Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP e.V.)

Die Lancet–Chatham House Commission nennt als gemeinsame Treiber für (übertragbare und nicht übertragbare) Krankheiten und Umweltkatastrophen: eine wenig nachhaltige Landwirtschaft, Subventionen für schädliche Produkte und überfüllte Städte. Welche Maßnahmen planen Sie gegen diese Treiber?

Wir Freie Demokraten wollen regionale, nationale und internationale transdisziplinäre Zusammenarbeit für die ganzheitliche Gesundheit für Mensch, Tier und Natur. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Humanmedizin, Tiermedizin und Umweltmedizin ist erforderlich. Ebenso ein wirtschaftliches Anreizsystem für ein nachhaltiges „One Health Unternehmertum“. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der die weltweiten Bedrohungen durch Epidemien und Pandemien sektorenübergreifend erforscht werden müssen. Wir wollen zudem Human- und Veterinärmediziner sowie Halterinnen und Halter von Wildtieren für den Umgang mit Zoonosen schulen. Durch eine Registrierungspflicht sollen Tierhalterinnen und Tierhalter im Infektionsfall schnell und unkompliziert informiert werden.

In Deutschland hat zunehmende Prosperität nicht zu einer Verringerung der sozial bedingten Ungleichheit geführt. Was werden Sie zur Verringerung der sozialen und gesundheitlichen Ungleichheit tun?

Das Sozialversicherungssystem sichert auch im internationalen Vergleich den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger jeglichen Alters in unserem Land. Finanzielle Basis für dieses Sozialversicherungssystem bildet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Prosperität Deutschlands. Wir Freie Demokraten setzen uns für die finanzielle Stabilität unseres Sozialversicherungssystems ein und wollen dieses zielgenauer und nachhaltiger gestalten.

Deutschland hat die niedrigste Lebenserwartung aller nord-, west- und südeuropäischen Länder. Als Gründe werden u.a. diskutiert: ungünstige Ernährung; ein fehlendes vollständiges Tabakwerbeverbot; die hohe Ungleichheit der Vermögensverteilung. Was planen Sie zur Erhöhung der gesunden Lebenszeit?

Wir Freie Demokraten wollen das Präventionsgesetz reformieren. Wir setzen auf Überzeugung statt Bevormundung. Wir wollen Kindern und Jugendlichen bereits in Kindergärten, Schulen und in der Ausbildung einen gesunden Lebensstil vermitteln und damit die Verhütung von Krankheiten ermöglichen. Im Sinne eines lebenslangen Gesundheitslernens sollen aber auch Erwachsene entsprechende Informationen erhalten können. Der Prävention, Krankheitsfrüherkennung und Gesundheitsförderung kommen eine wichtige Bedeutung zu, die nicht nur das Gesundheitswesen umfasst, sondern altersunabhängig die gesamte Gesellschaft.

Die Coronapandemie traf auf einen jahrelang vernachlässigten Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Welche Schwerpunkte sieht Ihre Partei in der Modernisierung des ÖGD, und wie werden Sie die Umsetzung des Pakts für den ÖGD nach 2025 nachhaltig gestalten und finanziell ausstatten?

Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) nimmt eine wichtige Rolle beim Gesundheitsschutz der Bevölkerung ein. Voraussetzung ist jedoch, dass die heute in kommunaler Verantwortung stehenden und grundsätzlich aus den Landeshaushalten zu finanzierenden Gesundheitsämter technisch und personell hinreichend ausgestattet sind. Der digitalen Transformation der Gesundheitsämter muss höchste Priorität eingeräumt werden. Das Robert Koch-Institut wollen wir im Bereich Public-Health stärken und unabhängiger ausgestalten. Im Hinblick auf eine nachhaltige Finanzierung des ÖGD über 2025 hinaus müssen in der kommenden Legislaturperiode unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Wichtig für uns Freie Demokraten dabei ist, dass der ÖGD insgesamt auch nach 2025 in der Lage ist, seiner wichtigen Aufgabe nachkommen zu können.

Das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) erhielt im Zuge der Coronapandemie zunächst 150 Mio. Euro, jetzt 80 Mio. Euro Fördergelder pro Jahr zusätzlich. Welche Förderung planen Sie für den Public Health-Bereich, der z.B. das (ungeförderte) Kompetenznetz Public Health zu Covid-19 gegründet hat?

Wir Freie Demokraten wollen die Erforschung der von den Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion ausgehenden Gefahren namens Long-Covid priorisieren und die Erhebung klinischer Daten, die Analyse von Langzeitfolgen, die Entwicklung wirksamer Therapien und deren Implementierung in die Regelversorgung forcieren.

Angesichts der Verteilung auf alle Altersgruppen und der Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, die Wirtschaft und die sozialen sowie familiären Beziehungen der Betroffenen, bedarf es einer nationalen Long-Covid-Strategie, die der Wissenschaft und dem Gesundheitssystem die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt, um das Phänomen stärker zu erforschen und zu behandeln.

Hierfür müssen Fördermittel bereitgestellt und Forschungsnetzwerke aufgebaut werden. Zudem muss das Phänomen Long-Covid als vordringliches Thema des von der Berliner Charité koordinierten bundesweiten Netzwerks der Universitätskliniken zur Erforschung von Covid-19 behandelt werden.

Was planen Sie, um Sozial-, Arbeits- und Umweltmedizin sowie Prävention und Gesundheitsförderung in Lehre und Forschung zu stärken, damit sie die Teilhabe von Menschen am gesellschaftlichen Leben unterstützen, den Wandel der Arbeit gesundheitsgerecht gestalten und dem Klimawandel entgegenwirken?

Wir Freie Demokraten wollen das Medizinstudium von heute an die Herausforderungen von morgen anpassen. Nur mit einem praxisnahen, wissenschaftlich fundierten und optimal auf die Bedarfe der Patientenversorgung abgestimmten Medizinstudium kann das Gesundheitssystem zukunftsfähig gemacht werden. Exzellente Versorgung geht Hand in Hand mit exzellenter Ausbildung.

Die Coronapandemie hat es wie unter einem Brennglas gezeigt: die Gesundheitserhaltung ganzer Bevölkerungen erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Politikbereiche. In der Gesundheitsförderung heißt dies „Health-in-all-Policies“. Welche Maßnahmen planen Sie diesbezüglich?

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass die Internationalen Gesundheitsvorschriften gestärkt und durch einen „Periodic Review“ ergänzt werden. Die Covid-19-Pandemie hat die Schwächen unserer internationalen Instrumente und Regelwerke zur Vorbeugung, Überwachung und Bekämpfung von Gesundheitsgefahren zum Vorschein gebracht. Wir unterstützen einen internationalen Pandemievertrag, der Lücken in der Pandemievorsorge sowie -reaktion füllt und einen intersektoralen Ansatz im Sinne von „One Health“ verfolgt. Zudem setzen wir uns für eine Weiterentwicklung und Verbesserung von Frühwarnsystemen ein. Um besser auf zukünftige Gesundheitsbedrohungen vorbereitet zu sein und dringend benötigte Arzneimittelinnovationen gegen neue Erreger mit Pandemiepotential zu entwickeln, ist es wichtig, internationale Forschungsinitiativen auszubauen und eine nachhaltige Finanzierung für die Grundlagenforschung zur Verfügung zu stellen.

Wir wollen einen „Chief Medical Officer“ einsetzen, zum Beispiel in Personalunion mit der Präsidentin oder dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI). Zudem muss der Bundessicherheitsrat reformiert werden, damit Deutschland auf aufkommende Krisen besser reagieren kann. Wir wollen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Konzept „Health in all Policies“ sowie Gesundheitssysteme weltweit stärken und einen neuen Nationalen Sicherheitsrat einrichten. Damit wollen wir auch global besser auf zukünftige Gesundheitsgefahren vorbereitet sein.

Wir wollen zudem regionale, nationale und internationale transdisziplinäre Zusammenarbeit für die ganzheitliche Gesundheit für Mensch, Tier und Natur. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Humanmedizin, Tiermedizin und Umweltmedizin ist erforderlich. Ebenso ein wirtschaftliches Anreizsystem für ein nachhaltiges „One Health Unternehmertum“. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der die weltweiten Bedrohungen durch Epidemien und Pandemien sektorenübergreifend erforscht werden müssen.

Wie werden Sie UN-Programme (z.B. UN-Nachhaltigkeitsziele) und EU-Politiken (z.B. Europäisches Semester, Säule sozialer Rechte und Gesundheitsunion) nutzen, um mehr Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit zu erreichen?

Wir Freie Demokraten treten für eine stärkere multilaterale Zusammenarbeit und Koordination in der globalen Gesundheitspolitik ein. Denn das ist wegen drängender Gesundheitsprobleme wie Infektionskrankheiten, Antibiotikaresistenzen sowie Todesfällen und Erkrankungen aufgrund von globaler Erwärmung, Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzungen unerlässlich. In unserer vernetzten Welt kann Gesundheit und Wohlergehen nicht mehr allein auf nationaler Ebene gesichert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt hierfür eine zentrale Rolle ein. Sie stellt eine unverzichtbare fachliche Kompetenz für die internationale Gemeinschaft zur Verfügung und muss in ihrer Ausstattung und ihrem Mandat als koordinierende Organisation der globalen Gesundheit gestärkt werden.

Vor dem Hintergrund der aktuell zu bewältigenden Pandemie und zukünftiger gesundheitlicher Herausforderungen kommt der Rolle der EU und Deutschlands in der globalen Gesundheitspolitik große Bedeutung zu. Die EU-Strategie zur globalen Gesundheit muss aktualisiert und mit der außenpolitischen Strategie verknüpft werden. Um Schwächen der Koordinierung und Kohärenz in der globalen Gesundheitspolitik Deutschlands zu reduzieren und entschlossen die Globale Gesundheitsagenda national und international zu bespielen, setzen wir uns für eine ressortübergreifende Koordinierungsstelle ein. Außerdem wollen wir einen Aktionsplan „Globale Gesundheit“, um Ziele und Prioritäten umzusetzen. Nur so kann Deutschland mehr Verantwortung in der globalen Gesundheitspolitik übernehmen.

Der Schwerpunkt des deutschen Engagements muss auf der Stärkung von Gesundheitssystemen liegen, sodass Menschen überall auf der Welt, unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, gleichberechtigten Zugang zu bedarfsgerechten Gesundheitsdienstleistungen haben. Hierfür halten wir es für erforderlich, dass alle Akteure – also staatliche, zivilgesellschaftliche, akademische und privatwirtschaftliche – konstruktiv zusammenarbeiten und nachhaltige Lösungen entwickeln.

Wir wollen einen Wandel in der globalen Gesundheitspolitik hin zu mehr Gesundheitsförderung. Hierfür wollen wir digitale Systeme nutzen, um die Transformation von einer reaktiven Therapie zu einer proaktiven Prävention von Krankheiten zu unterstützen. Digitale Technologien können die weltweite Gesundheitsversorgung verbessern, das Tempo zur Erreichung von „Universal Health Coverage“ beschleunigen und die Zukunft von „Primary Health Care“ gestalten.

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