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Zur Sicherung der Altersvorsorge, eines selbstbestimmten Lebens, gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengerechtigkeit sind Grundkenntnisse über Wirtschaft und Finanzen als Teil der Allgemeinbildung unerlässlich. Welche Maßnahmen planen Sie zur Förderung der ökonomischen Bildung in ganz Deutschland?

Finanzwissen und ökonomische Bildung sind die Grundlage für mündige Finanzentscheidung der Bürgerinnen und Bürger, vermeiden Überschuldung und helfen dabei, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Der sichere Umgang mit Verträgen und Anlagemöglichkeiten ist für junge Menschen ebenso wichtig, wie ein grundlegendes Verständnis unseres Wirtschaftssystems. Wir Freie Demokraten setzen uns daher für eine bundesweite Einführung eines Schulfaches Wirtschaft ein. An zu vielen deutschen Schulen werden noch immer keine ausreichenden wirtschaftlichen Grundkenntnisse vermittelt, obwohl diese heutzutage längst wie Rechnen, Lesen und Schreiben zum Basiswissen gehören sollten. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über unser Wirtschaftssystem mit auf den Weg geben und ihren Gründergeist sowie die Innovationsfreude schon im Schulalter fördern.

Wie werden Sie die Tragfähigkeit der stark gestiegenen deutschen Staatsschulden sicherstellen? Wie beurteilen Sie den Zusammenhang zwischen Staatsschulden, Investitionen und der Belastung künftiger Generationen?

Um auch weiterhin notwendige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Digitalisierung zu gewährleisten, setzen wir Freie Demokraten auf Wachstum. Denn dadurch steigen auch die Steuereinnahmen, der relative Schuldenberg sinkt und Deutschland wächst aus seinen Schulden heraus. Den gleichen Effekt konnte man nach der Finanzkrise beobachten. Daher ist Entlastung so wichtig. Nur so kann das notwendige Wirtschaftswachstum angeregt werden. Gleichzeitig halten wir zur Sicherstellung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen an der Schuldenbremse fest. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass sich die Schuldenbremse bewährt hat. In außergewöhnlichen Krisenjahren kann von der Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht und Sonderausgaben durch eine erhöhte Schuldenaufnahme finanziert werden. Die Schuldenbremse verhindert auch keine Investitionen, dies ist vielmehr eine Frage der richtigen Prioritätensetzung.

Mit Blick auf die Generationengerechtigkeit wollen wir die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen stärken, parlamentarisch effektiv verankern und durch eine Generationenbilanzierung ergänzen. Dabei werden Leistungen der Gesellschaft für folgende Generationen den entstehenden Lasten gegenübergestellt. Zudem wollen wir die Schuldenbremse stärken: Sie soll auf staatliche Beteiligungsgesellschaften, Sondervermögen und den deutschen Anteil an Verbindlichkeiten der Europäischen Union ausgeweitet werden.

Wie werden Sie das Steuer- und Transfersystem einfacher und transparenter machen? Welche Erleichterungen planen Sie im Bereich der Unternehmensbesteuerung und was werden Sie unternehmen, damit sich Arbeit vor allem auch für Hartz-4-Empfänger und Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen lohnt?

Wir Freie Demokraten wollen beim Einkommensteuertarif den sogenannten Mittelstandsbauch vollständig abschaffen und so einen leistungsgerechteren linearen Chancentarif gestalten. Die Abschaffung wollen wir in drei Schritten in den Jahren 2022 bis 2024 erreichen. Heute steigt die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen besonders schnell an. Von Gehaltserhöhungen greift sich der Staat mehr als die Hälfte. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht. Deshalb brauchen wir mehr Fairness bei den Steuern.

Wir wollen Easy Tax einführen: die vorausgefüllte Steuererklärung mit einem umfassenden digitalen Service für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Im Besteuerungsverfahren muss umfangreicher auf innovative Lösungen gesetzt werden. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner sollen durch Easy Tax immer vollständige Steuererklärungen vom Finanzamt vorbereitet werden, die von den Betroffenen nur noch bestätigt werden müssen. Ziel muss es sein, dass Steuerbescheide in diesen Fällen innerhalb von wenigen Tagen bekannt gegeben werden können.

Die steuerliche Belastung von Unternehmen wollen wir auf den OECD-Durchschnitt (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von rund 25 Prozent senken. Zudem wollen wir uns gemeinsam mit den USA für eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einsetzen. So sorgen wir für mehr Fairness im Wettbewerb zwischen großen internationalen Konzernen, die aggressive Steuervermeidung betreiben, und Mittelständlern.

Schließlich wollen wir bessere Hinzuverdienstregeln beim Arbeitslosengeld II (ALG II). Die aktuellen Regeln sind demotivierend und sie belohnen kaum, die Grundsicherung durch eigene Arbeit Schritt für Schritt zu verlassen. Bessere Hinzuverdienstregeln ermöglichen aber genau das: Sie bilden eine trittfeste Leiter, die aus Hartz IV herausführt. Das Einkommen von Jugendlichen aus Familien, die ALG II beziehen, soll bis zur Höhe eines Minijobs gar nicht angerechnet werden. Junge Erwachsene sollen künftig nicht mehr für Forderungen des Staates haften, welche auf ein Verschulden der Eltern – wie beispielsweise das verspätete Anzeigen einer Erwerbstätigkeit der Eltern – beruhen.

Wie wird Ihre Partei sicherstellen, dass deutsche Unternehmen trotz nationaler CO2-Steuer und europäischen Emissionshandels auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben?

Wir Freie Demokraten wollen deutsche Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen durch klimapolitische Maßnahmen schützen. Ziel muss ein über den europäischen Emissionshandel (EUETS) hinaus international abgestimmtes Vorgehen beim Klimaschutz mit einheitlichem CO2-Preis für alle sein.  

Als Übergangslösung bis zu einem globalen CO2-Zertifikatehandel unterstützen wir die EU darin, eine WTO-konforme Weiterentwicklung des „Carbon Leakage“-Schutzes einzuführen, der sich am EU-ETS orientiert. Damit verhindern wir, dass emissionsintensive Industrien ins Ausland abwandern, und geben anderen Ländern einen direkten Anreiz, bei der CO2-Bepreisung nachzuziehen. Nur so kann ein echter Wettbewerb um Innovationen für mehr Klimaschutz gelingen. Denn dem Klimaschutz ist nicht geholfen, wenn CO2-intensive Produktionsprozesse in Regionen mit geringeren Auflagen außerhalb Deutschlands und Europas verlagert und die Produkte anschließend importiert werden.

Darüber hinaus setzen wir uns grundsätzlich für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Unternehmen am Standort Deutschland ein, etwa durch eine moderne Infrastruktur, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren, Bürokratieabbau und Entlastung bei den Unternehmenssteuern.

Das deutsche Lieferkettengesetz verlangt genaue Kenntnisse der Umstände vor Ort. Wie werden Sie die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen? Halten Sie es für zielführend, das Gestz auf ökologische Aspekte zu erweitern?

Wir Freie Demokraten setzen auf gelebte Eigenverantwortung von Unternehmen und Konsumenten zum besseren Schutz der Menschenrechte. Denn gerade Letztere haben insbesondere durch ihre Nachfragemacht großen Einfluss die Produktionsbedingungen. Gleichzeitig wollen wir daran mitwirken, dass Unternehmen durch die Beachtung von Menschenrechten mehr Wettbewerbsvorteile als -nachteile haben. Daher treten wir für eine einheitliche europäische Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein. Wir sind überzeugt, dass nur gemeinsame europäische Standards dem Binnenmarkt gerecht werden und zu einer positiven und nachhaltigen Wertschöpfungskette beitragen. Viele deutsche und europäische Unternehmen leisten bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur schrittweisen Verbesserung der Lebensbedingungen sowie der menschenrechtlichen und sozialen Lage in Entwicklungsländern. Sie haben allerdings weder die Marktmacht noch das Personal, um die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten weltweit zu garantieren. Damit das Engagement nicht gefährdet wird, sollte die Haftung in der Lieferkette nur auf den Bereich der direkten Kontrolle bezogen werden, ohne neue zivilrechtliche Haftungsansprüche zu begründen. Wir schlagen einen risiko-, größen- und sektorspezifischen Ansatz vor. Die Schaffung weiterer Dokumentationspflichten oder unnötiger bürokratischer Hürden lehnen wir ab. Menschenrechtsbezogene Risiken von Tätigkeiten und Geschäftsbeziehungen werden reduziert. Die Beachtung von sozialen und ökologischen Kriterien fördert zudem Investitionen von verantwortungsbewussten Unternehmerinnen und Unternehmern. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollten bei ihrem Engagement in Entwicklungsländern unterstützt werden.

Welche Anreize wollen Sie schaffen, um (private) Investitionen vor allem in die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft zu fördern?

Deutschland droht im internationalen Wettbewerb zurückzufallen. Um in die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückzukommen, sind in den nächsten Jahren gewaltige Investitionen, insbesondere in die Megatrends Digitalisierung und Dekarbonisierung, notwendig. Dafür brauchen wir einen Investitionspakt im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. Dabei kommt es besonders auf die privaten Investitionen an, denn im Jahr 2020 kamen rund 13 Prozent der Investitionen vom Staat, aber 87 Prozent vom privaten Sektor.

Doch zurzeit drückt der Staat bei den Unternehmen auf die Investitionsbremse. Bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Arbeitslohn befindet sich Deutschland in der absoluten Spitzengruppe der OECD-Länder.

Welche konkreten Schritte wird Ihre Partei unternehmen, um die Bürokratiebelastung – vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen – zu reduzieren?

Wir Freie Demokraten fordern einen Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft, in dem Maßnahmen zur Bürokratieentlastung gebündelt und vorangetrieben werden. Der stetig wachsende Bürokratiedschungel belastet die Bürgerinnen und Bürger sowie die deutschen Unternehmen und bremst die wirtschaftliche Entwicklung aus. Initiativen wie das Bürokratieentlastungsgesetz IV, die Strategie „Einheitliche Ansprechpartner 2.0“ und eine Verlegung der Sozialversicherungsbeiträge in den Folgemonat müssen zu einer Gesamtstrategie gebündelt werden. Das gilt auch für schlankere Vergabe-, Register- und Informationsbestimmungen. Für jede neue Belastung durch geplante Regelungen sollen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden („One in, two out“) – auch auf europäischer Ebene. Europäische Vorgaben wollen wir 1:1 umsetzen und die Praxis des sogenannten Gold-Plating beenden.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Immobilien- und Mietpreisentwicklung und ihre ökonomischen Konsequenzen? Mit welchen Maßnahmen begegnen Sie der steigenden Nachfrage nach Wohnraum – vor allem in Metropolregionen?

Steigende Wohnkosten sind eine der sozialen Fragen unserer Zeit. In unserer Offensive für bezahlbaren Wohnraum setzen wir uns deshalb dafür ein, dass endlich mehr, schneller und günstiger gebaut werden kann.

Wir Freie Demokraten wollen Bauen günstiger machen. Durch die Vielzahl von Vorschriften entstehen massive Kosten. Daher wollen wir einen Baukosten-TÜV einführen, der neue Regelungen auf ihre Kosten für Bauen und Wohnen ermittelt. Unser Ziel ist es, kostenverursachende Normen zu vermeiden und den Entscheiderinnen und Entscheidern eine transparente Grundlage für ihr Handeln zur Verfügung zu stellen. Insbesondere EU-Richtlinien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinaus umgesetzt werden. Die Empfehlungen der Baukostensenkungskommission erfordern eine konsequente Umsetzung. Ebenso wollen wir auch bestehende kostensteigernde Regelungen kritisch überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Ein zweiter großer Kostenfaktor ist das teure und knappe Bauland. Wir Freie Demokraten wollen daher ein Baulücken- und Potentialflächenkataster einführen. Auf dessen Grundlage können die Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten konkrete Zeit- und Maßnahmenpläne zur Bebauung dieser Flächen entwickeln. Hindernisse bei der Wiederverwertung von Brachflächen sind konsequent zu beseitigen. Der Bund muss die Länder im Rahmen der Bauministerkonferenz außerdem zu einer Entbürokratisierung des Dachausbaus und der Dachaufstockung, etwa bei der Stellplatz- und Aufzugspflicht, anhalten und mittels der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein entsprechendes Förderprogramm auflegen. Alle Grundstücke und Liegenschaften des Bundes, die nicht für Staatszwecke benötigt werden, müssen schnellstmöglich identifiziert, bereitgestellt und bevorzugt über beschleunigte Konzeptvergaben veräußert werden.

Wir wollen zudem für Menschen mit niedrigem Einkommen einen echten Zugang zu günstigem Wohnraum schaffen. Dazu muss sich die soziale Wohnraumversorgung an der potentiellen Mieterin beziehungsweise am potentiellen Mieter und nicht nur am Bau von neuen Sozialwohnungen orientieren. Wir wollen zahlungsschwachen Wohnungssuchenden den Zugang zum freien Wohnungsmarkt mithilfe des Wohngeldes erleichtern. Erst wenn dort die Wohnungssuche erfolglos bleibt, soll die Berechtigung auf Bezug einer Sozialwohnung erteilt werden.

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