KUBICKI-Interview: Der Grünen-Hype ist bald zu Ende

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab der „WELT“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Ulrich Exner und Geli Tangermann.

Frage: Was ist eigentlich los mit der FDP?

Kubicki: Warum fragen Sie? Wir liegen in den Umfragen in einem Bereich, den wir konstant über eine so lange Zeit nie hatten.

Frage: Bei den jüngsten Landtagswahlen haben sie es jedenfalls nicht in die Parlamente geschafft – trotz der Schwäche der großen Koalition.

Kubicki: Dass wir es in den ostdeutschen Bundesländern nicht ganz leicht haben, ist ein strukturelles Problem. Da gibt es leider ganze Landstriche, in denen es die FDP als Organisation nicht gibt. In ganz Brandenburg haben wir rund 1200 Mitglieder, davon ein Großteil in meinem Alter, also 60plus.

Frage: Wie ändern Sie das?

Kubicki: Durch gezielte, offensive Mitgliederwerbung. Es geht in der Politik eben nicht allein darum, bestimmte Spitzenpositionen zu besetzen. Man muss Mitglieder werben. Das ist das A und O.

Frage: Was machen die Grünen besser als die FDP?

Kubicki: Nichts. Das Thema Klimaschutz überstrahlt momentan alles. Ich möchte auch, dass meine Enkel in einer lebenswerten Welt aufwachsen. Aber dass wir jetzt nur noch über Klimaschutz reden und alle anderen Themen ausblenden, halte ich für falsch und gefährlich. Im Nahen Osten stehen wir möglicherweise gerade vor einem Krieg. Und wenn dieser kommen sollte, was niemand wollen kann, wird das erhebliche Auswirkungen für uns haben. Ich denke, dass mittlerweile viele Menschen jetzt schon genervt sind vom Auftreten der „Fridays for Future“-Bewegten. Ich kann das nachvollziehen.

Frage: Was genau nervt Sie an diesen Forderungen?

Kubicki: Der Rigorismus, mit der sie vorgetragen werden. Wenn Ihnen ein 16-Jähriger erklärt: Ist mir völlig egal, ob 800.000 Arbeitsplätze verloren gehen oder nicht, dann ist das bedenklich. Wir haben bei den Sondierungsgesprächen 2017 darüber gesprochen, wie wir die Klimaziele bis 2020 hätten einhalten können. Ergebnis: Wir hätten jedes Wochenende Fahrverbote aussprechen müssen, es hätte dann kein Mensch ins Auto steigen dürfen. Wir hätten außerdem ein flächendeckendes Tempolimit von 80 km/h verhängen müssen – auch für die Autobahnen. Und vieles weiteres mehr. Und jetzt stellen Sie sich vor, wir hätten das so umgesetzt: Es gäbe einen Aufstand in der Bevölkerung. Der Rigorismus der Klima-Bewegung wird irgendwann dazu führen, dass Konflikte nicht mehr friedlich ausgetragen werden, sondern im Zweifel gewalttätig.

Frage: Die Bundesregierung versucht dem Protest jetzt mit einem 54-Milliarden-Euro-Paket die Spitze zu nehmen. Richtig so?

Kubicki: Die Höhe des finanziellen Einsatzes sagt noch gar nichts aus. Außerdem sind nach diesem Eckpunkteplan noch viele Fragen offen, etwa: Wie genau soll das Ziel, 65 Prozent Ökostrom-Anteil bis zum Jahr 2030 zu erreichen, umgesetzt werden? Entscheidend wird sein, wie wir unsere Versorgungssicherheit auch nach dem Ende der Kernkraft 2022 beibehalten können. Mit anderen Worten: Woher bekommen wir dann unseren Strom für die Stabilität unserer Netze, wenn nicht aus Frankreich oder Polen?

Frage: Welchen Maßnahmen des Klimapakets würden Sie zustimmen?

Kubicki: Ich wusste nicht, dass ich das Paket aufschnüren darf. Ich finde aber richtig, dass die ökologische nicht gegen die finanzielle Nachhaltigkeit ausgespielt wird. Die Erkenntnis, dass der Staat schon sehr viele Steuermilliarden einnimmt und das Reißen der schwarzen Null nicht beabsichtigt.

Frage: Welchen nicht?

Kubicki: Nur ein Beispiel: Ich halte den Ansatz, eine steuerähnliche CO2-Abgabe einzuführen, für den falschen Weg. Aus meiner Sicht wäre ein Zertifikatehandel deutlich zweckmäßiger, weil der Druck zur Reduzierung der klimaschädlichen Maßnahmen steigen würde. Eine CO2-Steuer haben wir außerdem bereits: Die Mineralölsteuer. Hatte auch keine lenkende Wirkung.

Frage: Wie will sich die FDP in der Klimadebatte so positionieren, dass sie auch wahrgenommen wird?

Kubicki: Wir werden wahrgenommen, wir werden schließlich ständig angegriffen für unsere Positionen. Wir wollen technologieoffene Lösungen und keine Einbahnstraßen. Die meisten Menschen haben vergessen, dass die Bundesregierung den Diesel bis 2015 massiv gefördert hat. Das war das Nonplusultra und jetzt ist es plötzlich blödes Zeug. Jetzt begeben wir uns auf den Weg zu glauben, Elektromobilität sei das Nonplusultra. Dabei hat sich noch keiner damit beschäftigt, wo die Rohstoffe für die vielen Millionen Fahrzeuge herkommen, wie die Batterien entsorgt werden sollen und wo das benötigte Starkstromnetz herkommen soll.

Frage: Ist der Klima-Hype der einzige Grund dafür, dass die Grünen so viel erfolgreicher sind als die FDP?

Kubicki: Ja. Der Klima-Hype vor allem und mit Abstand die Doppelspitze mit Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Frage: Sie selbst haben nach den jüngsten Landtagswahlen auch das Auftreten der FDP für die Verluste verantwortlich gemacht, zum Beispiel die grellen Parteifarben.

Kubicki: Ich habe lediglich die Frage gestellt, warum uns die Generation 60plus, die uns bei früheren Wahlen noch mit mehr als zehn Prozent gewählt hat, bei den Wahlen in Bayern, Bremen, Brandenburg, Sachsen und bei der Europawahl abhandengekommen ist. Da waren wir in dieser Altersgruppe jedes Mal unter fünf Prozent. Ohne die über 60-Jährigen kann man aber keine Wahlen gewinnen.

Frage: Und wie bekommen Sie die zurück?

Kubicki: Gute Frage. Wenn die so einfach zu beantworten wäre, hätten wir das Problem ja nicht. Dennoch glaube ich, dass der etwas grelle und juvenile Auftritt der Partei einen Teil unserer älteren Wähler verstört.

Frage: Also von Magenta zurück zum alten Blau-Gelb der Genscher-Zeit?

Kubicki: Es geht weniger um die Farben als um diese gewollte Jugendlichkeit. Zum Beispiel um die vielen Anglizismen, die einige von uns verwenden. Wenn sie anfangen, hip sein zu wollen, mag das in Berlin-Mitte gut ankommen, vielleicht auch noch in Hamburg-Mitte. Aber jenseits der urbanen Räume verstören Sie damit viele Menschen.

Frage: Sind Sie zufrieden mit der Performance von Christian Lindner?

Kubicki: Natürlich. Der macht uns die Säle voll. Er ist ein brillanter Redner. Wir müssen uns aber insgesamt die Frage stellen, ob wir angesichts der zugespitzten politischen Debatte nicht häufig zu technokratisch argumentieren. Ob wir nicht etwas pointierter formulieren sollten.

Frage: Lindner selbst war mit Ihrer Performance zuletzt offenbar nicht so zufrieden. „Gut, wenn Wolfgang wieder stärker mitmacht“, hat er gerade getwittert. Sind Sie ein wenig faul geworden?

Kubicki: Nein. Ich habe mich in den letzten Monaten öffentlich etwas mehr zurückgehalten.

Frage: Warum?

Kubicki: Weil ich ein Buch geschrieben habe.

Frage: Sie haben doch sonst auch kein Problem damit, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen?

Kubicki: Ich habe ein Bundestagsmandat, ich bin Bundestagsvizepräsident, Vorsitzender der Baukommission des Deutschen Bundestags. Ich mache als Vizepräsident eine Menge Termine, über die nicht öffentlich berichtet wird. Das absorbiert ungefähr 80 Prozent meiner Arbeitskraft. Ich bin als stellvertretender Bundesvorsitzender meiner Partei regelmäßig im Wahlkampf in den Landesverbänden – in Thüringen war ich zum Beispiel vergangene Woche unterwegs. Und dann bin ich ja auch noch als Anwalt tätig.

Frage: Also wenn die, vorsichtig gesagt, mittelmäßige Performance der FDP weder an Ihnen liegt noch an Christian Lindner – woran liegt es dann?

Kubicki: Ich verstehe die Frage gar nicht. Die FDP steht stabil bei sieben bis acht Prozent. Besser als jemals zuvor in ihrer Parteigeschichte. Bei der letzten Bundestagswahl hatten wir 10,7 Prozent. Auch das ist ein herausragender Wert.

Frage: Das wäre dann ja ein schöner Moment, um abzutreten. Sie selbst hatten angekündigt, dem Bundestag nur für eine Legislaturperiode angehören zu wollen. Jetzt schreiben Sie in Ihrem Buch, dass Sie 2021 doch wieder kandidieren wollen als Spitzenkandidat der schleswig-holsteinischen FDP. Woher rührt der Sinneswandel?

Kubicki: Ich möchte zunächst dabei mithelfen, dass die Freien Demokraten wieder möglichst stark in den Bundestag kommen und daran mitarbeiten, dass unser Land weiter positiv in die Zukunft schauen kann.

Frage: Keine weiteren Ziele? Zum Beispiel doch noch Bundesfinanzminister zu werden?

Kubicki: Das schließe ich definitiv aus. Mein Ziel ist es, die FDP so stark wie möglich zu machen und sie so in die Lage zu versetzen, Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Frage: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass ein Jamaika-Bündnis im Bund „das Beste wäre, was Deutschland im Moment passieren könnte“. Sind Sie sich da sicher?

Kubicki: Ja, ich bin fest davon überzeugt. Wir haben in Schleswig-Holstein ein Jamaika-Bündnis auf den Weg gebracht und es ist die beliebteste Regierung seit Bestehen des Landes. Alle sind zufrieden. Und auch auf Bundesebene haben inzwischen alle verstanden, dass die Suche nach Gemeinsamkeiten sinnvoller ist als die Suche nach Differenzen.

Frage: Wenn Sie heute Jamaika verhandeln müssten, wären die Grünen viel stärker als damals.

Kubicki: Wären Sie nicht. Die Grünen sind aktuell die kleinste Fraktion. Sie blasen sich zwar auf wie die Weltmeister, die Spitzenwerte bröckeln aber bereits. Der Grünen-Hype ist bald zu Ende.

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