Oxfam Deutschland e.V.

Inwiefern setzen Sie sich für eine Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts ein, um die wachsende Marktkonzentration und den politischen und wirtschaftlichen Einfluss marktmächtiger Unternehmen effektiv zu begrenzen? Befürworten Sie die missbrauchsunabhängige Entflechtung als Instrument?

Wir Freie Demokraten wollen eine wirksame Kontrolle großer Unternehmen der Digitalwirtschaft schaffen, die Zugänge zum Internet kontrollieren. Solche Gatekeeper-Unternehmen, die als Betreiber einer Suchmaschine, als soziales Netzwerk oder als dominierende Handelsplattform die Wettbewerbsbedingungen kleiner oder mittlerer Unternehmen entscheidend beeinflussen können, müssen einer speziellen Regulierung unterworfen werden. Die Regulierung soll verhindern, dass Gatekeeper den Wettbewerb verzerren, indem sie sich beispielsweise bei Suchergebnissen selbst begünstigen, indem sie die Interoperabilität mit Angeboten anderer Unternehmen einschränken oder indem sie die Geschäftsdaten ihrer Partnerinnen und Partner in unlauterer Weise zum eigenen Vorteil nutzen. Eine wirksame Kontrolle global agierender Gatekeeper-Unternehmen kann nicht allein von der Ebene des nationalen Rechts und der Behörden der EU-Mitgliedstaaten ausgehen. Wir unterstützen deshalb die Pläne zur Schaffung eines Digital Markets Act auf Ebene der Europäischen Union, mit dem eine das Kartellrecht ergänzende europäische Regulierung für Gatekeeper-Unternehmen geschaffen werden soll.

In der Sozialen Marktwirtschaft soll der Staat Schiedsrichter sein, nicht Mitspieler. Daher wollen wir nach Vorbild des Normenkontrollrats einen Privatisierungsbeirat einberufen. Er soll Vorschläge erarbeiten, wie sich der Bund sozialverträglich und kapitalmarktschonend von Unternehmensbeteiligungen trennen kann.

Befürworten Sie, Unternehmen gesetzlich auf soziale und ökologische Ziele (insb. existenzsichernde Löhne in ihren Lieferketten und Emissionsreduktionen i.S.d. der 1,5°-Grenze) zu verpflichten sowie sicherzustellen, dass die dafür notwendigen Investitionen Priorität vor Gewinnausschüttungen haben?

Wir bekennen uns ausdrücklich zu dem Ziel aus dem Pariser Abkommen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Deutschland und Europa haben sich zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 verpflichtet. Dieses Ziel können wir durch ein striktes und jährlich sinkendes CO2-Limit in einem umfassenden Emissionshandelssystem zuverlässig erreichen. Es sollte jedoch regelmäßig auf Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Sachstandsberichten des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change) evaluiert werden. Sollte Klimaneutralität in der EU in dem Zuge bereits frühzeitiger angestrebt werden, kann der Emissionshandel die Zielerreichung durch Anpassung des Senkungspfads weiterhin garantieren. Damit bekennen wir uns auch zum 13. Ziel für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Den Weg dorthin überlassen wir dem Erfindergeist von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Technikerinnen und Technikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. So können wir Klimaschutz marktwirtschaftlich und wissenschaftlich sicher erreichen. Der Weg kann und muss in Deutschland und Europa starten, er ist aber erst beendet, wenn alle Emissionen weltweit einen einheitlichen marktwirtschaftlichen CO2-Preis haben.

Wir Freie Demokraten setzen auf gelebte Eigenverantwortung von Unternehmen und Konsumenten zum besseren Schutz der Menschenrechte. Denn gerade Letztere haben insbesondere durch ihre Nachfragemacht großen Einfluss die Produktionsbedingungen. Gleichzeitig wollen wir daran mitwirken, dass Unternehmen durch die Beachtung von Menschenrechten mehr Wettbewerbsvorteile als -nachteile haben. Daher treten wir für eine einheitliche europäische Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein. Wir sind überzeugt, dass nur gemeinsame europäische Standards dem Binnenmarkt gerecht werden und zu einer positiven und nachhaltigen Wertschöpfungskette beitragen. Viele deutsche und europäische Unternehmen leisten bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur schrittweisen Verbesserung der Lebensbedingungen sowie der menschenrechtlichen und sozialen Lage in Entwicklungsländern. Sie haben allerdings weder die Marktmacht noch das Personal, um die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten weltweit zu garantieren. Damit das Engagement nicht gefährdet wird, sollte die Haftung in der Lieferkette nur auf den Bereich der direkten Kontrolle bezogen werden, ohne neue zivilrechtliche Haftungsansprüche zu begründen. Wir schlagen einen risiko-, größen- und sektorspezifischen Ansatz vor. Die Schaffung weiterer Dokumentationspflichten oder unnötiger bürokratischer Hürden lehnen wir ab. Menschenrechtsbezogene Risiken von Tätigkeiten und Geschäftsbeziehungen werden reduziert. Die Beachtung von sozialen und ökologischen Kriterien fördert zudem Investitionen von verantwortungsbewussten Unternehmerinnen und Unternehmern. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollten bei ihrem Engagement in Entwicklungsländern unterstützt werden.

Setzen Sie sich für eine ambitionierte Ausgestaltung der Sustainable-Corporate-Governance-Initiative der EU ein und welche konkreten Positionen vertritt Ihre Partei diesbzgl., insb. zur Frage von Gemeinwohlbindung der Geschäftsleitungsorgane und Repräsentation aller Stakeholder in diesen?

Wir Freie Demokraten begleiten die Sustainable-Corporate-Governance-Initiative konstruktiv. Wir begrüßen im Grundsatz den Versuch, eine Einheit von Handeln und Haften herzustellen und Unternehmen auf Nachhaltigkeit auszurichten, wie dies bei unzähligen Mittelständlern und Familienunternehmen bereits seit langem gelebte Realität ist. Dabei ist uns wichtig, dass es durch die Gesetzgebung nicht - etwa durch überbordende Bürokratie -  zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmen kommt.

 

Wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass Deutschland deutlich früher als 2038 aus der Kohleverstromung aussteigt und, und wenn ja, wann soll der Ausstieg abgeschlossen sein?

Der Kohleausstieg ist über das marktwirtschaftliche Instrument des europäischen Emissionshandels längst angelegt - und zwar europaweit. Der Emissionshandel sollte als zentrales Klimaschutzinstrument gestärkt und auf alle Sektoren ausgeweitet werden. So können wir die Umstellung hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung ganz ohne Steuergelder und technologische Vorgaben voranbringen (vgl. Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 26.05.2021 „Kohleausstiegs- und Strukturstärkungsgesetz“).

Welche Position vertritt Ihre Partei gegenüber der Forderung (u.a. von UN-Generalsekretär Antonio Guterres), dass auch Deutschland seine jährliche finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Klimakrise in den Ländern des Globalen Südens bis 2025 gegenüber heute verdoppeln sollen?

Wir Freien Demokraten stehen zu den Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Abkommen. Jedoch sind wir der Überzeugung, dass die Bewältigung der Folgen des Klimawandels mehr als eine Frage der finanziellen Mittel ist. Wir fordern in erster Linie wirksame Maßnahmen, die geeignet sind die wirtschaftliche Resilienz der betroffenen Menschen zu erhöhen. Daher muss die finanzielle Unterstützung regelmäßig hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert werden.

Hält Ihre Partei - für den Ausgleich verbleibender Emissionen auf dem Weg zur Klimaneutralität - die Nutzung von landbasierten Senken (z.B. Aufforstungsprogramme) im Globalen Süden trotz möglicher Probleme z.B. wegen drohender Flächenkonkurrenz für vertretbar und warum?

Wir Freie Demokraten wollen national wie international mehr Aufforstungen und den Schutz bestehender Wälder. Weltweit müssen wir wertvolle Waldökosysteme und Moore erhalten. Dafür müssen wir internationale Anreize schaffen – zum Beispiel durch Belohnung der langfristigen Bindung von CO2 durch das Emissionshandelssystem. Denn Wälder und Moore sind Hüter von Biodiversität und wirksame Kohlenstoffspeicher. Neben Emissionsminderungen sind Aufforstungen, unter anderem auch von Mangroven, und die Wiedervernässung von Mooren zurzeit ein verfügbares und bezahlbares Mittel, um den Wettlauf gegen die Erwärmung des Planeten zu gewinnen. Dabei muss auf eine langfristige Sicherung entsprechender Projekte geachtet werden, sodass Bäume beispielsweise wachsen können und nicht binnen weniger Jahre wieder verschwinden. Mehr Wald und Moore bedeuten auch bessere Lebens-, Ernährungs- und Einkommenschancen – sowohl weltweit für Millionen Menschen in Entwicklungsländern als auch in Deutschland und Europa. Ebenso wichtig wie Wälder an Land sind die Algenwälder, Seegraswiesen und das Phytoplankton der Meere, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu speichern und Sauerstoff zur Verfügung zu stellen. Eine gesunde Meeresflora leistet somit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit des Ökosystems Ozean, sondern auch zu nachhaltigem Klimaschutz. Deshalb müssen wir die Meeresflora besonders schützen.

Drohenden Konflikten auf Grund von Flächenkonkurrenz, beispielsweise durch die Verringerung von landwirtschaftlicher Nutzfläche, wollen wir konkret vor Ort im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit begegnen und einen sinnvollen Interessenausgleich gemeinsam mit lokalen Gemeinden schaffen. Notwendige Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft im globalen Süden, die bisher vor allem auf Flächenwachstum zurückzuführen sind, wollen wir künftig vermehrt durch Wissens- und Technologietransfers unterstützen, um durch Pflanzenzüchtung, Pflanzenschutz und den richtigen Einsatz von Düngern die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Flächen effizienter und ertragreicher zu gestalten. Für uns Freie Demokraten ist klar, dass Nahrungsmittelsicherheit und internationaler Klima- und Umweltschutz sich nicht entgegenstehen, sondern gemeinsam gedacht und umgesetzt werden müssen. Schon heute leiden insbesondere die Länder des globalen Südens unter den Folgen des Klimawandels (vgl. Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 16.07.2019 „10-Punkte-Agenda zur Rettung der Wälder“). 

Wollen Sie den internationalen Wettlauf um die geringsten Steuersätze für Unternehmen stoppen und den Körperschaftssteuersatz für Unternehmen in Deutschland stabil halten?

Wir Freie Demokraten wollen die steuerliche Belastung von Unternehmen auf den OECD-Durchschnitt von rund 25 Prozent senken. Zudem unterstützen wir Initiativen auf OECD- und G20-Ebene für eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einsetzen. So sorgen wir für mehr Fairness im Wettbewerb zwischen großen internationalen Konzernen, die aggressive Steuervermeidung betreiben, und Mittelständlern.

Inwieweit sehen Sie die Notwendigkeit das Wirtschaftssystem so zu gestalten, dass es zukünftig wachstumsunabhängig stabil bleibt, und falls ja, welche Ansätze vertreten Sie hierzu?

Wir Freie Demokraten wollen Armut bekämpfen und Wohlstand fördern. Wir sind überzeugt, dass hierfür anhaltendes Wirtschaftswachstum zwingend notwendig ist. Um dies zu erreichen, wollen wir Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Forschung und Infrastruktur stärken und die Einhaltung von Stabilitätskriterien durchsetzen.

 

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