STRACK-ZIMMERMANN-Interview: Nur Konsequenz wird Putin erreichen

Das FDP-Präsidiumsmitglied und die Leiterin der FDP-Delegation im Europäischen Parlament Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann MdEP gab dem „Deutschlandfunk“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Sandra Schulz:

Frage: Frau Strack-Zimmermann, sind die positiven Signale aus Washington jetzt mal positive Nachrichten?

Strack-Zimmermann: Wenn man jetzt mal davon absieht, dass wir das Haltbarkeitsdatum beim Präsidenten nicht kennen, sind es erst mal grundsätzlich vor allen Dingen deutliche Worte, die uns da entgegenkommen. Denn das eine ist natürlich eine klare Ansage Richtung Russland, aber auch eine klare Ansage den Ländern gegenüber, die fröhlich und frisch Deals mit Russland machen. Insofern ist das schon eine klare Ansage. Ich bin noch etwas skeptisch, weil wir eben nicht wissen, wie standhaft der Präsident ist. Aber klar ist: Das geht ihm auf den Keks. Er hat das registriert, dass er über den Tisch gezogen wird. Die Frage wird eben sein: Wie reagiert Putin? Wir dürfen nicht vergessen, dass Putin bisher auf gar nichts reagiert hat und auch immer klargemacht hat, dass er den Präsidenten auch herausfordert, ob der Artikel 5, die gemeinsame Verteidigung der NATO, Wertigkeit hat. Insofern wird die Reaktion von Putin mindestens so spannend sein wie das Umsetzen der jetzt angekündigten Dinge.

Frage: Sie haben jetzt die Handelspartner angesprochen, fröhlich und frisch genannt. Da steckt ja schon der erste Teufel im Detail, denn unter den Gasbeziehern sind ja auch EU-Mitglieder, Österreich und Ungarn. Wie frisch und fröhlich sind die?

Strack-Zimmermann: Es geht nicht nur um Gas, sondern es gibt eine unglaubliche Liste, die mir auch vorliegt, welche Firmen – übrigens auch deutsche Firmen – nach wie vor Handel mit Russland betreiben, als ob es keinen Angriffskrieg auf die Ukraine gäbe. Ich nehme mal als Beispiel einen großen Technologiekonzern aus Südkorea. Auf dessen Bildschirme schauen Sie vielleicht auch gerade. Dieser Konzern betreibt Handel in Russland. Das muss man sich vorstellen: Südkorea mit dem Nachbarn Nordkorea, dessen Präsident gerade verkündet hat, zu 100 Prozent hinter Russland zu stehen und weiter zu beliefern.

Frage: Südkorea ist ja nicht in der Europäischen Union. Also das ist ja ein genuines EU-Problem.

Strack-Zimmermann: Das war ein Beispiel. Ich könnte Ihnen auch europäische Firmen nennen.

Frage: Aber die Thematik ist ja angesprochen. Wir zeigen jetzt mit dem Finger auf andere, aber die Themen sind auch bei den EU Mitgliedern.

Strack-Zimmermann: In der Tat. Sie haben gerade Ungarn und Österreich angesprochen und ich finde das sehr wichtig. Bei Ungarn brauchen wir das nicht zu vertiefen. Mit Ungarn haben wir ein Problem in der Europäischen Union, weil Viktor Orban zwar gerne Geld aus Europa nimmt, aber die Regeln und die Normen und Werte, die uns verbinden, überhaupt nicht akzeptiert, im Gegenteil. Er provoziert uns, indem er auch nach Russland reist, sich dort gern zeigt. Aber das ist natürlich jetzt eine bilaterale Geschichte zwischen den USA und Ungarn und auch Österreich. Österreich muss sich fragen als westlicher Staat, warum man noch in dieser Form Handel mit Russland betreibt. Wir haben in Europa in den letzten Wochen ganz deutlich gemacht, dass das eingestellt werden muss. Es kann nicht sein, dass europäische Staaten und damit Europa mehr Geld an Putin überweist, für Gas zum Beispiel, als es der angegriffenen Ukraine an Unterstützung zukommen lässt. Das ist wirklich völlig schizophren.

Frage: Wobei, da bleiben wir jetzt nochmal vor der eigenen europäischen Haustür: Wenn das alles so offenkundig wäre, dann dürfte es ja eigentlich nicht so schwierig sein, sich auf ein 18. Sanktionspaket zu einigen. Das hat sich aber doch als schwierig erwiesen. Ist das jetzt auch Rückenwind, die Signale, die aus Washington kommen?

Strack-Zimmermann: Ja, das ist Rückenwind. Ich meine, dass das schwierig ist mit so vielen Partnern so etwas auf den Weg zu bringen, das wissen wir. Das hat auch etwas damit zu tun, dass diese Sanktionen, die wir aussprechen in Europa, auch rückschlagen auf die Länder. Das muss man wissen: Man sanktioniert nicht in einer globalen Welt, ohne es selber zu spüren. Aber es ist ein wichtiges Signal, sofern eben Trump dabeibleibt. Abzuwarten wird die Reaktion von Putin sein, ob er die Ukraine noch stärker bombardiert, also sozusagen jetzt die USA herausfordert, um wirklich zu testen: Sind das nur Worte? Ist Trump verärgert oder reagiert er oder was steckt dahinter? Ich glaube, das ist eben das Detail, was wir jetzt anschauen müssen. Aber die Nachrichten sind auf alle Fälle besser als alles, was in den letzten Wochen gekommen ist.

Frage: Jetzt haben wir uns erst mal diesen einen Aspekt der Ankündigung von Donald Trump von gestern angeschaut, diese 50 Tage Frist, diese Zollandrohung. Ganz wichtig und zentral war ja auch die Ankündigung weiterer Waffenlieferungen, also Patriots sollen kommen, aber bezahlt werden von NATO-Partnern. Ist das jetzt das nächste Geschäft für Donald Trump?

Strack-Zimmermann: Ja, klar. Ich meine, er ist auf den Trichter gekommen, dass die Ukraine angesichts des Dramas, das sich dort abspielt, dringend mehr Patriots braucht, Luftabwehrraketen und mehr Munition. Und er knüpft das an ein Geschäft nach dem Motto, mit dem er es auch seinen eigenen Wählerinnen und Wählern erklärt: Ich unterstütze die Ukraine, aber wir machen gleichzeitig einen Deal. Also wir liefern, aber wir bezahlen es nicht. Damit kann er das auch zu Hause verkaufen. Und ja, das ist ein klassischer Deal. Ich würde aber doch dringend davon abraten, das negativ zu sehen. Die Ukraine liegt vor unserer Türe. Und wenn die Länder, also Deutschland, die nordischen Staaten und Großbritannien und übrigens auch Kanada, sich daran beteiligen, dann ist das richtig, denn jetzt geht es um Geschwindigkeit, dass so schnell wie möglich die Abwehrsysteme dorthin geliefert werden. Übrigens liefern wir auch weiterhin die IRIS-T und den Gepard, also das Flugabwehrkanonensystem. Das ist geboten, weil wir sehen ja, wie unvorstellbar die Angriffe sind.

Frage: Jetzt hat Donald Trump gestern von vielen Superlativen gesprochen, wie häufig. Er hat aber auch eine Zahl genannt, nämlich 17 Patriot-Systeme, dann aber gleich auch ein Fragezeichen drangemacht. Ist denn schon klar, was er jetzt schickt?

Strack-Zimmermann: Nein. Boris Pistorius hat ja auch gesagt, dass wir jetzt in Verhandlung sind. Und jetzt kommt es auf die Details an. Das erste war jetzt mal ein verbaler Ausbruch des amerikanischen Präsidenten in Richtung Moskau, dass Moskau klar ist, dass er sich das nicht mehr bieten lässt. Jetzt liegt der Teufel im Detail. Wie wird das umgesetzt? Er hat ein Interesse, einen Deal mit uns und den genannten Staaten zu machen. Die Frage ist: Wie schnell kann geliefert werden? Sollte Deutschland auch aus dem Bestand der Bundeswehr zwei weitere Patriots liefern? Drei haben wir schon geliefert. Und dann werden die sukzessive uns erreichen aus den Vereinigten Staaten. Die stehen ja nicht irgendwo rum und werden aus dem Regal genommen. Die müssen zum Teil auch hergestellt werden. Also insofern ist die Frage der Zeit auch eine Frage, die gelöst werden muss. Da steht jetzt der Elefant im Raum. Was passiert im Detail? Aber wie gesagt: Es ist ein deutliches Zeichen, dass offensichtlich auch in den Vereinigten Staaten erkannt wird, dass Putin, wie Trump sagte, nett am Telefon ist, den Hörer auf die Gabel liegt und dann geht der Angriff in der Ukraine hemmungslos weiter.

Frage: Glauben Sie, das hält auch bis nach dem nächsten Telefonat von Trump und Putin? Wenn Putin dann vielleicht wieder nett zu ihm ist?

Strack-Zimmermann: Das ist natürlich genau die Frage. Und das ist ja auch die große Belastung, die zwischen den Vereinigten Staaten und den Europäern steht, dass wir uns auf Trump eben nicht verlassen können. Wir wissen nicht, was in den nächsten zwei, drei Wochen passiert, wer ihm was einflüstert – vielleicht irgendwelche amerikanischen Unternehmen oder Unternehmen in einem anderen Staat, die sagen: Mensch, lass das. Ich weiß das nicht. Wir können nur hoffen. Denn nur Konsequenz wird Putin überhaupt erreichen, wenn überhaupt. Denn er hat ja klargemacht, dass [für ihn] dort, wo ein russischer Soldat den Fuß auf den Boden setzt, grundsätzlich Russland ist. Das hat er ja auf dem russischen Wirtschaftsforum vor wenigen Wochen gesagt. Also die Klarheit, mit der Putin auftritt, da sollte man genau hinhören. Insofern können wir nur hoffen, dass den Worten jetzt auch Taten folgen.

Frage: Was würden Sie denn sagen, wann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem man sagen könnte: Das, was Trump angekündigt hat, das passiert jetzt offenkundig? Jetzt konkret bei den Waffenlieferungen: eigentlich erst, wenn die kommen oder?

Strack-Zimmermann: In dem Moment, wo sie die Ukraine erreichen. In dem Moment, wo die Patriots auf dem Weg sind, vor allen Dingen auch Munition. Dann kann man zumindest in dieser Phase sagen: Er hat angekündigt und geliefert. Das wird aber nicht die letzte Lieferung gewesen sein. Wir dürfen nicht naiv sein. Ich habe heute Morgen gelesen, das sei die große Wende und jetzt würde etwas passieren. Nein, ich sehe das nicht als Wende. Es ist kein Wendepunkt. Es ist ein weiterer Baustein, Putin klarzumachen, dass er ablässt von dem Angriff auf die Ukraine, dass er sich zurückzieht. [An eine Wende aber] glaube ich auch heute nicht.

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