RÜLKE-Interview: Die Wirtschaft in Baden-Württemberg muss das bekommen, was sie braucht

FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL gab der „Pforzheimer Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) und „pz-news.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Lisa Scharf:

Frage: Herr Rülke, Sie haben beim Parteitag in Pforzheim vor zwei Wochen sehr klar gemacht, dass die Landtagswahl 2026 eine Schicksalswahl für die FDP ist. Wie fühlt es sich an, für das Überleben seiner Partei verantwortlich zu sein?

Rülke: Das ist natürlich ein gewisser Druck, das ist völlig klar. Aber ich habe nicht den Ruf, unter Druck gleich zusammenzubrechen.

Frage: Als Sie zum Spitzenkandidaten gekürt wurden, haben Sie ein paar Laufschuhe geschenkt bekommen. Wie viele Kilometer haben Sie damit schon gemacht?

Rülke: Mit diesen noch gar keinen, weil ich noch zwei Paar in Gebrauch habe, die ich wechselweise trage. Insofern kommen die neuen erst dann zum Einsatz, wenn das nächste Paar durch ist.

Frage: Ist so ein Wahlkampf mehr Marathon oder mehr Sprint?

Rülke: Mehr Marathon. Bei Wahlkämpfen ist es schon so, dass man durch das ganze Land muss und dass die Entwicklung zum Wahltag hin in neuen Bahnen läuft. Und man muss natürlich auch, und da sind wir dran, die Planung dieses Wahlkampfes frühzeitig angehen.

Frage: Als außerparlamentarische Opposition im Bund findet die FDP medial kaum noch statt. Hemmt diese mangelnde Aufmerksamkeit den Wahlkampf im Land?

Rülke: Es ist schon besser, wenn man als Partei auch auf der bundespolitischen Bühne sichtbar ist. Das ist klar. Aber ich habe Erfahrung mit der Situation. 2016 habe ich auch schon mal als Spitzenkandidat einen Wahlkampf geführt, als die FDP außerparlamentarisch war. Und da ist es mir auch gelungen, sichtbar zu bleiben und für die baden-württembergische FDP ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Frage: Heute ist die Situation anders als 2016. Die Ränder erstarken. Wird die FDP dazwischen zerrieben?

Rülke: Das kann ich nicht erkennen. Es ist klar, dass die FDP höchstwahrscheinlich für eine Regierungsbildung gebraucht wird. Eine Regierung ohne die FDP würde bedeuten, dass kein Weg an den Grünen vorbeiführt

Frage: Das klingt wie zu den zerstrittensten Ampel-Zeiten. Sind die Grünen Ihr Hauptgegner?

Rülke: Zunächst mal muss es darum gehen, das Land Baden-Württemberg unter den demokratischen Parteien regierungsfähig zu halten. Deshalb sind nicht die Grünen der Hauptgegner, sondern die Radikalen. Mein Eindruck ist allerdings, dass Baden-Württemberg nach 15 Jahren grün-geführter Landesregierung in einem schlechten Zustand ist. In der Bildungspolitik sind wir nur noch Mittelmaß. In der vergangenen Woche ist herausgekommen, dass über viele Jahre hinweg fast 1500 Lehrerstellen nicht besetzt wurden. Und das hat weder das grün-geführte Kultusministerium gemerkt noch das grün-geführte Finanzministerium. Außerdem verlieren wir Arbeitsplätze in der Automobil- und Zuliefererindustrie. Und die Grünen haben nichts Besseres zu tun, als ständig wieder vom Aus des Verbrennungsmotors zu fabulieren.

Frage: Vor einem Jahr haben Sie in einem PZ-Interview eine Regierungsbildung mit den Grünen ausgeschlossen. Steht das Wort?

Rülke: Ich habe eine Regierungsbildung mit den Grünen bis 2026 ausgeschlossen.

Frage: Das klingt jetzt ganz anders.

Rülke: Nein. Ich habe immer gesagt: 2026 ist ein neues Spiel. Ich schließe eine Regierungsbildung mit den Grünen so lange nicht aus, bis sichergestellt ist, dass andernfalls nicht die Radikalen an die Macht kommen. Denn wenn wir eine Situation bekommen wie zum Beispiel in Thüringen, wo die Gefahr besteht, dass linke und rechte Radikale zusammen in die Nähe der Mehrheit kommen, dann müssen demokratische Parteien untereinander koalitionsfähig sein. Sie können mich aber gerne noch mal kurz vor der Wahl fragen. Wenn sich dann eine Alternative abzeichnet, kann es gut sein, dass ich eine Koalition mit den Grünen ausschließe.

Frage: Sie fordern eine Wende in der Bildungspolitik. Da hätten Sie mit den 1440 nicht besetzten Lehrstellen ein dickes Brett zu bohren. Wie kann diese Lücke so schnell wie möglich geschlossen werden?

Rülke: Die grüne Kultusministerin hat gerade erklärt, sie will mehr als 1000 Gymnasial-Referendare nicht übernehmen. Und andererseits behauptet man, man hätte diese 1440 Lehrerstellen nicht besetzen können. Das passt nicht zusammen. Ich verlange, dass man diese Referendare jetzt einstellt. Möglicherweise kann man sie nicht alle sofort am Gymnasium einsetzen, aber es gibt die Perspektive, für drei Jahre an einer anderen Schule zu unterrichten und dann in den gymnasialen Schuldienst überzuwechseln. Da werden sie durch den Wechsel von G8 zu G9 in absehbarer Zeit gebraucht werden.

Frage: Ein zweiter Bereich, in dem Sie eine Wende fordern, ist die Wirtschaft. Allein eine Abkehr vom Verbrenner-Abschied kann diese Krise kaum lösen. Was braucht es noch?

Rülke: Es wäre schon mal ein ganz wesentlicher Schritt, sich von diesem Verbrenner-Aus zu verabschieden. Diejenigen, die da in Brüssel teilweise Politik machen kann man ja nur noch Mobilitäts-Taliban nennen. Da höre ich jetzt, man will das Verbrennerverbot für Mietwagen und für Firmenwagen auf 2030 vorziehen. Das ist ein Anschlag auf den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes Baden-Württemberg. Darüber hinaus ist es natürlich notwendig, in dem Bereich auch wieder konkurrenzfähiger zu werden. Da sehe ich in erheblichem Maße strategische Fehlentscheidungen auch der großen Automobilkonzerne. Bei Daimler beispielsweise ist die Strategie nur Elektro und nur Luxus gescheitert. Und jetzt merkt man das und steuert glücklicherweise um.

Frage: Sie sammeln weiter Unterschriften für eine Verkleinerung des Landtags. Wäre das ein K.o.-Kriterium für eine Regierungsbildung, dass eine solche Reform im Koalitionsvertrag steht?

Rülke: Wir werden selbstverständlich zunächst mal schauen, dass wir die notwendige Zahl an Unterschriften sammeln. Wenn das gelingt, dann braucht man das nicht in den Koalitionsvertrag zu schreiben, sondern dann sorgen die Bürgerinnen und Bürger selber dafür, dass das Parlament kleiner wird. Wenn die Menschen daran nicht interessiert sind und es ihnen zu mühsam ist, aufs Rathaus zu gehen, um zu unterschreiben oder einen unserer Infostände zu besuchen, dann ist das auch eine Aussage der Bevölkerung.

Frage: Im Bund will Kanzler Friedrich Merz einen Stimmungsumschwung erreichen. Was würden Sie tun, damit ein solcher im Land gelingt?

Rülke: Wir haben eine Reihe von Baustellen, die wir anpacken müssen. Die vernachlässigten Lehrerstellen müssen besetzt werden. Wir würden auch die Abschaffung der Werkrealschule zurückdrehen. Das ist eine große bildungspolitische Sünde. Wir wollen auch wieder ein stärkeres Leistungsprinzip in der Schule. Und wir brauchen einen Aufbruch im Bereich der Infrastruktur.

Frage: Wie könnte der aussehen?

Rülke: Wir haben ein Wirtschaftsministerium, das weitestgehend funktionslos ist, das ein paar Förderbescheide verteilt und ansonsten schöne Reisen in verschiedene Teile der Welt organisiert. Aber die Herausforderungen der Infrastruktur bewältigt es nicht. Für die Landesplanung und den Wohnungsmarkt ist dieses Tiny-House-Ministerium, das sogenannte Bauministerium, zuständig. Für die Verkehrsinfrastruktur sind die Grünen im Verkehrsministerium zuständig. Da verhindert Winfried Herrmann jeden Fortschritt. Und für die Digitalisierung ist Thomas Strobl zuständig, der nicht einmal seine Hauptaufgabe als Polizeiminister bewältigen kann. Wir brauchen ein schlagkräftiges Infrastrukturministerium, das die Voraussetzungen dafür schafft, dass in Baden-Württemberg die Wirtschaft das bekommt, was sie braucht.

Frage: Das wäre dann auch eins für einen Minister Rülke?

Rülke: Ich sage mal so: Ein solches Wirtschaftsministerium würde mich in der Tat reizen. Das derzeitige nicht.

 

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