Unser Land nach Corona besser machen als zuvor

Christian Lindner
Christian Lindner findet, es gäbe Wirksameres, als die Mehrwertsteuer zu senken.
Die Erleichterung, bislang verhältnismäßig gut durch die Gesundheitskrise gekommen zu sein, mischt sich mit Sorgen um die Folgen der Bekämpfung der Pandemie, sagt Christian Lindner im Interview mit der Welt. Nun müsse verhindert werden, dass aus der Gesundheits- eine Wirtschaftskrise werde. Unter dem Strich habe sich gezeigt, dass die Menschen sehr verantwortungsbewusst sind. „Vieles ging ohne Bürokratie und mit praktischer Solidarität im Alltag. Das ist die gute Nachricht. Die Aufgabe ist nun, die entdeckten Stärken zu nutzen und die Defizite abzustellen. Die Politik sollte Deutschland nicht zum Status vor Corona zurückführen, sondern dafür sorgen, dass unser Land nach Corona besser ist als zuvor“, so Lindner. Im Interview mit der Passauer Neuen Presse bekräftigt er: „Wir stehen jetzt hoffentlich vor einer Renaissance der Wirtschafts- und Wachstumsfreundlichkeit.“

„Wir brauchen lieber heute als morgen eine breite Steuerreform mit Reduzierung der Kalten Progression, einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags“, so Lindner Das wäre wirksamer als die Senkung der Mehrwertsteuer. Er hoffe, dass von der Mehrwertsteuersenkung am Ende tatsächlich ein Konjunkturimpuls ausgehen wird. „Es wäre tragisch, wenn 20 Milliarden Euro ohne Wirkung verpuffen würden.“ Er will die Gelegenheit für einen Modernitätssprung nutzen: 

  • Durch Investition für Digitalisierung, Infrastruktur und Schulen.
  • Statt befristeter Reduzierung der Mehrwertsteuer, eine wachstumsorientierte Steuerreform, die unter anderem den Mittelstandsbauch reduziert und den Solidaritätszuschlag für alle abschafft.
  • Durch ein Regulierungspaket, das die demokratischen Bremsen löst. Das kostet nichts, bringt aber viel.

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Für Lindner ist der Handlungsdruck der Coronakrise jetzt die Gelegenheit, einen Neustart zu entwickeln. „Deutschland nicht wie vorher, sondern besser als zuvor machen – daran sollte sich die Politik messen lassen.“ Er hat auch Vorschläge im Köcher, wie das gelingen kann. Dafür müssten in erster Linie die entdeckten Stärken genutzt und die Defizite abgestellt werden. „Die Politik sollte Deutschland nicht zum Status vor Corona zurückführen, sondern dafür sorgen, dass unser Land nach Corona besser ist als zuvor.“

Jetzt ist die Zeit für neue Aushandlungsprozesse in der Gesellschaft

So sollte die Digitalisierung von einem Standortnachteil zu einem Standortvorteil werden. „Ich stelle mir zum Beispiel eine Offensive für die Digitalisierung der gesamten öffentlichen Verwaltung vor.“ Auch mit Blick auf das mobile Arbeiten sieht der FDP-Chef Spielräume: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten dauerhaft mehr ermöglichen als verhindern. Und außerdem sei es an der Zeit, sich den staatlichen Kernfunktionen zu widmen: „Vor Corona wurde viel lieber über bedingungsloses Grundeinkommen und anderes diskutiert. Wir sollten uns stattdessen der Leistungsfähigkeit des Staates bei Bildung, Gesundheitswesen, Justiz, Blaulichtorganisationen und Bundeswehr widmen.“

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Mit Blick auf das Konjunkturpaket der Bundesregierung sieht Lindner indes Licht und Schatten: „Im Kern geht es darum, dass wir die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit stärken. Bitte keine Verteilungspolitik und Subventionen.“ Die Wasserstoffstrategie beispielsweise sei richtig und überfällig. Allerdings besteht sie überproportional aus Prüfaufträgen, obwohl Handeln nötig ist.“ Gleichzeitig würden aber synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff, die viele Arbeitsplätze sichern könnten, ausgeblendet. „Wir sollten eine grundlegende Entscheidung über einen Technologiepfad nicht im Jahr 2020 treffen, sondern offen bleiben.“ Die Freien Demokraten hätten einen Gegenentwurf vorgelegt.

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Auch FDP-Fraktionsvize Christian Dürr hat erhebliche Zweifel, ob das Konjunkturpaket funktionieren wird. So sei beispielsweise die Mehrwertsteuersenkung mit einem erheblichen Bürokratieaufwand verbunden: „Die Mittelständler melden uns zurück, dass sie die Preise neu auszeichnen müssen, die Kassensysteme müssen geändert werden, die Rechnungslegung muss nur für sechs Monate geändert werden.“ Das sei gerade für kleine und mittlere Unternehmen ein erheblicher Bürokratieaufwand. Dürr befürchtet daher, „dass die befristete Mehrwertsteuersenkung verpuffen wird, die meisten werden davon kaum etwas im Portemonnaie spüren.“ Besser wären dauerhafte, echte Entlastungen gewesen, „wie die Abschaffung des Soli für alle und eine Senkung der Einkommensteuer.“

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FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg meint, dass es stärkere Impulse braucht, um unser Land wieder auf den Wachstumspfad zu bringen: „Damit Menschen konsumieren und investieren, brauchen wir die Abflachung des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer, die Abschaffung des Soli für alle und bessere Abschreibungsbedingungen für Unternehmen“, erklärt Linda Teuteberg, Zugleich sei es den Freien Demokraten wichtig, auch in der Krise für Bürgerrechte und Gewaltenteilung einzutreten. Das Infektionsgeschehen sei regional unterschiedlich, daher können unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden. „Aber wir können nicht auf Dauer bundesweit Grundrechte einschränken und Parlamentsrechte außer Kraft setzen, sondern das bedarf der Überprüfung“, stellt Teuteberg fest.