BEER-Interview: Entschlossenes, EU-weites Vorgehen gegen Kriminalität und Terror

Die stellvertretende FDP-Parteivorsitzende und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Nicola Beer gab dem rbb inforadio folgendes Interview. Die Fragen stellte Dörthe Nath:

Frage: Was da aus der Erklärung der EU-Innenminister schon bekannt ist, das ist der Wille, die Außengrenzen besser zu kontrollieren und dass die EU-Staaten beim Datenaustausch enger zusammenarbeiten. Hat die FDP im Bundestagswahlkampf auch auf dem Zettel gehabt, müsste Ihnen also entgegenkommen?

Antwort: Auf jeden Fall. Wir müssen nur langsam auch in die Umsetzung kommen, wir sind immer am reagieren. Ich finde es gut, wenn jetzt sehr entschlossen vorgegangen wird. Aber wir müssen meines Erachtens nach endlich in die Vorderhand kommen, denn die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf den bestmöglichen Schutz. Von daher: Ja, europäische Daten austauschen, vorhandene Daten besser auswerten, harmonisierten Zugriff. Wir können uns sogar den Ausbau von Europol hin zu einem europäischen Kriminalamt vorstellen. Und natürlich: Außengrenzen besser schützen. Wir haben bereits beschlossen das sogenannte Entry/Exit System, also dass wir wirklich überwachen, wer reist ein, wer reist aus. Aber es mangelt an der entsprechenden Umsetzung, es mangelt an Personal und technischer Ausstattung auf der europäischen Ebene sowie auf der nationalen Ebene bei Polizei und Justiz.

Frage: Bei diesem Begriff Datenaustausch, dahinter verbirgt sich auch, dass man sich über Menschen austauscht, die man für Gefährder hält. Das ist ein deutsches Konstrukt der Sicherheitsbehörden, das dem Papier nach dann die EU-Staaten vielleicht ähnlich übernehmen könnten. Das ist ja aber auch in Deutschland gar nicht so unumstritten, weil diese Menschen oft ja noch gar keine Straftaten begangen haben. Es ist ein Begriff der Polizei für Menschen, denen man eine politisch motivierte Straftat von erheblicher Bedeutung zutraut. Ist es also vor dem Hintergrund sinnvoll, so etwas europaweit einzuführen?

Antwort: Ja, ich halte das für sinnvoll, dass wir extremistisch auffällige Personen — und da gibt es ja dann ganz konkrete Ansatzpunkte und Erkenntnisse — auch wenn noch nicht alle, aber ein Großteil, straffällig geworden ist, dass man die erfasst, dass man die konsequent überwacht. Aber wir müssen uns auch über eine konsequentere Abschiebung Gedanken machen. Da ist mir der Einsatz der Innenminister mit Rückführungsabkommen, auch der Unterstützung der einzelnen Bundesländer zum Beispiel in Deutschland durch den Bund, solche Menschen dann eben auch wieder rausschicken zu können aus Europa, das ist mir noch zu wenig.

Frage: In einer anderen Sache da liegen Sie auch auseinander, da geht es um erweiterte Ermittlungsbefugnisse, dass nämlich die Ermittlungsbehörden zum Beispiel auch auf Messenger-Dienste zugreifen dürfen, wie genau bleibt noch ein bisschen vage in dem Papier. Die Union möchte das ja aber auch — Sie nicht. Warum nicht?

Antwort: Ja, das ist wieder so ein Reflex mit dem Verschlüsselungsverbot von Messenger-Diensten. Wir haben hier in dem Fall in Wien gesehen: Es gab Erkenntnisse, sie sind nur nicht umgesetzt und genutzt worden von den österreichischen Behörden. Und jetzt heißt es wieder, dass wir in die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingreifen müssen. Das heißt, wir greifen in einen digitalen Kern geschützter Kommunikation von allen Bürgerinnen und Bürgern ein. Meines Erachtens nach ist das zu kurz gesprungen, denn auch Terroristen bedienen sich schon anderer Kommunikationskanäle zum Beispiel digital und über Videospiele. Wollen wir dann demnächst auch die Kommunikation in Videospielen kontrollieren. Also da würde ich mir doch eigentlich die vorhandenen Instrumentarien wirklich umgesetzt wünschen, als immer schnell als Reflex nach neuen Maßnahmen zu rufen. Wenn wir da dann wieder nicht Personal und Ausstattung haben, wird auch das wieder nicht umgesetzt. Also das ist immer so ein bisschen Aktonismus, fast populistischer Aktionismus, das wird uns nicht weiterhelfen.

Frage: Was ich nicht verstehe, vielleicht können Sie es nochmal genauer erklären, früher war das Telefon, dass überwacht wurde von einem Richter bestätigt. Über das Telefon kommuniziert aber kaum noch jemand, jetzt eben über andere Kanäle. Wenn das dann der Weg ist, auf dem sich Terroristen verständigen, warum sollen die Ermittlungsbehörden darauf nicht zugreifen dürfen?

Antwort: Zum einen, Sie haben es schon erwähnt, ist ja noch nicht völlig klar, wie stark das eingeschränkt würde. Aber wir haben hier vor allem den Unterschied, dass hier entsprechende quasi Türen hinterlegt werden, elektronische Schlüssel, die jederzeit genutzt werden können, das hat also kein Bürger mehr in der Kontrolle, kann das später auch nicht mehr nachvollziehen. Und vor allem können diese elektronischen Schlüssel auch gehackt werden. Das heißt, die können missbraucht werden. Kein Bürger, keine Bürgerin völlig unbescholten kann sich davor schützen. Also deswegen warnen eben gerade auch Experten aus dem Bereich der Digitalisierung, dass das nur so aussieht, als wäre es dasselbe, es gibt erhebliche Unterschiede aufgrund der Technik.

Frage: Sie haben angedeutet, Europol wollen Sie ausbauen, da befinden Sie sich so ein bisschen in einer Linie mit den Grünen, die wollen ein europäisches Kriminalamt mit eigenen Ermittlungsteams. Was könnte denn so eine Behörde besser als die nationalen Sicherheitsbehörden?

Antwort: Also zum einen, glaube ich, hätten wir eine bessere Übersicht über die vorhandenen Erkenntnisse und Informationen, aber vor allem käme es darauf an, auch die Quellen von Terrorfinanzierung offenzulegen. Die sind ja häufig auch europäisch vernetzt, gerade wenn es um organisierte Kriminalität — vor allem im Bereich der Clan-Kriminialität — geht, aber eben auch dort, wo wir ausländische Finanzierungen haben, die religiös getarnte extremistische Aktivitäten abdecken, da müssen wir den Hahn zudrehen. Da werden häufig junge Menschen radikalisiert, genauso wie auch im Internet. Und das ginge mit einer europäischen Ermittlungsbehörde besser, gerade weil es dann unübersichtlich wird für eine nationale Behörde, wenn es grenzüberschreitend in Europa der Fall ist, denn diese Clans, die sind häufig vernetzt.

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