Handelsverband Deutschland - HDE e.V.

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie umsetzen, um den von der Coronakrise gebeutelten Handel zu unterstützen, seine Geschäftsmodelle neu und nachhaltiger aufzustellen?

Wir Freie Demokraten fordern faire Wettbewerbsbedingungen für den stationären Einzelhandel gegenüber dem Onlinehandel. Das Ziel muss eine Stärkung durch Entlastung bei Auflagen und Abgaben für den stationären Handel sein. Der mittelständische Handel in Deutschland braucht in diesem Zusammenhang politische Unterstützung und Rahmengesetzgebung, um im aktuellen Strukturwandel gegenüber dem reinen Online-Handel bestehen und in Zukunft von der Digitalisierung profitieren zu können. Reformbedarf gibt es neben der Öffnung der Ladenschlusszeiten insbesondere bei der Unternehmensbesteuerung. So wirken sich etwa die Hinzurechnungsregelungen bei der Gewerbesteuer in vielen Fällen krisenverschärfend aus.  Darüber hinaus wollen wir die Stromsteuer auf das europarechtlich geforderte Mindestmaß senken. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat im Rahmen ihrer Initiative „Vitale Innenstädte durch starken Einzelhandel“ (BT-Drs. 19/16958) weiteren Forderungen eingebracht.

Wir wollen zudem die Vernetzung von Start-ups und traditionellem Einzelhandel sowie technologische Beratung von KMU des Einzelhandels durch Verbände, Kammern, Beratungsstellen und (Fach-) Hochschulen zu unterstützen, dass Online-Geschäftsmodelle für Einzelunternehmen wie Handelsgenossenschaften in der Fläche realisiert und die Prozesse nachhaltig digitalisiert werden können. Zudem wollen wir Gründungen und Übergaben von Einzelhandelsunternehmen durch Beschleunigung der Verfahren und Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen vereinfachen.

Im Bereich Bauen und Stadtentwicklung braucht es Vereinfachungen im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, damit notwendige Umbaumaßnahmen in Ladengeschäften schnell und kosteneffizient möglich sind. Dadurch könnte der Einzelhandel viel flexibler auf neue Anforderungen und Veränderungen im Konsumverhalten reagieren.

Außerdem müssen die Innenstädte attraktiver gestaltet werden. Diese Aufgabe können die Kommunen aber nur erfüllen, wenn die finanzielle Ausstattung genügend Handlungsspielraum lässt. Deshalb wollen wir die Gewerbesteuer ersetzen durch einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und einem kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die EEG-Umlage kein wirkungsvolles Instrument zur CO2-Vermeidung ist. Wie stehen Sie zu der Forderung, die EEG-Umlage abzuschaffen und durch ein marktwirtschaftliches Modell zu ersetzen, das auf einem europäischen und nationalen CO2-Preis basiert?

Wir Freie Demokraten wollen die Umlagen, Steuern und Abgaben auf Energie umfassend reformieren. Im Zentrum steht für uns dabei ein einheitlicher CO2-Preis für alle Sektoren, den wir durch eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels erreichen wollen. Im Gegenzug wollen wir die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß senken und die EEG-Umlage schrittweise abschaffen, indem die Förderzusagen aus der Vergangenheit weitestgehend aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert und keine neuen Fördertatbestände geschaffen werden.

Bald kommt ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz. Werden Sie sich für eine „sunset clause“ einsetzen, um einzelstaatliche Regelungen zugunsten einer europäisch harmonisierten Regelung abzuschaffen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutsche Handelsunternehmen sicherzustellen?

Wir treten für eine einheitliche europäische Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein. Anstelle von nationalen Alleingängen setzen wir uns für eine einheitliche Regelung im Binnenmarkt ein, die an bestehende Berichtspflichten anknüpft. Die Forderung nach einer Sunset-Klausel hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag im parlamentarischen Verfahren eingebracht und fordert weiterhin, das nationale Sorgfaltspflichtengesetz zugunsten einer praktisch anwendbaren und den Zielen dienlicheren europäischen Regelung abzulösen (siehe dazu auch Fraktionsbeschluss „Für eine einheitliche europäische Lösung zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten“, https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2020-10/Beschluss_Menschenrechte_Lieferketten.pdf).

Infolge der Digitalisierung sind unsere Innenstädte grundlegenden Veränderungen unterworfen. Damit sie auch künftig lebenswert sind, muss das Nebeneinander unterschiedlicher Stadtakteure wieder möglich sein. Wie werden Sie die funktionale Durchmischung der Innenstädte stärken?

Lebendige Ortskerne und Innenstädte sind essentiell für das gesellschaftliche Zusammenleben in unseren Städten und Gemeinden. Wir sind davon überzeugt, dass hierfür eine funktionale Nutzungsmischung zwingende Voraussetzung ist. Derzeit stehen aber zahlreiche bürokratische Hürden unkomplizierten Lösungen im Wege. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag fordert die Segmentierung der Ortsteile und Quartiere in Schlafen, Arbeiten, Freizeit und Lernen aufzubrechen und zu flexibilisieren (BT-Drs. 19/25296). Dafür erachten wir eine Novelle des Baugesetztuchs und der Baunutzungsverordnung für zwingend erforderlich. Zudem wollen wir durch eine Experimentierklausel zur Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einführen, die eine stärkere Durchmischung bestehender Quartiere ermöglicht. Auf Ebene der Bauministerkonferenz wollen wir zudem die Erstellung einer Muster-BID-Verordnung vorantreiben, damit die Einführung von Landesgesetzen zur Förderung privater Initiativen zur Stärkung der Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gewerbezentren (Business Improvement Districts) erleichtert und vereinheitlicht wird.

Viele kleine und mittelständische Handelsunternehmen sind in Folge des Lockdowns finanziell ausgezehrt und können notwendige Investitionen, etwa in die Digitalisierung, nicht aus eigener Kraft stemmen. Wie werden Sie den Handel dabei unterstützen, den Strukturwandel zu bewältigen?

Ein Wachstum von 20 Prozent zeigt, dass sich das Einkaufsverhalten vieler Kundinnen und Kunden schon eindeutig in Richtung Internet verschoben hat. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die sich schon zu Beginn der Lockdowns abzeichnete. Die Signale sind klar: Der Einzelhandel gerade in den Innenstädten leidet trotz Umsatzplus im Sommer weiterhin unter den Folgen der pandemiebedingten Schließungen. Wir Freie Demokraten sehen Reformbedarf besonders bei der Unternehmensbesteuerung: So wirken sich die Hinzurechnungsregelungen bei der Gewerbesteuer in vielen Fällen krisenverschärfend aus. Gleichzeitig sind noch immer die Kosten für die Energiewende ungerecht verteilt und belasten über die EEG-Umlage Händler und Privatverbraucher überproportional. Zusätzlich fordern wir, das allgemeine Verkaufsverbot für den Einzelhandel an Sonntagen zu lockern und hierbei für Rechtssicherheit zu sorgen. Zudem müssen digitale Vertriebswege für einen „Hybrid-Handel der Zukunft“ speziell gefördert werden. Programme wie das von NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart (FDP) initiierte Beispiel der „Digital Coaches“, die kleine Handelsbetriebe auf ihrem Weg in den Online-Vertrieb unterstützen, müssen Nachahmung auch in anderen Teilen Deutschlands finden.

Deutschland verfügt bereits über ein im europäischen Vergleich hohes Verbraucherschutzniveau, das für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Konsumenten und der Wirtschaft sorgt. Halten Sie vor diesem Hintergrund weitere Regulierungen zum Schutz der Verbraucher für erforderlich?

Wir setzen uns für einen Verbraucherschutz ein, der den mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern Optionen und eine informierte sowie souveräne Entscheidung ermöglicht. Wir vertrauen auf die Selbstbestimmung der Verbraucher. Deshalb lehnen wir eine bevormundende Verbraucherpolitik ab, die zum Beispiel die Dauer bestimmter Verträge schematisch begrenzt. Selbstbestimmung setzt aber eine freie und informierte Entscheidung voraus, die auch die Zwänge und Grenzen berücksichtigt, denen Verbraucher unterliegen. Dies wollen wir ermöglichen, indem wir uns insbesondere zur besseren Vergleichbarkeit bei Langzeitverträgen für die Ausweisung monatlicher Durchschnittspreise aussprechen.

Die deutsche Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell und hat sich auch in Krisenzeiten bewährt. Dennoch hat der Gesetzgeber zuletzt immer stärker in die Tarifautonomie eingegriffen. Wie werden Sie die Gestaltungsfreiheit für die Sozialpartner fördern und die Tarifautonomie stärken?

Wir Freie Demokraten bekennen uns zur Tarifautonomie und einer starken Sozialpartnerschaft. Unser Arbeitsmarktmodell ist erfolgreich, da es auf Tarifautonomie und flexiblen Tarifpartnerschaften von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften basiert. Im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik werden jedoch zahlreiche Gesetze beschlossen, deren Gegenstand zielgenauer von den Sozialpartnern geregelt werden könnte. Wir sollten den Sozialpartnern wieder mehr Möglichkeiten geben, tarifvertragliche Vereinbarungen zu treffen.

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