine schlankere und effizientere Regierung zu gestalten. Nur so können wir die digitale Transformation von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zum Nutzen aller Menschen in unserem Land schnell, effizient und konsistent gestalten.

Wie stellen Sie sicher, dass die Zivilgesellschaft qualifiziert an der Ausgestaltung einer demokratischen, Grundrechte wahrenden Digitalisierung beteiligt wird? Welche Maßnahmen zur Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen in den politischen Entscheidungsprozess werden bis wann umgesetzt?

Die Digitalisierung betrifft sämtliche Lebensbereiche und bringt gesellschaftliche Veränderungen mit sich. Dafür zu sorgen, dass die digitale Transformation mit unseren freiheitlich demokratischen Grundrechten vereinbar ist, verstehen wir als Kernaufgabe liberaler Politik. Die Zivilgesellschaft wollen wir bei der Gestaltung der Digitalisierung bestmöglich einbeziehen.

Dazu fordern wir neue Instrumente der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger außerhalb von Wahlen. Entscheidender Adressat und Auftraggeber für mehr Bürgerbeteiligung sind für uns die Parlamente, etwa durch die Möglichkeit der Bürgerberatung durch Hausparlamente, die Erweiterung des Petitionsrechts um das „Bürgerplenarverfahren“ oder durch per Zufallsauswahl besetzte Bürgerräte. Stets muss dabei unmissverständlich klargestellt sein, dass nur das Parlament legitimierte Entscheidungen trifft, der Beratungsauftrag klar eingegrenzt und die Erwartungen klar definiert sind. Der Deutsche Bundestag sollte zudem auf Open-Source-Basis eine digitale Plattform mit einer Vorhabenliste einrichten, die staatliche Behörden und Einrichtungen verpflichtet, ihre Pläne und Abwägungen künftig im Sinne echter Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie der öffentlichen Kommentierung zugänglich zu machen.

Wie setzen Sie umfassende Transparenzpflichten auf allen Stufen des Gesetzgebungsverfahrens, verbindliche ausreichende Fristen für Verbändebeteiligung und eine feste, paritätische Zivilgesellschafts-Quote für alle Beratungsgremien von Bundestag und Regierung (Enquetekommissionen, Beiräte etc.) um?

Wir Freie Demokraten setzen uns ein für ein Lobbytransparenzregister, das alle Arten von Interessenvertretungen erfasst und auch gleichbehandelt. Das jüngst beschlossene Lobbyregistergesetz gewährleistet hingegen keine hinreichende Transparenz, da es zum Beispiel zahlreiche Ausnahmen enthält und auf den sogenannten exekutiven Fußabdruck verzichtet (siehe dazu auch BT-Drs. 19/29266). Zentral ist für uns jedoch ebenfalls die Gewährleistung der Freiheit des Mandats.

Wie stehen Sie zu dem Prinzip, dass von öffentlichen Geldern entwickelte Produkte und Inhalte Allen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden und wie würden Sie dies umsetzen? Etwa im Bereich Software (Public Money? Public Code!), Daten (Open Data) und freies Wissen (Open Educational Resources)?

Wir Freie Demokraten fordern eine „Open Data“- und „Open Government“-Strategie für Deutschland. Nicht-unternehmensbezogene oder nicht-personenbezogene Daten der Verwaltung sollen in maschinenlesbarer Form frei zugänglich gemacht werden. Das führt zu mehr Transparenz und einer größeren Möglichkeit der öffentlichen Teilhabe für informierte Bürgerinnen und Bürger. Für Unternehmen können öffentlich zugängliche Daten wertvolle Informationen zu Absatzmärkten und Standortentscheidungen liefern und neuartige sowie attraktive Angebote für Kundinnen und Kunden ermöglichen. Daher sollten auch Ergebnisse staatlich finanzierter Forschung grundsätzlich öffentlich zur Verfügung gestellt werden („Open Access“). Dabei müssen Datenschutz und -sicherheit gewährleistet sein. Bei der Bereitstellung hochwertiger Daten für die kommerzielle Nutzung ist ein Lizenzsystem denkbar. Damit Bund, Länder, Kommunen und alle weiteren öffentlichen Stellen an einem Strang ziehen, fordern wir die Vereinbarung eines „Open Data Pakt“ zwischen allen staatlichen Ebenen. Darüber hinaus hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag in ihrem Antrag „Staatliche Daten verwenden − Wohlstand durch Datenreichtum gewinnen“ weitere Forderungen formuliert (BT-Drs. 19/27814).

Wie wollen Sie sicherstellen, dass öffentliche Gelder im digitalen Bereich nachhaltig, zukunftsgewandt, sozial- und generationengerecht und der Gesellschaft zu Gute kommend eingesetzt werden? Welche Reformen planen Sie hier im Bereich Vergabe, Förderung und Forschung?

Wir Freie Demokraten stehen für Nachhaltigkeit durch Innovation. Auch im Bereich des Klima- und Ressourcenschutzes sehen wir die Digitalisierung als Chance. Digitale Zwillinge lassen Simulationen zu, die Effizienzen in allen denkbaren Prozessen optimieren, an vielen ökologisch relevanten Stellen eine intelligente Kreislaufwirtschaft ermöglichen und für damit für Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sorgen.  So wollen wir beispielsweise mit dem Konzept des „Building Information Modeling“ (BIM) eine bessere Koordination der Planung von Bauprojekten und eine präzisere Steuerung des Bauablaufs erreichen. Alle relevanten Bauwerksdaten werden digital erfasst und kombiniert. Der Bund muss als Bauherr verstärkt auf den Einsatz von BIM setzen (vgl. BT-Drs. 19/17097). Im Bereich der Forschungsförderung stehen wir grundsätzlich für Technologieoffenheit.

Wie müssen die IT-Infrastruktur und die -Kompetenzen erweitert werden, um bis 2025 Zugang zu schnellem, kostenfreien, flächendeckenden Internet und einen sicheren und kompetenten Umgang aller Menschen im digitalen Raum zu gewährleisten?

Wir Freie Demokraten setzen uns für eine flächendeckenden und hochleistungsfähige 5G-Mobilfunkabdeckung und eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen ein. Die Mobilfunkabdeckung wollen wir insbesondere mit einem effizienten Auktionsdesign sowie einem starken und zeitnahen Controlling durch den Bund erreichen. Nur durch echten Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt erreichen wir die notwendige Ausbaugeschwindigkeit. Mit Gigabit-Gutscheinen für Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen wollen wir den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen nachfrageorientiert und kosteneffizient beschleunigen. Mit den Gutscheinen wird ein Teil der Kosten erstattet, die bei der Umstellung auf Gigabit entstehen. Damit schaffen wir einen wirksamen Anreiz für Investitionen in den Gigabit-Netzausbau.

Wir Freie Demokraten setzen uns für die Schaffung einer Bundeszentrale für digitale Bildung ein. Diese soll in drei Säulen Aufgaben der Koordination, Qualitätssicherung und Vermittlung digitaler Bildung in Deutschland übernehmen. Die erste Säule stellt Informationen, Materialien und Kurse bereit, um bei Menschen aller Altersklassen das Verständnis über die Grundlagen der Digitalisierung, aktuelle technische Entwicklungen und gesellschaftliche Debatten zu fördern, damit sie als aufgeklärte und verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger in einer digitalisierten Welt agieren können. Die zweite Säule ist die Beurteilung und Zertifizierung von digitalen Lehr- und Lernmitteln hinsichtlich rechtlicher und pädagogischer Mindeststandards. Die dritte Säule befasst sich mit der digitalen Transformation des Bildungswesens und hierbei konkret mit digitaler Didaktik und der Aus- sowie Fortbildung von Lehrenden aller Bildungsinstitutionen zur Implementierung digitaler Lernstrategien.

Welche Anreize und Rahmenbedingungen wollen Sie schaffen, um gemeinwohlorientierte und genossenschaftliche Plattformen zu fördern, sodass echte Alternativen zu Geschäftsmodellen der Aufmerksamkeitsökonomie in der Praxis möglich werden?

Wir Freie Demokraten setzen uns auch im Bereich der Plattformökonomie für faire Rahmenbedingungen ein. Unser Ziel ist es daher, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und den Missbrauch von Marktmacht zu unterbinden. Wir wollen dazu eine wirksame Kontrolle großer Unternehmen der Digitalwirtschaft schaffen, die Zugänge zum Internet kontrollieren. Solche Gatekeeper-Unternehmen, die als Betreiber einer Suchmaschine, als soziales Netzwerk oder als dominierende Handelsplattform die Wettbewerbsbedingungen kleiner oder mittlerer Unternehmen entscheidend beeinflussen können, müssen einer speziellen Regulierung unterworfen werden. Die Regulierung soll verhindern, dass Gatekeeper den Wettbewerb verzerren, indem sie sich beispielsweise bei Suchergebnissen selbst begünstigen, indem sie die Interoperabilität mit Angeboten anderer Unternehmen einschränken oder indem sie die Geschäftsdaten ihrer Partnerinnen und Partner in unlauterer Weise zum eigenen Vorteil nutzen. Eine wirksame Kontrolle global agierender Gatekeeper-Unternehmen kann nicht allein von der Ebene des nationalen Rechts und der Behörden der EU-Mitgliedstaaten ausgehen. Wir unterstützen deshalb die Pläne zur Schaffung eines Digital Markets Act auf Ebene der Europäischen Union, mit dem eine das Kartellrecht ergänzende europäische Regulierung für Gatekeeper-Unternehmen geschaffen werden soll.

In diesem Rahmen sehen wir auch für genossenschaftlich orientierte Unternehmen den größtmögliche Entfaltungsspielraum für ihre Geschäftsmodelle. Um Deutschland zur Gründerrepublik zu machen, muss eine Brücke zwischen Start-ups und hohen Vermögensbeständen institutioneller Anleger geschaffen werden.

Wie stellen Sie sicher, dass beim branchenübergreifenden digitalen Umbau der Arbeitswelt die Chancengerechtigkeit insbesondere unterrepräsentierter Gruppen gewährleistet wird? Wie verhindern Sie eine fortschreitende Prekarisierung durch digitale Arbeit?

Wir Freie Demokraten wollen dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen von den Chancen Digitalisierung profitieren und mit den Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt halten können.

Dazu wollen wir ein zweites Bildungssystem für das ganze Leben einführen. Wir fordern ein „Midlife-BAföG“ von bis zu 1.000 Euro im Jahr einführen. Darüber hinaus soll in einem persönlichen Freiraumkonto unabhängig vom Arbeitgeber das steuer- und abgabenfreie Ansparen für Weiterbildungsangebote und Bildungsauszeiten ermöglicht werden. Zudem soll die Vielzahl von Bildungsangeboten für das lebenslange Lernen von öffentlichen wie privaten Anbieterinnen und Anbietern transparent und strukturiert auf einer zentralen digitalen Plattform einsehbar sein. Diese digitale Bildungsarena soll den Zugang zu Weiterbildungen erleichtern und gleichzeitig die Anerkennung informell sowie non-formal erworbener Kompetenzen ermöglichen.

Wir fordern darüber hinaus Fairness für Selbstständige. Ob Freie Berufe, Handwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft oder Dienstleistungsbranche: Selbstständige sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse. Mit unterschiedlichen Reformansätzen wollen wir die Selbstständigkeit erleichtern, sie als Selbstbestimmung ernst nehmen und für mehr öffentliche Wertschätzung von Selbstständigen sorgen. Ungleichbehandlungen wollen wir abbauen und zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung endlich an den tatsächlichen Einnahmen orientieren.

Zudem fordern wir eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Über das Statusfeststellungsverfahren muss sich zweifelsfrei klären lassen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Klare gesetzliche Positivkriterien gewährleisten Rechtssicherheit, indem bei Vorliegen bestimmter Kriterien eine Selbstständigkeit rechtssicher und verbindlich festgestellt wird. Zudem soll die Prüfung durch eine unabhängige Stelle statt durch die Rentenversicherung vorgenommen werden. Damit sorgen wir für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, auch mit Blick auf digitale Plattformen.

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