LINDNER-Interview: Schulen brauchen Freiheit

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab „Handelsblatt Orange“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Patrick Große:

Frage: Herr Lindner, vor vier Jahren ist die FDP aus dem Bundestag geflogen. Der politische Betrieb ging weiter. Warum braucht Deutschland die FDP überhaupt noch?

Lindner: In Deutschland wird ja gar nicht mehr darüber gesprochen, wovon wir morgen leben wollen. Wie erwirtschaften wir unseren Wohlstand? Wir erleben stattdessen eine Politik des „Auf-der-Stelle-Tretens“. Martin Schulz will eine Art Agenda 1995, Frau Merkel will mehr oder weniger gar nichts. Die Einzigen, die über Zukunft, Bildung und Digitalisierung sprechen, sind wir.

Frage: Wie wollen Sie die Welt für junge Menschen verbessern?

Lindner: Junge Leute brauchen vor allem beste Bildungschancen. Unser Bildungssystem ist aber nicht Weltspitze, sondern leider eher Mittelfeld. Junge Menschen haben den großen Wunsch, selbstbestimmt zu leben. Das heißt, die Schablonen, die die Älteren über ihre Biographie stülpen wollen, sind für junge Leute heute eher eine Belastung als eine Ermunterung. Deutschland muss auch insgesamt Zukunftsfähigkeit und Willen ausstrahlen. Wir müssen auch bei der Gründungskultur von Start-ups den Ehrgeiz haben, vorne zu sein. Und wir wollen die modernste Infrastruktur haben.

Frage: Im FDP-Wahlprogramm steht, dass NRW „die beste Bildung der Welt“ haben soll. Wie wollen Sie das Schulsystem in NRW verbessern?

Lindner: Wir müssen den Bildungsföderalismus angehen. 16 Länder, die jeweils das Rad neu erfinden, das führt uns nicht mehr weiter. Ich will, dass der Bund Schulen mitfinanzieren kann. Zweitens: Ich möchte, dass wir unsere Bildung digitalisieren. Inhalte und Methoden müssen modernisiert werden. Und drittens: Unser Ziel darf nicht nur sein, bis zum nächsten Jahrzehnt die Verteidigungsausgaben zu steigern. Ich wünsche mir stattdessen, dass wir eine Debatte darüber führen, wie wir wieder zu den Top-5-Ländern gehören können, was die Ausgaben für Bildung betrifft. Das wäre mal eine nationale Kraftanstrengung wert.

Frage: Sie fordern mehr Freiheiten für Schulen. Bringt das nicht noch mehr Chaos, wenn jede Schule machen kann, was sie will?

Lindner: Nein, wenn es bundesweit vergleichbare Standards gibt und der Wettbewerb zwischen den Ideen sich nur auf den Weg bezieht, wie bestimmte Ziele erreicht werden. Dann haben wir genau das Gegenteil. Wir nutzen die Kreativität und das Potential vor Ort, um zu wissen: Wo drückt der Schuh? Und so erreichen wir ein gemeinschaftlich verabredetes Ziel zwischen 16 Bundesländern.

Frage: Jede Schule soll selbst entscheiden, ob sie G8 oder G9 anbietet. Warum können Sie sich nicht auf eines der Modelle festlegen?

Lindner: Weil die Welt unterschiedlich ist und die Menschen unterschiedliche Wünsche haben. Das ist ja gerade die besondere Pointe des Liberalismus, dass er nicht alles über einen Kamm scheren will. Unser Ziel ist, dass Gymnasien endlich wieder gut ausgestattet werden, dass der Unterrichtsausfall bekämpft wird, dass es am Nachmittag eine gute Förderung gibt und dass der Lehrplan entschlackt wird. Das würde viele Probleme lösen – auch mit dem G8. Wir wollen, dass das G8, dort wo es bereits gut funktioniert, bleibt. Aber wir nehmen die Sorgen von Schülern, Eltern und Lehrern ernst. Und wenn es den Wunsch trotz bester Ausstattung gibt, dass man vor Ort zu G9 zurück will, dann sollte das möglich sein. Wir wollen keinen Zwang, sondern mehr Freiheit schaffen.

 

 

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