Antrag A3006: Gesundheitsdaten als Innovationsbooster nutzen!

Antragsteller/ -in: Sachgebiet:
LV Thüringen, LV Berlin, LV Brandenburg, LV Mecklenburg-Vorpommern, LV Sachsen, LV Sachsen-Anhalt A3 - Selbstbestimmt in allen Lebenslagen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Durch den Einsatz von Gesundheitsdaten können im Bereich der Entwicklung neuer Diagnose- und Therapieansätze sowie pharmazeutischer Wirkstoffe erhebliche Fortschritte erzielt und Innovationen ermöglicht werden. Um Forschung und Innovationen unter Einsatz von Gesundheitsdaten zu sichern, sind folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Katalog des § 303e Abs. 1 SGB V um pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten sowie digitale Diensten und Anwendungen zu ergänzen. Bisher bleibt die forschende Industrie – egal ob aus den Bereichen Pharma, MedTech oder E-Health – vom Zugang zum Datenpool des Forschungsdatenzentrums (FDZ) ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass nicht nur ein Monopol der öffentlichen Forschung zur Nutzung relevanter Daten geschaffen wird, sondern die Industrie mit ihrem Forschungs- und Investitionspotential außen vor bleibt. Dies ist eine Innovationsbremse für den Standort Deutschland. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass hier ein erheblicher Wettbewerbsnachteil besteht.
  2. Das Forschungsdatenzentrum (FDZ) ist zu einem One-Stop-Shop weiterzuentwickeln. Statt bisher mittels komplexer Antragsverfahren bei unterschiedlichen Stellen, sollte die Nutzung anonymisierter und aggregierter Datensätze durch einen Antrag der Forschenden beim FDZ möglich werden. Als Role-Model kann Finnland gelten, das mit FinData schon heute eine umfassende Sekundärnutzung von Gesundheits- und Sozialdaten für Forschungszwecke ermöglicht.
  3. Eine Schwerpunktstelle „Datenschutz in der Forschung“ einzurichten, die bei einem „Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit“ angesiedelt ist und die datenschutzrechtlichen Fragen bei bundesweiten Forschungsvorhaben (multizentrische Studien) für das gesamte Bundesgebiet prüft. Statt bei bundesweiten Vorhaben (multizentrische Studien) wie bisher Datenschutzbeauftragte zu beteiligen, benötigen wir zukünftig eine Schwerpunktstelle Datenschutz. Dies vereinfacht zukünftig Studien und vergrößert die Validität der Forschungsvorhaben.
  4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Rechtsrahmen der DSGVO auszuschöpfen, insbesondere durch Nutzung der Öffnungsklauseln in Art. 9 Abs. 2 lit. j und Art. 89 Abs. 1 DSGVO, um die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung zu ermöglichen. Ethik, Patientensicherheit und Fortschritt erfordern nicht nur die Nutzung anonymer Daten, sondern vielfach auch personenbezogener Gesundheitsdaten aus der Versorgung. Hier stoßen das Prinzip der Zweckbindung, welches in Deutschland zu einer Vielzahl von Datensilos geführt hat, sowie das Prinzip der Einwilligung an ihre Grenze, schon dann, wenn es nur um pseudonymisierte Daten geht. Das Datenschutzrecht steht dem Einsatz von Gesundheitsdaten also nicht per se im Weg.

Begründung 

Die Erfolge der Impfstoffentwicklung bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie zeigen das wirtschaftliche und wissenschaftliche Zukunftspotential des Forschungsstandortes Deutschland. Die Covid-19-Impfstoffe basieren auf einer Technologie, an der seit 30 Jahren geforscht wird und die berechtigte Hoffnung schenkt, bald neben Covid-19 auch Krebs und andere schwerwiegende Erkrankungen besiegen zu können.

Bessere Rahmenbedingungen für die Gesundheitsforschung in Deutschland bedeutet Hoffnung für die über 4.000.000 Patientinnen und Patienten in Deutschland, die an einer der circa 7.000 seltenen Krankheiten leiden. Innovative Gesundheitsforschung gelingt nur dann, wenn die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovationen sowie Investitionen attraktiv sind. Eine besondere Bedeutung kommt dabei vor allem den Gesundheitsdaten zu. Sie sind die Treiber zukünftiger Innovationen und bilden die Grundlage wirksamer Medikamente und Therapien, um künftige Krisen zu meistern und seltene Erkrankungen zu heilen.

Die Verfügbarkeit und Nutzung von Daten ist und bleibt der Innovationsbooster in der Forschungslandschaft. Und hier haben wir in Deutschland trotz aller bisheriger Bemühungen weiterhin Nachholbedarf. Öffentliche und private Forschungseinrichtungen sowie die forschungsbasierte Gesundheits-IT, Medizintechnik oder Arzneimittelindustrie sind auf Datennutzung angewiesen, um im globalen Innovationswettbewerb zu bestehen.

Was muss also geschehen? Entscheidend für die Entwicklung innovativer Diagnose- und Therapieansätze sowie pharmazeutischer Wirkstoffe ist dabei der gleichrangige Zugang zu Daten. Dieser muss öffentlichen Forschungseinrichtungen und forschender Industrie über das Forschungsdatenzentrum (FDZ) möglich sein. Das FDZ muss zudem so weiterentwickelt werden, dass zukünftig bisher aufwendige Antragsverfahren bei verschiedenen Stellen entfallen können. Das FDZ soll künftig als One-Stop-Shop einzige Anlaufstelle sein. Somit wird forschungshemmende Bürokratie abgebaut ohne Standards abzusenken.

Zukünftig sollen mit der Schaffung einer Schwerpunktstelle „Datenschutz in der Forschung“ bundesweite Studien (multizentrische Studien) erleichtert werden. Statt der bisherigen Einzelzuständigkeit von 16 Datenschutzbeauftragten soll zukünftig diese Schwerpunktstelle – angesiedelt bei einem  „Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit“ – stellvertretend die Zulässigkeit des bundesweiten Forschungsvorhabens bewerten. Dies würde erheblich zum Bürokratieabbau beitragen, die Validität der Studien stärken und die Forschenden in öffentlichen und privaten Institutionen erheblich entlasten.

Das europäische Datenschutzrecht – die EU-DSGVO – ermöglicht schon heute die weitgehende Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung. Bisher fehlte es in Deutschland jedoch am politischen Willen, diese Möglichkeiten der DSGVO – beispielsweise für Forschungsvorhaben zu seltenen Erkrankungen – zu nutzen. Wir fordern deshalb die Nutzung der Öffnungsklauseln in den Art. 9 Abs. 2 lit. j und 89 Abs. 1 DSGVO. Ein Weg, den andere EU-Mitgliedstaaten (beispielsweise Dänemark, Portugal, Schweden und Spanien) im Bereich der Forschung schon längst gehen.

Weitere Begründung erfolgt mündlich.