DPT-Deutscher Präventionstag

Kriminalprävention befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit. An welchen Stellen in diesem Spektrum setzen die kriminalpräventiven Ziele Ihrer Partei an? Welche Schwerpunkte werden gesetzt?

Wir brauchen einen handlungs- und durchsetzungsstarken Rechtsstaat, der Sicherheit und Freiheit gleichermaßen gewährleistet. Dazu wollen wir Freie Demokraten Polizei und Justiz besser ausstatten, unsere Sicherheitsarchitektur erneuern und den Feinden des Rechtsstaats entschieden entgegentreten.

Gerade in den letzten Jahren haben wir erlebt, dass auf jedes sicherheitsrelevante Ereignis oder auf Grundlage einer gefühlten Sicherheitslage reflexartig neue Eingriffsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden oder Strafschärfungen gefordert und zum Teil umgesetzt wurden, ohne dass damit ein wirklicher Sicherheitsgewinn einhergegangen wäre. Besser wäre es, Polizei und Justiz mit den nötigen Personal- und Sachmitteln auszustatten. Kriminalistinnen und Kriminalisten kritisieren seit Längerem, dass Polizei und Staatsanwaltschaften nicht mehr die Ressourcen haben, in Fällen von Alltags- oder Bagatellkriminalität die nötigen Ermittlungen durchzuführen (vgl. Sebastian Fiedler, in: der Kriminalist 9/2020, S. 4 f.). Einstellungen des Verfahrens sind in diesem Kriminalitätsbereich zur Regel geworden. Diese Zustände schädigen nachhaltig das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates. Notwendig ist auch ein modernerer Ansatz bei der Resozialisierung von Strafgefangenen. 

Wir Freie Demokraten fordern eine Föderalismuskommission III von Bund und Ländern. Die Kommission soll Vorschläge für eine Reform der Sicherheitsarchitektur unterbreiten, etwa durch eine Reduzierung der Anzahl der Landesämter für Verfassungsschutz. Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Verfahren müssen klarer werden.

Es müssen aber auch bisher wenig beachtete Aspekte der Prävention in den Blick genommen werden. Im Bereich der Stadtplanung etwa sollten Bund und Länder auf den Zusammenhang zwischen Stadtplanung und innerer Sicherheit achten. Stadtplanung ist kein Allheilmittel gegen die Beeinträchtigung in der öffentlichen Sicherheit, aber durch Beleuchtung, Begrünung und eine intelligente Steuerung von Verkehrsströmen in den Städten lässt sich eine spürbare Verbesserung der inneren Sicherheit erreichen. Bisher wird die Stadtplanung der Kommunen durch den Bund jedoch noch nicht ausreichend unter dem Gesichtspunkt von Sicherheitsgewinnen gefördert (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, BT-Drs.-19/18045).

Seit mehr als 30 Jahren werden Strategien der kommunalen Kriminalprävention in ländlichen wie auch in urbanen Räumen umgesetzt. In welcher Form sollen diese Strukturen nach der Programmatik Ihrer Partei weiterentwickelt und gestärkt werden?

Die Sicherheit im öffentlichen Raum muss allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen – ob zur Ausübung von Grundrechten, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung besonders bedeutsam sind, wie der Versammlungsfreiheit, oder schlichtweg zum Aufenthalt in der Freizeit. Der Staat hat die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit zu schützen. Dazu sollte er primär auf faktenbasierte Präventionskonzepte setzen. Dabei sind auch die Besonderheiten der Jugendkriminalität – auch beispielsweise in Verbindung mit Alkoholkonsum – zu berücksichtigen, auf die typischerweise erfolgreich mit erzieherischen Maßnahmen eingewirkt werden kann. Bei Regelverstößen muss die öffentliche Hand hinreichend ausgestattet sein, um mit repressiven Maßnahmen zu reagieren. Um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu stärken, bedarf es in der Regel nicht einer Verschärfung von Gesetzen. Vielmehr müssen vorhandene Gesetze konsequent angewendet werden. Maßgeblich für den Erfolg staatlicher Maßnahmen im präventiven und repressiven Bereich ist jedoch eine spürbare Präsenz der Behörden im öffentlichen Raum.

Verhinderung von Jugendgewalt und Jugendkriminalität/Jugendförderung Der Deutsche Präventionstag setzt sich u.a. für die Vorbeugung und Verhinderung von Jugendgewalt und Jugendkriminalität ein. Welche Formen der Jugendförderung werden von Ihrer Partei hierzu angestrebt?

Kriminalität und Gewalt im Kindes- und Jugendalter sind Phänomene, die koordinierter Antworten von Schule, Polizei, Justiz sowie Kinder- und Jugendhilfe bedürfen. Um Gewalt vorzubeugen, setzen wir uns dafür ein, dass Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter an jeder Schule verfügbar sind und schulpsychologische Beratungsangebote ausgebaut werden. Wir setzen auch auf die Einbindung außerschulischer Akteure und Initiativen. Hier könnten Präventionsmaßnahmen in Kooperation mit der Polizei oder Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung realisiert werden.

Gleichzeitig gilt es, Kindern- und Jugendlichen Zukunftsperspektiven aufzuzeichnen und den sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Denn gerade sozialpolitische Maßnahmen können gewaltpräventiv wirken. Um Kindern Chancengerechtigkeit durch Bildungszugang und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und Kinderarmut zu bekämpfen, wollen wir das Kinderchancengeld einführen. Es besteht aus: Grundbetrag, Flexibetrag und nichtmateriellem Chancenpaket. Das Kinderchancengeld ist einfach, digital und ermöglicht echte Aufstiegschancen. Zudem sind Initiativen in Form von Aufstiegspatenschaften einzubinden, um Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern zu helfen, den eigenen Weg zu beruflichen Bildungsabschlüssen oder an die Hochschule zu gehen. Durch die Beratung und Unterstützung für die eigenen Lebens- auf Aufstiegspläne kann vor allem Jugendlichen aus nichtakademischen Elternhäusern der Weg an die Hochschule geebnet werden.  

Mit Medienbildung bei Kindern und Jugendlichen sowie Weiterbildungen und Schulungen für Polizei und Justiz, möchten wir Betroffene von Gewalt im Internet unterstützen. Wir wollen die Opfer von Gewalt im Internet und von Hasskriminalität in die Lage versetzen, sich zu wehren, indem sie einen Auskunftsanspruch gegen Plattformen und Internetprovider erhalten.

Darüber hinaus wollen wir das Ehrenamt stärken und Werte im Sport schützen. Das freiwillige Engagement tausender Bürgerinnen und Bürger ermöglicht Millionen von Menschen freie Entfaltung, Selbstwirksamkeit und vor allem Kindern und Jugendlichen wertvolle Lernprozesse. Es bringt Menschen unabhängig ihres sozialen und kulturellen Hintergrundes zusammen, stiftet Gemeinschaft und fördert Toleranz. Auch im Sport besteht die Chance, soziale Kompetenzen, Integrationsbereitschaft und Inklusion nachhaltig zu vermitteln und so Gewalt vorzubeugen.

Wie beurteilt Ihre Partei eine verstärkte Förderung von Bildungsangeboten im Hinblick auf deren Auswirkungen auf abweichendes Verhalten und Gewaltbereitschaft?

Wir Freie Demokraten wollen Schulen unterstützen, damit sie bestmöglich auf abweichendes Verhalten und Gewaltbereitschaft reagieren können. Wir wollen in ganz Deutschland Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen – insbesondere in kinderreichen Stadtteilen und in Regionen mit großen sozialen Herausforderungen. Dabei orientieren wir uns am erfolgreichen Konzept der Talentschulen in Nordrhein-Westfalen.

Auch wollen wir Schulen und Kitas finanziell stärken, indem wir ihre Finanzierung auf drei Säulen stellen: einen Sockelbetrag entsprechend der Größe der Einrichtung, Bildungsgutscheine, die pro Kind einen Zuschuss gewähren, und einen „German Dream“-Zuschuss für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status.  Dank des German Dream“- Zuschusses können Bildungseinrichtungen eigenverantwortlich individuelle Förderkonzepte für Kinder und Jugendliche mit mehr Förderbedarf anbieten. Gleichzeitig verhindern wir ein Auseinanderdriften der Schulqualität.

Die Corona-Krisen stellt für die Schulen und die Schülerinnen und Schüler eine besondere Herausforderung dar, da während der Corona-Pandemie Schulen lange Zeit geschlossen waren und nur digitaler Unterricht stattfinden konnte. Damit fehlte für die Schülerinnen und Schüler eine wesentliche Säule der Prävention und ihres sozialen Umfeldes. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten hat daher der Verbesserung des digitalen Unterrichts und der besseren Bewältigung der Herausforderung der Pandemie, insbesondere der Gewährleistung von Präsenzunterricht unter den Bedingungen der Pandemie, besondere Beachtung geschenkt und eine Reihe von Initiativen mit Vorschlägen frühzeitig eingebracht.

 

Sind aus Sicht Ihrer Partei die Förderung der gesellschaftlichen Vielfalt sowie des gesellschaftlichen Zusammenhaltes explizite Ziele, die auch im Bereich der Kriminalprävention verfolgt werden sollten?

Ja. Wir Freie Demokraten sehen Respekt, Toleranz und Chancengerechtigkeit als Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenlebens und Vielfalt als Bereicherung.

Welche zusätzlichen bundesgesetzlichen Regelungen hält Ihre Partei in den Bereichen Kriminalprävention und Opferschutz sowie im Bereich der Prävention von digitaler Kriminalität für anstrebenswert?

Cyberkriminalität in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und die dadurch bedingte allgemeine Bedrohungslage im Cyberraum für alle Bürgerinnen und Bürger, die sich im Netz bewegen, ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit und medialer Berichterstattung gerückt. Wir Freie Demokraten fordern, der Bekämpfung von Gewalt im Internet Priorität einzuräumen. Ergänzend zu spezialisierten Kräften in Polizei und Justiz sowie Schwerpunktstaatsanwaltschaften sollen in allen Bundesländern elektronische Verfahren zur Stellung von Strafanzeigen, die auch anonyme Anzeigen sowie Anzeigen von Nichtregierungsorganisationen zulassen, eingeführt werden und über Zentralstellen laufen. Um Straftaten insbesondere gegenüber Frauen besser zu bekämpfen, müssen geschlechterspezifische digitale Straftaten in Kriminalitätsstatistiken aufgenommen werden. So können konkrete Handlungsbedarfe abgeleitet und umgesetzt werden. Wir wollen die Opfer von Gewalt im Internet und von Hasskriminalität in die Lage versetzen, sich zu wehren, indem sie einen Auskunftsanspruch gegen Plattformen und Internetprovider erhalten und ggf. einen Anspruch auf Sperrung anonymer Accounts. Mit Medienbildung bei Kindern und Jugendlichen (insbesondere durch eine Bundesanstalt für digitale Bildung) sowie Weiterbildungen und Schulungen für Polizei und Justiz möchten wir Betroffene besser unterstützen.

Welche Erfordernisse sieht Ihre Partei bezüglich der Fortentwicklung von Schwerpunkten und Strukturen der nationalen Extremismusprävention?

Wir Freie Demokraten verurteilen jede Form des Extremismus. Politischen Extremismus von Rechts- bis Linksextremismus lehnen wir ebenso ab wie religiös oder nationalistisch motivierten Extremismus. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die Überhöhung der eigenen Gruppe oder Nation und die Herabwürdigung anderer sowie Drohungen und Gewalt verfügen niemals über eine moralische Überlegenheit. Die wissenschaftliche Expertise in den Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung verschiedener Extremismusformen muss ausgebaut werden. Der Bund sollte die Präventionsarbeit und funktionierende Aussteigerprogramme zu unterschiedlichen Extremismusformen auf eine verlässliche finanzielle Grundlage stellen.

Rechtsextreme Vereinigungen müssen konsequent verboten werden. Die Beobachtung rechtsextremer Gefährderinnen und Gefährder muss zügig intensiviert werden. Die Sicherheitsbehörden müssen sich besser um den Schutz besonders gefährdeter Gruppen und ihrer Einrichtungen kümmern. Für Menschen mit gefährlichen rechtsextremen Einstellungen ist im öffentlichen Dienst kein Platz.

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