Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Wirtschaft und Mittelstand

5 liberale Impulse für einen starken Mittelstand

5 liberale Impulse für einen starken Mittelstand

Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Der deutsche Mittelstand schafft Arbeits­plätze und Aus­bildungsstellen. Durch seine Investitionen und Innovationen ist er Motor für unseren Wohlstand und schafft damit auch die Voraussetzungen für unsere soziale Sicher­heit. Der Mittelstand ist in der Region verwurzelt, und nicht nur die Hidden Champions zeigen, dass die meisten mittelständischen Unternehmen im Prinzip gut aufgestellt sind.

Gleichzeitig zeichnen sich durch eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen große Gefahren für die Zukunft ab. Überflüssige Belastungen und gravierende Wettbewerbs­nachteile schwächen den deutschen Mittelstand und gefährden damit Wohlstand und letztlich Freiheit und Sicherheit. Immer mehr mittelständische Unternehmen müssen ihre Produktion drosseln, ins Ausland verlagern oder ganz einstellen. Diese Abwärtsspirale müssen wir in einer gemeinsamen politischen Kraftanstrengung auf Bundes- und Landes­ebene stoppen und umkehren. Vor diesem Hintergrund lautet unsere Kernforderung:

Wir Freie Demokraten wollen ein Belastungsmoratorium für den deutschen Mittel­stand.

Wir Freie Demokraten wollen zudem auf allen politischen Ebenen den rechtlichen ordnungspolitischen Rahmen für das wirtschaftliche Handeln des Mittelstands verbessern und dafür Hindernisse und Wettbewerbsnachteile abbauen. Die Stichworte hierzu lauten: Bürokratie­abbau, Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels, Stärkung der finanziellen und steuerlichen Basis, schnellerer Ausbau der digitalen Infrastruktur und Digitalisierung der Verwaltung.

Dabei lassen wir uns von den gleichen Werten leiten, die auch den Mittelstand auszeichnen. Gemeinsam stehen wir für klare ordnungspolitische Grundsätze in der Marktwirtschaft, für Eigenverantwortung, Wettbewerb und Generationengerechtigkeit.

Wir Freie Demokraten setzen im Zweifel immer auf die Freiheit und die freie Entfaltung jedes Einzelnen, solange damit nicht die Freiheit anderer wesentlich eingeschränkt wird. Das schließt auch die Freiheit mit ein, als Selbstständiger zu arbeiten und unternehmerisch tätig zu sein. Dieser Unternehmergeist, der in Deutschland lange ein Garant für beispielhaften Wohlstand war, hat inzwischen mit vielen gesellschaftlichen Widerständen und überflüssiger staatlicher Bevormundung zu kämpfen. Diesen Unternehmergeist gilt es jedoch zu bewah­ren, und deshalb wollen wir Selbständigkeit und Unternehmertum in allen Bereichen fördern.

Wir Freie Demokraten wollen den Mittelstand stärken und hierfür folgende fünf politische Impulse geben.

Impuls 1: Bürokratie begrenzen und abbauen

Die Bürokratielasten nehmen immer weiter zu. Laut Normenkontrollrat ist der bürokratische Aufwand für die deutsche Wirtschaft allein in den Jahren 2020 und 2021 noch einmal um 6,7 Milliarden Euro gestiegen. Einzelmaßnahmen, die für sich genommen akzeptabel erscheinen, legen sich in ihrer Gesamtheit wie Mehltau über die Wirtschaft. Die Begrenzung und der Abbau der Bürokratie in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen sind ein zentrales politisches Ziel der Freien Demokraten.

Mit dem Bürokratieabbau spart der Staat nicht nur eigene personelle und finanzielle Ressourcen, sondern entlastet spürbar gerade auch den Mittelstand, wobei kleine und mittlere Unternehmen zusätzliche Wettbewerbsnachteile gegenüber größeren Unternehmen haben, die Bürokratielasten vielfach leichter abfedern können.

Der Mittelstand braucht zudem Planungssicherheit durch klare rechtliche Regeln, die trans­parent und nachvoll­ziehbar sind. Dabei spielt die Verlässlichkeit der Verwaltung eine wichtige Rolle.

Zur Begrenzung und zum Abbau der Bürokratie sind unter anderem folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Wir Freie Demokraten wollen ein Moratorium auf Melde-, Informations- und Aufzeichnungspflichten.
  • Wir Freie Demokraten fordern, bereits eingeführte Aufzeichnungspflichten wie beim Mindestlohn praxisnäher zu gestalten und zu vereinfachen.
  • Wir Freie Demokraten wollen, dass Arbeitszeiten nur entsprechend den Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie und des EuGH aufgezeichnet werden. Eine allgemeine, verpflichtende Arbeitszeiterfassung lehnen wir ab. Vertrauensarbeitszeit muss im Betrieb, im Homeoffice oder bei mobilem Arbeiten weiterhin möglich sein, und zwar ohne eine Haftung der Arbeitgeber für eine fehlende oder fehlerhafte Aufzeichnung der Arbeitszeit.
  • Wir Freie Demokraten wollen eine Novelle des Nachweisgesetzes, das die digitale Form im Schriftverkehr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer garantiert.
  • Wir Freie Demokraten fordern, die im Rahmen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG) geforderten Beobachtungen der Lieferkette und die damit verbundenen Sorgfaltspflichten auf Großunternehmen zu beschränken. Für mittel­ständische Unternehmen sollte die Überprüfung nur anlassbezogen und bei Liefer­beziehungen in besonders gefährdete Länder verpflichtend sein. Wenn Großunternehmen und Finanzierungsinstitute die Einhaltung dieser Vorschrif­ten von Mittelständlern verlangen, sollte die Erklärung des Mittelständlers ausreichen, dass ihnen keine Tatsachen bekannt sind, die nach dem LKSG berichtspflichtig wären. Gerade für den Mittelstand wäre es eine Erleichterung, hier auf eine Whitelist für unbedenkliche Herkunftsländer zurückgreifen zu können. Hilfreich wäre aber auch die Erlaubnis zur Nutzung der bereits bestehenden und bei den Unternehmern bekann­ten Blacklist CAHRA (conflict-affected and high-risk areas), an der sich EU-Import­eure von Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten orientieren.
  • Mit Blick auf die EU-Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten entlang von Lieferketten fordern wir von der Bundesregierung, sich im Europäischen Rat gegen den derzei­tigen Entwurf zu stellen. Änderungsbedarf aus Sicht des Mittelstandes gibt es zum einem mit Blick auf die Haftung des regulierten EU-Unternehmens für alle, auch für mittelbare Zulieferer, sowie die Absenkung der vom Gesetz tangierten Unter­nehmensgröße. Wir Freie Demokraten wollen die Vorfälligkeit bei der Abführung von Sozial­versicherungsbeiträgen wieder rückgängig machen. Sie führt nicht nur zu büro­kratischer Mehrbelastung, sondern entzieht den Unternehmen Kapital.
  • Wir Freie Demokraten fordern umfassende, systematische Praxis- und Digital­checks, bei denen ganze Gesetzesbereiche und Verfahren ressortübergreifend über­prüft werden. Dabei soll der Normenkontrollrat zusätzliche Mahnungsbefugnisse erhalten, wenn der bürokratische Aufwand neuer Gesetzesvorhaben nicht digital abgefedert werden kann.
  • Wir Freie Demokraten wollen eine Weiterentwicklung der sogenannten "One-in-one-out"-Regel. Danach muss für jede neue Belastung innerhalb der laufenden Legislatur­periode in demselben Ressort eine belastende Regelung in gleichem Umfang aufge­hoben werden. Unnötige Bürokratie wird dadurch aber nicht abgebaut. Wir fordern daher, die „bestehende "One-in-one-out"-Regel bei nationaler Gesetzgebung zu einer "One-in-two-out"-Regel weiterzuentwickeln. Diese muss auch Gesetze mit einmaligem Bürokratieaufwand sowie Gesetzesvorhaben der Europäischen Union mit einbeziehen.
  • Wir Freie Demokraten fordern, das im Koalitionsvertrag angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG) schnell zu verabschieden. Es sollte ressortübergreifend sein und die Wirtschaft mit mindestens einer Milliarde Euro entlasten.
  • Wir Freie Demokraten setzen uns für einen Bürokratieabbau auch auf euro­päischer Ebene ein, um einen europäischen Markt Wirklichkeit werden zu lassen. So fördern wir die Marktchancen insbesondere mittelständischer Unternehmen und ver­bessern die Skalierungsbedingungen von Wachstumsunternehmen. Hierfür sind beispielsweise die Produktanforderungen und die Zulassungsverfahren für Produkte und Dienstleistungen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Außerdem sollten die von der EU-Entsenderichtlinie betroffenen Tätigkeiten auf schutzwürdige Sach­verhalte begrenzt werden und insbesondere alle kurzen Reisen und Entsendungen von der Richtlinie ausgenommen werden.

Impuls 2: Arbeits- und Fachkräftemangel wirksam bekämpfen

Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist, wie aktuelle Umfragen zeigen, eines der drän­gendsten Probleme des deutschen Mittelstands.

Durch den demografischen Wandel stehen der Wirtschaft in Deutschland künftig immer weniger Erwerbstätige zur Verfügung. Um dieses Kernproblem wirksam anzugehen, sind mehrere Ansätze gleichzeitig zu verfolgen:

  • Wir Freie Demokraten wollen den rechtlichen Rahmen so anpassen, dass der Mittel­stand zusätzliche Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland ohne größeren Auf­wand anwerben und einstellen kann. Um die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt besser steuern und die Zuwanderung in die Sozialsysteme weitgehend vermeiden zu können, ist ein Punktesystem für Fachkräfte nach kanadischem Vorbild eine gute Lösung. Die entsprechende Vorgabe im Koalitionsvertrag sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden.
  • Wir Freie Demokraten wollen die Bedingungen für die Zuwanderung von quali­fizierten Fachkräften spürbar verbessern. Die staatliche Prüfungsdauer für die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen sollte erheblich verkürzt werden. Wer bereits einen festen Arbeitsplatz hat oder sich in einer betrieblichen Aus- oder Weiterbildung befindet, sollte ungeachtet seines Aufenthaltsstatus vor Ausweisung und Abschiebung geschützt sein.
  • Wir Freie Demokraten wollen die hohen Genehmigungshürden der Zeitarbeit für Arbeits- und Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten abschaffen. Angesichts des Mangels an Fachkräften sind sie nicht mehr zeitgemäß und aufgrund einer mittlerweile etablierten Regulierung zur Missbrauchsbekämpfung nicht mehr notwendig. Besonders für den Mittelstand sind professionalisierte Zeitarbeitsunternehmen ein wichtiger Mittler, um ausländische Talente zu finden und ihnen den Weg nach Deutschland zu ebnen. Zudem können ausländische Fachkräfte so leichter attraktive Stellen bei unseren Hidden Champions finden.
  • Wir Freie Demokraten wollen zur Beseitigung des Fachkräftemangels aber auch an der Basis ansetzen, nämlich bei der schulischen Bildung und bei der beruflichen Ausbildung. Schulen sollten sicherstellen, dass die Schulabgänger sicher sprechen, schreiben und rechnen können und genügend Kenntnisse in mindestens einer Fremdsprache haben, um eine berufliche Ausbildung beginnen zu können. Zudem sollten die Schulen nach Möglichkeit Angebote machen, auch handwerkliche Fertig­keiten zu erwerben. Lehrpläne sind so zu überarbeiten, dass sie auch Raum für die digitale Bildung bieten und Grundkenntnisse in Wirtschaft, Recht und Gesellschaft vermitteln. Wenn 50.000 junge Menschen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen, ist das nicht nur nachteilig für die Betroffenen, sondern auch ein Verlust für die Wirtschaft. Dieses Potential muss dringend gehoben werden.
  • Wir Freie Demokraten setzen uns für ein zukunftsfestes Rentensystem ein. Die Menschen in Deutschland werden immer älter und sehr viele können und wollen auch länger arbeiten. Deshalb brauchen wir einen flexiblen Renteneintritt mit höheren Abschlägen bei einem früheren und höheren Zuschlägen bei einem späteren Rentenbeginn, um so zusätzliche Anreize für längeres Arbeiten zu geben. Jeder sollte selbst bestimmen können, wann der Ruhestand beginnt, soweit sich dies mit den betrieblichen Belangen vereinbaren lässt. Damit stünden den Unternehmen erfahrene, hoch­qualifizierte Personen länger zur Verfügung.
  • Wir Freie Demokraten haben bei der Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräfte­mangels auch die Lebenssituation der Familien im Blick. Um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, aber auch um den individuellen Wünschen aller Arbeit­nehmer entgegenzukommen, wollen wir die Verein­barkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer weiter verbessern. Dafür sind insbesondere die personellen Angebote für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen aus­zubauen und die derzeitigen Betreuungslücken zu schließen.
  • Wir Freie Demokraten wollen die Arbeitsstätten-Verordnung und das Arbeitszeit­gesetz reformieren. Immer mehr Arbeitnehmer arbeiten inzwischen orts- und zeit­unabhängig und wünschen flexible Arbeitszeiten. Ein erster größerer Schritt in Richtung Flexibi­lisierung wäre die Umstellung von der Tages- auf die Wochen­höchstarbeitszeit.

Impuls 3: Die Steuerschraube für den Mittelstand zurückdrehen

Extrem gestiegene Preise für Energie und Vorprodukte, hohe Lohnnebenkosten, steigender Bürokratieaufwand, aber auch sehr hohe Steuern setzen den Mittelstand immer mehr unter Druck. Kapitalgesellschaften werden in Deutschland nominell mit etwa 30 Prozent Steuern belastet. Im OECD-Durchschnitt liegt die Steuerbelastung bei lediglich 23,1 Prozent, in der EU sogar nur bei 21,2 Prozent. Für den Mittelstand sieht es in der Regel noch düsterer aus. So liegt die Steuerlast von Personengesellschaften regelmäßig bei deutlich über 30 Prozent und erreicht in der Spitze sogar 45 Prozent.

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Steuerschraube insbesondere für den Mittelstand immer stärker angezogen worden. Inzwischen ist die Schraube in vielen Bereichen über­dreht. Das wollen wir Schritt für Schritt wieder rückgängig machen. Notwendig sind daher der vollständige Abbau des Solidaritätszuschlags sowie die Senkung der Unternehmens­steuern auf ein international konkurrenzfähiges Niveau. Das gilt sowohl für die Körper­schaftsteuer als auch für die Einkommensteuer, die für Einzelunternehmen und Personen­gesellschaften im Ergebnis die Unternehmensteuer ist.

Der Versuch, Gerechtigkeitslücken für einzelne zu schließen, führt häufig zu dysfunktionaler Komplexität und damit zu einem Wohlstandsverlust für alle.

Viele konkrete Einzelmaßnahmen können dem Mittelstand helfen:

  • Wir Freie Demokraten wollen mit Blick auf die extrem hohen Energiepreise die Energiesteuern auf das europäische Mindestmaß absenken, um wettbewerbsfähige Energiepreise in Deutschland sicherzustellen.
  • Wir Freie Demokraten wollen das Investitionsklima verbessern und dafür insbeson­dere die Abschreibungsbedingungen und die Verlustverrechnung im Sinne des Mittel­stands weiterentwickeln. So ist die im Koalitionsvertrag angekündigte „Super-Abschreibung” bzw. Investitionsprämie zügig einzuführen. Bis die Erleichterungen wirksam werden, die sich durch die EU-Initiative des Green Deal Industrial Plan ergeben, sollte die degressive Abschreibung beibehalten werden. Den Unternehmen ist bei der Verlustverrechnung die Möglichkeit einzuräumen, ihre Verluste mindestens drei Jahre zurückzutragen. Hilfreich für den Mittelstand wäre es zudem, wenn Verluste auch gewerbesteuerlich zurückgetragen werden könnten.
  • Wir Freie Demokraten fordern, die Bemessungsgrundlage für geringwertige Wirtschaftsgüter auf eine Wertgrenze von 1.000 Euro anzuheben. Auch die Poolab­schreibung muss deutlich attraktiver werden. Hierfür ist die Betragsgrenze anzu­heben und die Abschreibungsdauer deutlich zu verkürzen. Bei Mobilien sollte sie maximal fünf Jahre betragen. Aus Vereinfachungs­gründen sollte dies im Gleichlauf mit der Handelsbilanz erfolgen.
  • Wir Freie Demokraten wollen die Eigenkapitalbasis von Personenunternehmen stärken und die bisher nur schwer nutzbare Thesaurierungsbegünstigung nach­bessern. Dies ist vor allem zur Finanzierung von dringend notwendigen Investitionen sowie zur Liquiditätssicherung der Unternehmen in Krisenzeiten von großer Bedeu­tung. Hierzu ist die Thesaurierungsbelastung abzusenken, und Umstrukturierungs­hindernisse sind auszuräumen. Zudem muss die Nachversteuerung bei späterer Entnahme einschließlich der Verwendungsreihenfolge verbessert werden, damit die Maßnahme auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv ist.
  • Wir Freie Demokraten fordern, die kürzlich eingeführte Option für Personengesell­schaften zur Körperschaftsteuer zu verbessern, um ihre Akzeptanz zu erhöhen. So sind insbesondere eine unmittelbare Nachversteuerung von thesaurierungs­begünstigten Gewinnen und die Versteuerung stiller Reserven im sogenannten Sonderbetriebs­vermögen zu vermeiden. Schließlich sollten auch Einzelunternehmen diese Option in Anspruch nehmen können.
  • Wir Freie Demokraten wollen im Zuge der angestrebten Harmonisierung der Unter­nehmensbesteuerung in Europa den deutschen Sonderweg der Gewerbesteuer beenden. Dafür muss die Finanzierung der Kommunen auf eine neue Grundlage gestellt werden, etwa durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer.
  • Wir Freie Demokraten unterstützen den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 8.12.2022 zur Modernisierung der Umsatzbesteuerung grenzüberschreitender Umsätze und zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs mittels digitaler Melde­verfahren. Gleichzeitig wollen wir auch national ein elektronisches Meldeverfahren einführen. Dabei ist eine mittelstandsgerechte Übergangsfrist zwingend einzuplanen.
  • Wir Freie Demokraten wollen die Grenze zur Abgabe von Umsatzsteuer­voran­meldungen sowohl für die vierteljährliche Voranmeldung als auch für die monat­liche Voranmeldung verdoppeln.
  • Wir Freie Demokraten wollen insbesondere für mittelständische Unternehmen steuerliche Regelungen beibehalten, die auf einen fairen Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten abzielen. Dies gilt auch für die maritime Wirt­schaft, die etwa eine halbe Million Arbeitskräfte in Deutschland sichert und dazu beiträgt , dass die globalen Lieferketten in größerem Umfang von Deutschland aus kontrolliert und gesteuert werden. Deshalb wollen wir die bisherigen Regelungen zur Tonnagesteuer beibehalten.
  • Wir Freie Demokraten wollen die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungs­fristen von zehn auf fünf Jahre verkürzen.
  • Wir Freie Demokraten halten daran fest, dass die Erbschaftsteuer so ausgestaltet bleibt, dass sie die den Bestand der mittelständischen Unternehmen nicht gefährdet und die Unternehmens­nachfolge innerhalb von Familien nicht erschwert.

Impuls 4: Digitalisierung von Infrastruktur und öffentlicher Verwaltung anpacken

Ein digitalisierter Mittelstand braucht eine digitale Infrastruktur mit leistungsfähigen Breit­bandnetzen gerade auch in den ländlichen Regionen. Ebenso wichtig ist eine digitale öffent­liche Verwaltung. Die schleppende Digitalisierung der Verwaltung erhöht die Bürokratielast für den Mittelstand. Diese überflüssigen Bürokratiekosten sind ein weiterer Nachteil für den Standort Deutschland.

Hierbei gibt es weniger ein Erkenntnisproblem als vielmehr ein Umsetzungsproblem. Estland zeigt, wie eine umfassende Digitalisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verwirk­lichen ist.

Wir Freie Demokraten fordern die Modernisierung und Digitalisierung der öffent­lichen Verwaltung und der Justiz. Die entsprechende Umsetzungsstrategie muss quantifizierbare Ziele und konkrete Zeit- / Maßnahmenpläne enthalten. Zudem sind eindeutige Verant­wortlichkeiten und Pflichten festzulegen. Die Überprüfung der Umsetzungsstrategie soll durch den Bundesrechnungshof und die Landes­rechnungshöfe erfolgen.

Zur Behebung des Digitalisierungsdefizits sind unter anderem folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Wir Freie Demokraten wissen, dass wirksames E-Government eine umfassende Vereinfachung und Verschlankung von Verwaltungsabläufen voraussetzt. Es ist nicht sinnvoll, schlechte und ineffiziente Abläufe zu digitalisieren. Die Digitalisierungs­strategie muss hier ansetzen.
  • Wir Freie Demokraten fordern, bei jeder Dienstleistung der Verwaltung zu prüfen, ob diese an einer zentralen Stelle zusammengefasst und bundesweit online ange­boten werden kann.
  • Wir Freie Demokraten fordern, dass Daten, die dem Staat bereits vorliegen, nicht erneut abgefragt werden. Bei digitalen Registerabgleichen sollten die öffentlichen Stellen auf alle entsprechenden digitalen Register auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene zugreifen können.
  • Wir Freie Demokraten wollen, dass die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung an den Bedürfnissen der Nutzer und nicht an den Vorlieben der Verwaltungsangestellten ausgerichtet wird.
  • Wir Freie Demokraten wissen, dass die eindeutige und sichere elektronische Identi­fizierung der Nutzer zentraler Bestandteil jeder digitalen Verwaltung ist. Dies kann durch eine spezielle e-ID oder den Online-Personalausweis erfolgen. Die derzeitigen Nutzungseinschränkungen müssen aufgehoben werden.
  • Wir Freie Demokraten wollen bei der Digitalisierung der Verwaltung den Schwerpunkt zunächst auf die Schlüsselprojekte legen, nämlich auf die Datenstandards und die digitalen Identitäten. Hinzu kommen die Modernisierung der zahlreichen Register und die zügige Novellierung des Onlinezugangsgesetzes, damit die Unternehmer die Verwal­tungsprozesse deutschlandweit über ein einziges, digitales Konto abwickeln können. Dabei ist sicherzustellen, dass das sogenannte „Unternehmenskonto“ bundesweit den gleichen Funktionsumfang hat und nicht von Bundesland zu Bundes­land unter­schiedlich ausgestaltet wird.
  • Wir Freie Demokraten wollen, dass die physische Erreichbarkeit von Behörden nicht eingeschränkt wird. Durch die Digitalisierung der Verwaltungsabläufe sollen die Mit­arbeiter so entlastet werden, dass sie auch Zeit für Besucher haben.

Impuls 5: Unternehmerische Freiräume des Mittelstands sichern und ausbauen

Es gibt neben dem Bürokratieabbau, der Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels, neben steuerlichen Entlastungen und der konsequenten Digitalisierung viele weitere Ansatz­punkte in sehr unterschiedlichen Bereichen, mit denen man den Mittelstand in Deutschland stärken kann. Eine kleine Auswahl soll dies verdeutlichen:

  • Wir Freie Demokraten engagieren uns für eine Gesellschaft, in der Initiative, Krea­tivität, Leistungsbereitschaft und die freie Entfaltung des Einzelnen im Privat- wie im Berufsleben einen hohen Stellenwert haben und soziale Anerkennung finden. Wir wollen nicht, dass die Schule ausschließlich auf eine abhängige Beschäftigung vor­bereitet und dass Selbstständige und Unternehmer als exotisch oder gar als geld­gierig und böse dargestellt werden. Auch deshalb sollte schon die frühkindliche und schulische Ausbildung Initiative, Verantwortung und Risikobereitschaft fördern und damit auch die Grundlage für eine selbständige Tätigkeit im Berufsleben legen.
  • Wir Freie Demokraten setzen uns neben dem Mittelstand auch besonders für Selbst­ständige ein. Zu deren Schutz fordern wir, dass die EU-Plattformrichtlinie bei der Frage der Selbstständigkeit nicht generell eine abhängige Beschäftigung vermutet, sondern über Positivkriterien eine klare Feststellung von Selbstständigkeit ermöglicht. Das sichert auch Kooperationen in agiler Projektarbeit. Arbeitgeber, die Experten für Projekte freistellen und selbständig abrechnen lassen, dürfen nicht wegen illegaler Arbeitnehmer-Entleihung belangt werden.
  • Wir Freie Demokraten wollen die europäischen rechtlichen Vorgaben wie die EU-Richtlinien mittelstandsfreundlich in deutsches Recht umsetzen. Die Anfor­derungen dürfen nicht verschärft werden. Dies würde die deutsche Wettbewerbs­position weiter verschlechtern.
  • Wir Freie Demokraten fordern, dass die Bundesregierung gemeinsam mit anderen EU-Staaten die Initiative ergreift, Mittelstand neu zu definieren und die KMU-Kriterien der EU zu aktualisieren. Die Grenzen für kleine und mittlere Unternehmen, die noch als Mittelstand eingestuft werden, sind deutlich anzuheben. Das gilt insbesondere für die derzeitige Begrenzung auf die Zahl von 250 Mitarbeitern. Zudem sollten bei Gesetzen und Verordnungen, die nur in Deutschland gelten, eine erweiterte Definition von Mittelstand zugrunde gelegt werden.
  • Wir Freie Demokraten wollen auch die staatliche Klassifikation der Wirtschafts­zweige modernisieren. Sie muss dringend um die Wirtschaftszweige neuer Branchen ergänzt werden.
  • Wir Freie Demokraten wollen den Datenschutz so reformieren, dass der Mittelstand einen leichteren und rechtssicheren Zugang zu anonymisierten Daten erhält und diese besser in die eigenen Geschäftsprozesse integrieren kann.
  • Wir Freie Demokraten wollen, dass die Umsetzung von Verordnungen und Gesetzen wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder des Geldwäsche­gesetzes (GwG) bundesweit vereinheitlicht wird. Die unterschiedlichen Umsetzungs­vorgaben in den einzelnen Bundesländern führen zu Rechtsunsicherheit.
  • Wir Freie Demokraten wollen eine Zahlungsmoral-Offensive der öffentlichen Hand. Investitionen der öffentlichen Hand haben in Krisenzeiten einen wichtigen Stabili­sierungseffekt. Offene Rechnungen jedoch können Liquidität und Arbeitsplätze besonders im Mittelstand massiv gefährden.
  • Wir Freien Demokraten wollen den Mittelstand unterstützen, die notwendige Trans­formation zu einer klimaneutralen, nachhaltigen und ressourcenschonenden Wirt­schaft zu bewältigen. Der Mittelstand nimmt hier eine zentrale Rolle ein. Die nach­haltige Transformation der mittelständischen Unternehmen sollte mit steuerlichen Investitions- und Innovationsförderungen sowie mit einer gezielten Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben erleichtert werden.
  • Wir Freie Demokraten fordern, dass die ESG-Berichtspflicht für mittelständische Unternehmen dauerhaft vereinfacht wird und ausschließlich digital erfolgt. Die entsprechende digitale Plattform sollte der Staat kostenlos zur Verfügung stellen.
  • Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, die Möglichkeiten von Mitarbeiter­beteiligungen zu verbessern. Bei Start-ups sollte die Besteuerung der Beteiligungen während der Haltedauer ganz ausgesetzt werden.
  • Wir Freie Demokraten wollen die Gründung von Start-ups insgesamt erleich­tern und ihre wirtschaftlichen Erfolgschancen verbessern. Das umfasst unter anderem den vereinfachten Zugang zu Fördermitteln on-line und eine Verlängerung der Fristen für Steuer­erklärungen oder Abschlüsse. Außerdem sind in der Startphase für Mitarbeiter, die Unternehmens­anteile besitzen, die Maximal­arbeitszeiten und Aufzeichnungspflichten aufzuheben.

Begründung

Erfolgt mündlich.

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