Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft

Die Energiekosten von Dienstleistungsunternehmen werden auf Grund der CO2-Besteuerung – bzw. der CO2-Bepreisung – spürbar ansteigen. Sie fallen – in der Regel – nicht unter die EEG-Ausnahmeregelung. Welche Kompensationen bei den Energiepreisen sieht ihre Partei für die betroffenen Unternehmen vor?

Wir wollen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zurückgeben, indem wir die staatlichen Strompreisbestandteile senken. Dazu wollen wir insbesondere die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß senken und die EEG-Umlage schrittweise abschaffen. Davon profitieren besonders Haushalte und Unternehmen, die bislang nicht von der EEG-Umlage entlastet sind.

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren spielen für viele kleine Unternehmen eine wichtige Rolle. Einige Branchen sind auf Spezialfahrzeuge angewiesen, die nur mit Verbrennungsmotoren sinnvoll betrieben werden können. Hat der Verbrennungsmotor in Verbindung mit synthetischen Kraftstoffen eine Zukunft?

Klimafreundliche synthetische Kraftstoffe sind eine bereits heute verfügbare Alternative für alle Verkehrsmittel, da sie ohne technische Umrüstung in herkömmlichen Verbrennungsmotoren verwendet werden können. Statt auf die einseitige Subventionierung der Elektromobilität setzen wir daher auch im Straßenverkehr auf einen technologieoffenen Innovationswettbewerb. Gerade für die Bestandsflotte bieten hier synthetische Kraftstoffe eine große Chance auf nachhaltige Mobilität, die durch einen raschen Markthochlauf vorangetrieben werden müssen.

Keine Branche ist so beschäftigungsintensiv wie die Dienstleistungswirtschaft. Was planen sie konkret an Bürokratieentlastungen, um Unternehmen die Beschäftigung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu erleichtern?

Wir Freie Demokraten fordern einen Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft, in dem Maßnahmen zur Bürokratieentlastung gebündelt und vorangetrieben werden. Der stetig wachsende Bürokratiedschungel belastet die Bürgerinnen und Bürger sowie die deutschen Unternehmen und bremst die wirtschaftliche Entwicklung aus. Bürokratieabbau ist das günstigste Konjunkturpaket. Initiativen wie das Bürokratieentlastungsgesetz IV, die Strategie „Einheitliche Ansprechpartner 2.0“ und eine Verlegung der Sozialversicherungsbeiträge in den Folgemonat müssen zu einer Gesamtstrategie gebündelt werden. Das gilt auch für schlankere Vergabe-, Register- und Informationsbestimmungen. Für jede neue Belastung durch geplante Regelungen sollen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden („One in, two out“) – auch auf europäischer Ebene. Europäische Vorgaben sollen nur noch 1:1 in Bundesgesetzgebung umgesetzt werden, die Praxis des sogenannten Gold Plating wollen wir beenden.

Orientiert sich Ihre Verbraucherschutzpolitik am Leitbild des mündigen Verbrauchers?

Ja. Wir Freie Demokraten setzen uns für einen Verbraucherschutz ein, der den mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern Optionen und eine informierte sowie souveräne Entscheidung ermöglicht. Wir vertrauen auf die Selbstbestimmung der Verbraucher. Deshalb lehnen wir eine bevormundende Verbraucherpolitik ab, die zum Beispiel die Dauer bestimmter Verträge schematisch begrenzt. Selbstbestimmung setzt aber eine freie und informierte Entscheidung voraus, die auch die Zwänge und Grenzen berücksichtigt, denen Verbraucher unterliegen. Dies wollen wir ermöglichen, indem wir uns insbesondere zur besseren Vergleichbarkeit bei Langzeitverträgen für die Ausweisung monatlicher Durchschnittspreise aussprechen. Zudem wollen wir die Durchsetzung von Verbraucherrechten vereinfachen, zum Beispiel durch „Smart Contracts“, die eine automatische Entschädigung von Verbrauchern bei Verspätungen vorsehen.

Befürworten Sie die Begrenzung der Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent? Falls ja, wie wollen sie das bewerkstelligen?

Ja. Wir Freie Demokraten wollen eine Trendwende bei der Abgabenquote erreichen und die Abgabenbelastung für die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber wieder auf unter 40 Prozent senken. Wir Freie Demokraten wollen die Höhe der Sozialausgaben grundsätzlich bei 50 Prozent des Bundeshaushalts deckeln. Die Bundesregierung bindet mehr als die Hälfte des Haushaltes für Sozialausgaben – und das ist keine Folge der Coronakrise, in der Hilfen für Betroffene richtig sind. Investitionen in die Zukunft unseres Landes und originäre staatliche Kernaufgaben wie Bildung, innere Sicherheit oder die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur werden dadurch immer mehr in den Hintergrund gedrängt.

Der billigste Anbieter bekommt den Zuschlag. Das verursacht häufig Probleme bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Sehen Sie bei dem Thema Handlungsbedarf? Falls ja, welche Reformen schlagen sie vor?

Für uns Freie Demokraten ist entscheidend, dass für die öffentliche Hand auch zukünftig die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund steht. Dabei können neben dem reinen Preiskriterium selbstverständlich auch andere Aspekte eine Rolle spielen. Besonders wichtig ist für uns bei diesem Thema, die Potentiale der Digitalisierung zu nutzen und dadurch die Dienstleistungswirtschaft von unnötiger Bürokratie bei der Abgabe von Angeboten zu entlasten. Zudem streben wir zu Gunsten kleiner und mittlerer Unternehmen Vereinfachungen im Vergabewesen an, indem wir auf vergabefremde Kriterien und bestimmte Nachweispflichten verzichten wollen.

Mehr als 70 Prozent der deutschen Unternehmen sind einkommenssteuerpflichtig, weil sie Personengesellschaften sind. Welche Änderungen in der Besteuerung ergeben sich für diese Unternehmen mit einem Jahresgewinn von 100.000 Euro auf Grundlage ihres Wahlprogramms?

Wir Freie Demokraten wollen einen fairen Tarif bei der Einkommensteuer: den Chancentarif. Dazu wollen wir den Spitzensteuersatz schrittweise „nach rechts verschieben“ – mit dem Ziel, dass dieser erst ab einem Einkommen von 90.000 Euro greift. Dadurch wird der Steuertarif für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zusätzlich gestreckt. Die Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist in Deutschland mittlerweile so hoch wie kaum in einem anderen OECD-Staat (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).

Darüber hinaus wollen wir beim Einkommensteuertarif den sogenannten Mittelstandsbauch vollständig abschaffen und so einen leistungsgerechteren linearen Chancentarif gestalten. Heute steigt die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen besonders schnell an. Von Gehaltserhöhungen greift sich der Staat mehr als die Hälfte. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht. Deshalb brauchen wir mehr Fairness bei den Steuern.

Mehr Integration und die Einführung von Mehrheitsentscheidungen oder eine Fortsetzung des Status quo? Besteht Reformbedarf bei der Europäischen Gemeinschaft?

Wir Freie Demokraten wollen nach Abschluss der Konferenz zur Zukunft Europas einen Verfassungskonvent einberufen. Dieser Konvent sollte einer dezentral und föderal verfassten Union eine rechtsverbindliche Verfassung mit einem Grundrechtekatalog und starken Institutionen geben. Über die neue Europäische Verfassung sollen die Bürgerinnen und Bürger der EU in einer gemeinsamen europäischen Volksabstimmung entscheiden und damit die Grundlage für einen föderal und dezentral verfassten Europäischen Bundesstaat schaffen. Dieser Weg ist das erklärte Gegenmodell zum Rückfall Europas in nationalstaatliche Kleinstaaterei einerseits oder die Schaffung eines zentralisierten europäischen Superstaats andererseits. Bis dahin möchten wir, dass die europäische Integration parallel durch ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ vertieft wird.

Wir fordern zudem institutionelle Reformen für mehr Transparenz und Effizienz in der EU. Das Europäische Parlament soll nach einem einheitlichen Wahlrecht mit staatenübergreifenden Listen und Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten gewählt werden. Es muss zu einem Vollparlament mit Initiativrecht aufgewertet werden. Das Europäische Parlament soll einen festen Tagungsort haben und selbst über seinen Sitz entscheiden können. Kommissionspräsidentin oder -präsident wird die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat, die oder der im EU-Parlament eine Mehrheit der Stimmen auf sich vereint. Das Parlament kann ihr oder ihm durch die Mehrheit seiner Mitglieder das Misstrauen aussprechen und eine andere Person zum Kommissionspräsidenten wählen. Das Vorschlagsrecht für die übrigen Kommissarinnen und Kommissare liegt bei der Kommissionspräsidentin beziehungsweise beim -präsidenten und das Parlament muss die Vorschläge einzeln bestätigen. Die EU-Kommission sollte auf höchstens 18 Kommissarinnen und Kommissare verkleinert werden. Hierbei müssen klare und einfach zurechenbare Ressorts vergeben werden, die den EU-Zuständigkeiten entsprechen. Der Rat der Europäischen Union und seine Untergruppierungen sollen öffentlich tagen.

Die Europäische Union muss auch international schneller handlungsfähig sein und nach außen mit einer Stimme sprechen. Wir fordern deshalb, dass die Einstimmigkeit im EU-Ministerrat in die qualifizierte Mehrheit überführt wird. Die Hohe Vertreterin oder der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik muss so gestärkt werden, dass sie oder er zukünftig als vollwertige „EU-Außenministerin“ oder als vollwertiger „EU-Außenminister“ agieren kann.

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