Es ist Zeit für Vestager als Kommissionspräsidentin

Margrethe Vestager
Margrethe Vestager ist eine Liberale, die weiß, was Europa braucht — und wie man es durchsetzt. Die Wettbewerbskommissarin hat schon Facebook, Google und Co. das Fürchten gelehrt. Im Handelsblatt-Interview bekräftigt Margrethe Vestager ihre Kandidatur als Kommissionspräsidentin – und kritisiert den deutschen Rivalen Manfred Weber (CSU). Es könne ja nicht sein, „dass nur die größte Partei Zugriff auf das Amt hat, zumal die EVP die Wahlen verloren hat – sie büßt mehr als 30 Sitze ein“, erläutert die liberale Politikerin. Die Botschaft der Wettbewerbskommissarin ist klar: Auch dieses Monopol will sie brechen.

„Ich würde gerne Kommissionspräsidentin werden und bewerbe mich um das Amt“, erklärt die liberale Politikerin im Handelsblatt. „Als Wettbewerbskommissarin habe ich daran gearbeitet, Monopole aufzubrechen. Genau das haben die Wähler auch getan: Sie haben das Machtmonopol aufgebrochen“, fährt sie eine Attacke auf Manfred Weber als Kandidat der größten Fraktion EVP. Die nächsten Tage werden sehr spannend: Die ALDE werde nun mit den Sozialdemokraten und den Grünen über eine mögliche Zusammenarbeit sprechen. Die Liberalen stellen nach deutlichen Zugewinnen die drittgrößte Fraktion im Europaparlament, und auch die Grünen konnten kräftig zulegen. Der befürchtete Rechtsruck blieb aus.

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„Das gute Ergebnis der neuen liberalen Fraktion und der Grünen zeigt, wie groß der Wunsch nach einem konstruktiven Wandel inzwischen geworden ist“, analysiert Vestager den Ausgang der Wahlen. Das starke Abschneiden rechter Parteien in einigen Ländern sei auch ein Zeichen der Unzufriedenheit. „Aber einige dieser Parteien sagen, sie wollen das Europaparlament blockieren, es von innen zerstören. Das können wir nicht zulassen“, lautet ihre Kampfansage. „Wir brauchen Kommissare, die nicht ihr Land repräsentieren, sondern für die gesamte Gemeinschaft arbeiten“, ermahnt sie auch die derzeit amtierende EU-Kommission.

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Margrethe Vestager könnte die lachende Dritte werden

Denn: Während bei einer Bundestags- oder Landtagswahl mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses der künftige Regierungschef meist feststeht, beginnen auf europäischer Ebene dann erst die Verhandlungen. Nicht nur die Fraktionen des Europäischen Parlamentes müssen sich erst herausbilden, auch der Wille der 28 Staats- und Regierungschefs spielt bei der Ausgestaltung der künftigen EU-Kommission eine gewichtige Rolle.

Während die beiden traditionell stärksten Fraktionen im Europaparlament, die konservative EVP- und die sozialdemokratische S&D-Fraktion, Stimmverluste hinnehmen mussten, bleiben sie stärkste Fraktionen. Allerdings führt an der neuen liberalen Fraktion kein Weg mehr vorbei: mit europaweit 14,5 Prozent der Stimmen wird sie demnächst voraussichtlich 107 Europaabgeordnete stellen und maßgeblich an politischem Einfluss gewinnen.

In einer Mitteilung ließ Guy Verhofstadt, bis dato ALDE-Fraktionsvorsitzender, verkünden, dass die beiden großen Parteien „äußerst vorsichtig sein sollten, an den demokratisch gewählten Regierungschefs vorbei“ einen Kommissionspräsidenten durchzudrücken. Damit erinnert Verhofstadt an die Rolle des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs, der den Kommissionspräsidenten offiziell vorschlagen muss. Hier gehören gegenwärtig neun von 28 Staats-und Regierungschefs einer liberalen Partei an, womit die Liberalen gleichauf mit den Konservativen sind. Die dänische Kommissarin Margrethe Vestager könnte hier also die lachende Dritte werden.

Schon vor der Europawahl wurde Margrethe Vestager als mögliche neue Kommissionspräsidentin gehandelt. Ihre Chancen stehen auch nach der Europawahl gar nicht schlecht.