Initiative Familien

Nach 18 Monaten mit lange geschlossenen Bildungseinrichtungen erwarten Familien, dass künftig flächendeckende Schließungen oder Wechselbetrieb verhindert werden. Sollten im Herbst die Zahlen steigen, was wären sinnvolle Szenarien für Bildungseinrichtungen? Anhand welcher Faktoren und Grenzwerte?

Das Recht auf Bildung kann am besten im Präsenzunterricht verwirklicht werden. Geschlossene Schulen und wochenlanger Distanzunterricht hatten dramatische negative Folgen für die persönliche Entwicklung und psychische Gesundheit unserer Kinder. Gerade Schülerinnen und Schüler aus finanziell benachteiligten Familien wurden während der Lockdowns abgehängt, ihre Zukunftschancen wurden erheblich gefährdet. Für uns Freie Demokraten ist klar, dass es das oberste Ziel sein muss, Präsenzunterricht möglichst unabhängig vom weiteren Infektionsgeschehen zu garantieren Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat darüber hinaus den Antrag „Staatliche Garantie für pandemiefesten Präsenzunterricht− Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung nicht erneut vorenthalten“ mit weiteren Forderungen eingebracht (BT-Drs. 19/32077).

Darüber hinaus kann der Inzidenzwert allein, insbesondere angesichts der steigenden Anzahl vollständig gegen COVID-19 geimpfter Personen, ohnehin nicht länger das entscheidende Maß für Beschränkungen des öffentlichen Lebens infolge der Corona-Pandemie sein. Zur vollständigen Betrachtung des Verlaufs der Pandemie und ihrer Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem müssen vielfältige weitere Faktoren, wie beispielsweise die Hospitalisierungsrate, die Impfquote und die lokale Dynamik des Infektionsgeschehens, betrachtet werden (siehe hierzu BT-Drs. 19/32078).

Welche Maßnahmen streben Sie für Erwachsene an, und welche für Kinder und Jugendliche? Bitte detailliert: anhand welcher Faktoren und Grenzwerte, zu welchen Zeitpunkten? Wer sind geeignete Experten zur Beratung über Maßnahmen und Folgenausgleich für Kinder und Jugendliche?

Wir Freie Demokraten haben bereits seit langem gefordert, dass die Corona-Schutzmaßnahmen nicht ausschließlich an die Inzidenzwerte gekoppelt werden dürfen. Dazu hat die Fraktion der Freien Demokraten mehrere Vorschläge formuliert.

Die Fraktion im Deutschen Bundestag hat dies bereits im Rahmen ihres Antrags "Bundesweiten Stufenplan vorlegen – Dem Land eine Perspektive geben" (BT-Drs. 19/26536) im Februar 2021 gefordert. Bei der Beratung zum Vierten Bevölkerungsschutzgesetz im April 2021 hat die Fraktion einen Änderungsantrag (BT-Drs. 19/28755) eingebracht, mit dem eine durch weitere Faktoren sogenannte gewichtete Sieben-Tage-Inzidenz als Indikator eingeführt werden sollte.

Welche Kriterien sollte es geben, um ein Ende der Pandemie festzustellen? Wie lautet Ihr Plan auf dem Weg dahin?

Die Corona-Pandemie ist erst vorbei, wenn die Ausbreitung des SARS-Cov2-Virus weltweit gestoppt wird. Deshalb benötigen wir globales Handeln. 

Etwas anderes ist allerdings die Beurteilung der "Epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Hier liegen die Voraussetzungen zum Bestehen dieser Lage nach unserer Ansicht nicht mehr vor. Die Fraktion der Freien Demokraten hat deshalb Anfang Juni 2021 den Antrag "Epidemische Lage von nationaler Tragweite geordnet beenden – Bevölkerung weiter schützen, Parlamentsrechte wahren" (BT-Drs. 19/30395) in den Bundestag eingebracht.

Ende August 2021 hat die Fraktion darüber hinaus den Antrag „Epidemische Lage von nationaler Tragweite geordnet beenden – Planungs- und Rechtssicherheit gewährleisten – Pandemiemonitoring verbessern“ eingebracht (BT-Drs. 19/32078).

Was muss zu den Themen Bildung, Schulen, KiTas, Familien auf Landesebene und was auf Bundesebene geregelt werden? Wie sehen Sie die Finanzierung? Welche neuen Inhalte braucht Schule künftig und umgekehrt, wo könnten Lehrpläne im Sinne einer Modernisierung gekürzt werden?

Wir Freie Demokraten fordern, einen Prozentpunkt des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren. Dazu sollen sich Bund und Länder unter Einbeziehung der Kommunen in einem Staatsvertrag verpflichten. Das ermöglicht zusätzliche Investitionen von rund 2,5 Milliarden Euro in den Bildungssektor, die für die umfassende Modernisierung unseres Bildungssystems dringend notwendig sind. So können wir Deutschland in die Top 5 der OECD-Staaten bringen.

Wir fordern bundesweite Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife und das Abitur sowie qualitativ hochwertige Bildungsstandards. Wir brauchen mehr Innovationen und Qualitätssicherung durch Vergleichbarkeit in der Bildung. Wir fordern eine Reform des Bildungsföderalismus und eine Grundgesetzänderung, damit Bund und Länder zusammen für die Sicherstellung der Qualität, die Leistungsfähigkeit und die Weiterentwicklung des Bildungswesens wirken können. Wir leisten uns 16 verschiedene Schulsysteme, Lehrpläne und Prüfungsordnungen, stellen aber nicht sicher, dass die Schulbildung deutschlandweit die höchste Qualität hat. Wir wollen zukunftssichere Schulen, in denen die besten Arbeitsmöglichkeiten fürs Lehren und Lernen zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig wollen wir die Autonomie der Schulen stärken und den Schulen mehr pädagogische, personelle und finanzielle Freiheiten geben. Jede Schule soll ein eigenes Budget erhalten, über dessen Verwendung sie autonom entscheidet. Im Rahmen der Schulautonomie kann der Unterricht zum Beispiel in einem modularen System organisiert und so individuell auf die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler zugeschnitten werden. Zugleich erhalten die Schülerinnen und Schüler dadurch eine größere Wahlfreiheit und die Schule kann den unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler individueller gerecht werden.

Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Rechte, Bedürfnisse und Interessen von Kindern, Jugendlichen und Familien in die politischen Entscheidungsprozesse einfließen? Wie sieht moderne Familienpolitik aus? Und wie können Familien einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft erreichen?

Die wichtigsten Entscheidungen sind oft die persönlichsten. Wen wir lieben, wie wir lieben, wie wir leben, wie wir Kinder erziehen und aufziehen – darin müssen alle frei sein. Für uns ist Familie überall dort, wo Menschen dauerhaft und verbindlich füreinander Verantwortung übernehmen. Wir Freie Demokraten wollen eine moderne Familienpolitik für Deutschland, in der jede Familie ihre Entscheidungen selbst treffen kann. Wir setzen uns für ein modernes Sorge-, Adoptions-,  Reproduktions- und Abtreibungsrecht ein.

Um in Zukunft auf Jugendlichen eine stärkere politische Stimme zu geben, fordern wir eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und Europäischen Parlament. Junge Menschen nehmen bereits in vielen Lebensbereichen Verantwortung wahr, werden aber von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Dabei sind sie diejenigen, die am längsten von politischen Entscheidungen beeinflusst werden. Das Wahlrecht ab 16 ist gelebte Generationengerechtigkeit.  Als Voraussetzung dafür ist die politische Bildung an allen Schulformen zu verstärken.

Darüber hinaus wollen wir Bürgerinnen und Bürgern durch neue Instrumente der Beteiligung außerhalb von Wahlen mehr Möglichkeiten der politischen Partizipation bieten. Entscheidender Adressat und Auftraggeber für mehr Bürgerbeteiligung sind für uns die Parlamente, etwa durch die Möglichkeit der Bürgerberatung durch Hausparlamente, die Erweiterung des Petitionsrechts um das „Bürgerplenarverfahren“ oder durch per Zufallsauswahl besetzte Bürgerräte. Stets muss dabei unmissverständlich klargestellt sein, dass nur das Parlament legitimierte Entscheidungen trifft, der Beratungsauftrag klar eingegrenzt und die Erwartungen klar definiert sind.

Wie sieht Ihre Digitalstrategie für Deutschland und speziell für den Bildungsbereich aus? Welche Zeithorizonte verfolgen Sie?

Die im Digitalpakt zur Verfügung gestellten Mittel des Bundes werden mittelfristig nicht ausreichen, um zu Vorreitern für digitale Bildung wie Estland aufzuschließen. Daher fordern wir Freie Demokraten einen Digitalpakt 2.0, der die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Kooperation von Bund und Ländern im Bildungsbereich vollständig nutzt. Zusätzlich zur Technik muss auch in IT-Administratorinnen und IT-Administratoren, Dienstgeräte für Lehrkräfte, digitales Lernmaterial sowie Fortbildungen investiert werden. Darüber hinaus soll dieser auch klare Datenschutzstandard für die Beschaffung von Software definieren. Die Coronakrise hat gezeigt, dass die finanziellen Mittel für WLAN und Hardware allein nicht ausreichend sind, um im Notfall digitalen Unterricht von zu Hause aus zu ermöglichen. Die Digitalisierung von allgemeinbildenden, beruflichen und sonderpädagogischen Schulen muss ganzheitlich gedacht werden – von der Ausstattung bis zur Nutzung. Die Schule muss digital gestütztes Lernen in Präsenz genauso anbieten wie Lernen auf Distanz. Einen entsprechenden Antrag für einen Digitalpakt 2.0 hat die Fraktion der Freien Demokraten im Bundestagsfraktion bereits eingebracht (vgl. BT-Drs. 19/10160).

Darüber hinaus wollen wir Freie Demokraten den Einsatz von Lern-Managementsystemen und freier Lern- sowie Lehrmaterialien mit einer offenen Lizenz fördern. Gute Programme und Lernmittel der Bildungswirtschaft und EduTech-Szene müssen qualitäts- und datenschutzgeprüft in den Unterricht integriert werden können. Damit schaffen wir neue Möglichkeiten beim Lernen. Dabei setzen wir uns auch für die Entwicklung klarer Standards für den Einsatz von Learning Analytics an Schulen ein. Künstliche Intelligenz bietet eine Möglichkeit zur Individualisierung des Lernens und Lehrens von Kindern und Jugendlichen. Die Auswertung von Daten über Lernende verbessert das Lernen und die Lernumgebung. Dieses Potential von Learning Analytics soll, unter Wahrung des Datenschutzes, genutzt werden.

Zudem brauchen wir bundesweit einheitliche und ambitionierte Standards für die digitale Bildung sowie eine Stärkung des Themas in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Darüber hinaus wollen wir endlich alle Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten ausstatten. Das schließt auch neue didaktische Methoden ein, die die neuen technischen Möglichkeiten inklusiv nutzen, statt nur Frontalunterricht zu digitalisieren. 

Die Pandemie zeigt erneut, dass in KiTas und Schulen akuter Fachkräftemangel herrscht. Wie wollen Sie dagegen vorgehen? Welche Zeithorizonte verfolgen Sie?

Wir Freie Demokraten wollen die Qualität der frühkindlichen Bildung stärken. Dafür müssen sich Bund und Länder auf ambitionierte gemeinsame Standards für Betreuungsschlüssel und frühkindliche Bildungsinhalte verständigen. Um die Attraktivität des Erzieherberufs zu stärken, schlagen wir vor, dass die Ausbildung zur Fachkraft im Bereich der frühkindlichen Bildung bundesweit nicht nur schulgeldfrei erfolgt, sondern auch vergütet wird. Qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten werten das Berufsbild von Erzieherinnen und Erziehern spürbar auf.

Wie sieht für Sie chancengerechte Bildung aus? Was werden Sie dafür tun? In welchem Zeithorizont und mit welchen finanziellen Mitteln?

Wir Freie Demokraten wollen Schulen und Kitas finanziell stärken, indem wir ihre Finanzierung auf drei Säulen stellen: einen Sockelbetrag entsprechend der Größe der Einrichtung, Bildungsgutscheine, die pro Kind einen Zuschuss gewähren, und einen „German Dream“-Zuschuss für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status. Der feste Sockelbetrag garantiert die Überlebensfähigkeit gerade von kleineren Schulen im ländlichen Raum und die Finanzierung über das Modell der Bildungsgutscheine garantiert eine bedarfsorientierte Finanzierung von Bildungseinrichtungen. Zugleich wird ein gesunder Wettbewerb gefördert und die Wahlfreiheit der Eltern und Kinder gestärkt. Schließlich können die Bildungseinrichtungen dank dem „German Dream“- Zuschuss eigenverantwortlich individuelle Förderkonzepte für Kinder und Jugendliche mit mehr Förderbedarf anbieten. Gleichzeitig verhindern wir ein Auseinanderdriften der Schulqualität.

Auch wollen wir in ganz Deutschland Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen – insbesondere in kinderreichen Stadtteilen und in Regionen mit großen sozialen Herausforderungen. Dabei orientieren wir uns am erfolgreichen Konzept der Talentschulen in Nordrhein-Westfalen.

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