Antragsbuch für den 76. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Baden-Württemberg

Afuera - Deutschland entfesseln

Afuera - Deutschland entfesseln

Deutschland steht sich selbst im Weg. Die weiterhin vorhandenen Stärken der deutschen Volkswirtschaft werden durch Bürokratismus und die Idee vom Staat als besseren Unternehmer ausgebremst. Der deutsche Staat ist schwach, weil er seine Kernaufgaben des Setzens und Sicherns von Regeln des Zusammenlebens vernachlässigt und stattdessen in Märkte und Lebenswelten der Bürgerinnen und Bürger interveniert. Dabei überfordert er auch sich selbst mit endloser Bürokratie: Neben Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen ist auch der Erfüllungsaufwand des öffentlichen Sektors gigantisch. 

Wir Freie Demokraten fordern daher einen umfassenden Befreiungsschlag. 

Subventionsdenken beenden

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Höhe an Subventionen in Deutschland, sowie die Vielzahl der Förderprogramme viel zu hoch sind. Diese sind daher umfassend zu beenden.

Die Initiative zur raschen Streichung von Subventionen sollte breit angelegt sein, um gefühlten Ungerechtigkeiten gegenüber einzelnen Interessensgruppen entgegenzuwirken.

Subventionen, deren sofortige Streichung nicht umsetzbar ist, sind degressiv auszugestalten, so dass die Fördersumme mit jedem Jahr sinkt.

Im Fall von Steuervergünstigungen ist bei Rücknahme oder Absenkung im gleichen Finanzierungsvolumen der Einkommensteuerfreibetrag anzuheben.

Konsequent deregulieren

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings steuerten über 90% des Entlastungsvolumens die FDP-geführten Ministerien bei. In sämtlichen anderen Bereichen sind noch große Potentiale zu heben.

In einem ersten Schritt sind folgende Regelungen ersatzlos zu streichen bzw. bis zur Streichung eventueller relevanter EU-Vorgaben auf die europäischen Mindestanforderungen zu reduzieren:

  • Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
  • Entgelttransparenzgesetz
  • Beschäftigtendatengesetz
  • Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung
  • Solidaritätszuschlaggesetz
  • Bildungszeitgesetz
  • Erneuerbare-Wärme-Gesetz
  • Landestariftreue- und Mindestlohngesetze
  • Energieeffizienzgesetz (EnEfG)
  • Daneben ist die sogenannte Mietpreisbremse abzuschaffen.
  • Die Einführung eines Tariftreuegesetzes des Bundes lehnen wir ab.
  • Art. 15 des Grundgesetzes ist durch ein Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft zu ersetzen, da diese die einzige Wirtschaftsform ist, welche mit den Grundrechten des Grundgesetzes kompatibel ist.

Auf EU-Ebene hat unter Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) die Bürokratie weiter massiv zugenommen. Auch hier ist ein konsequentes Umsteuern notwendig. In einem ersten Schritt ist auf die ersatzlose Streichung von Taxonomie, Entwaldungsverordnung, Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettenrichtlinie, Energieeffizienzrichtlinie (EED), Fluggastdatenspeicherung und Flottengrenzwerten hinzuwirken.

Ehrenamt stärken – Bürokratie abbauen

Das Ehrenamt ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft und verdient gezielte Entlastungen. Neben Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen leiden auch Vereine unter der wachsenden Bürokratielast. Wir Freie Demokraten fordern:

  • Befreiung kleiner Vereine: Vereine mit weniger als 1000 Mitgliedern sollen von der Pflicht, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, ausgenommen werden.
  • Bürokratiebefreiung für Vereine: Verfahren wie das Beglaubigen von Protokollen müssen vereinfacht oder gänzlich abgeschafft werden.

Made in Germany” statt German free” in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Die überbordende deutsche Rüstungskontrolle führt dazu, dass der Begriff German Free" inzwischen zum Werbeslogan für Rüstungsprodukte ohne deutsche Komponenten geworden ist. Die Sicherheitsindustrie als Grundpfeiler von Europas äußerer Sicherheit ist durch diese Abschottung unnötig teuer und nicht dauerhaft existenzfähig.

Die langsame, bürokratische, ideologisch überfrachtete und für die beteiligten Staaten und Unternehmen unberechenbare Bearbeitungspraxis von Ausfuhrgenehmigungen durch den federführenden Bundeswirtschaftsminister und den Bundessicherheitsrat belastet das Verhältnis zu unseren europäischen Freunden und Nachbarn. Dieser deutsche Sonderweg hat bisher die Schaffung eines starken EU-Rüstungsbinnenmarkts verhindert, der jedoch für die Schaffung einer sicherheits- und verteidigungspolitisch starken und souverän handlungsfähigen EU unabdingbar ist.

Deutschlands Waffenausfuhrkontrollinstrumente müssen von Grund auf überarbeitet und auf das Leitprinzip gegenseitigen Vertrauens unter Verbündeten und internationalen Sicherheitspartnern aufgebaut werden.

Ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz muss zu weitreichenden Entlastungen im Vergleich zu den bisherigen Rüstungsexportkontrollen führen und Beschränkungen bei Exporten in EU-/NATO- und NATO-gleichgestellte Länder grundsätzlich beseitigen. Die Liste der NATO-gleichgestellten Länder ist weitreichend um Werte- und Interessenspartner zu ergänzen. Besonders Israel wollen wir bei Lieferanfragen zukünftig mit NATO-Mitgliedern gleichbehandeln. Israel muss sich auf Deutschlands Unterstützung verlassen können. Die seitens des Wirtschaftsministeriums und des Auswärtigen Amts gegenüber Israel praktizierte Verzögerungstaktik bei dringend benötigten Lieferungen muss beendet werden. Es darf zukünftig keine Herausforderung mehr sein, in Länder, die unsere friedlichen, freiheitlich-demokratischen Werte teilen, zu exportieren.

Bei der Endverbleibskontrolle ist eine zügigere und exportfreundlichere Genehmigungspraxis zu etablieren. Es ist darüber hinaus unverzüglich zu definieren, dass das “überragende öffentliche Interesse” an Deutschlands Verteidigungsfähigkeit sich auch auf den Auf- und Ausbau der deutschen Sicherheitsindustrie bezieht. Bei der Reform unserer Genehmigungspraxis brauchen wir zukünftig besonderes Augenmerk auf Erleichterungen für europäische bzw. grenzüberschreitende Rüstungsprojekte wie z.B. die deutsch-französischen Pläne für FCAS (Nachfolge Eurofighter) und MGCS (Kampfpanzer) und andere gemischtnationale Projekte Rüstungsentwicklung, insbesondere zwischen NATO-Mitgliedern. 

Privatisierungsoffensive fortsetzen

Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Staatliche Unternehmensbeteiligungen stellen in vielen Fällen eine massive Wettbewerbsverzerrung dar - der Staat agiert gleichzeitig als Regelsetzer, Schiedsrichter und Mitspieler. Interessenkonflikte sind so unvermeidbar.

Die FDP hat in ihrer Regierungsbeteiligung im Bund bereits wichtige Privatisierungsimpulse gesetzt, beispielsweise durch den Veräußerungsprozess der DB Schenker AG und den Verkauf von Anteilen an Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Commerzbank AG.

Staatliche Beteiligungen des Bundes müssen auch weiterhin auf ihre zwingende Notwendigkeit überprüft werden und, wo diese nicht gegeben ist, veräußert werden. Im ersten Schritt sind die verbleibenden Anteile an Deutsche Post AG und Deutsche Telekom AG kapitalmarktschonend abzustoßen. Bei der Deutschen Bahn sollten im Sinne konsequenter Trennung von Netz und Betrieb perspektivisch nur die DB InfraGO AG einschließlich noch in diese zu integrierende infrastrukturnahe Sparten wie DB Energie GmbH im Staatsbesitz verbleiben.

Auch die Länder halten Anteile an zahlreichen Unternehmen. Wo die FDP nicht an der Regierung beteiligt ist, finden meist auch keine ernsthaften Überprüfungen auf zwingende Notwendigkeit mehr statt. Diese sind unverzüglich anzustoßen. In einzelnen Fällen bietet sich auf Landesebene neben der Veräußerung
 auch die Überführung in eine Stiftung an.

Entwicklungszusammenarbeit inhaltlich und organisatorisch neu aufstellen

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wollen wir mit dem Auswärtigen Amt (AA) fusionieren, zur Schaffung eines handlungs- und schlagkräftigen Außenauftritts Deutschlands. Anders als alle Mitglieder der EU und der G7 leistet sich Deutschland zwei getrennte Ministerien für unser Handeln in der Welt. Das ist sowohl politisch als auch unter Kostengesichtspunkten ineffizient. Statt Ressortstreit und unabgestimmtem Handeln im Ausland brauchen wir politisch klare Entscheidungsstränge und das ist nur mit einer Zusammenlegung beider Ressorts zu erreichen, mit einer starken entwicklungspolitischen Durchführungsagentur unter dem Dach des weisungsgebenden Außenministeriums, so wie es z.B. die USA mit USAID, Norwegen mit NORAD, Schweden mit SIDA, Dänemark mit DANIDA und die Schweiz mit der DEZA seit langem erfolgreich praktizieren. Dadurch ist gewähreistet, dass entwicklungspolitische Instrumente außenpolitischen Entscheidungen folgen und Deutschlands Einfluss sehr viel strategischer und gezielter eingesetzt werden kann, als es AA und BMZ heute tun.

Als Freie Demokraten stehen wir für eine Entwicklungspolitik, die gleichermaßen deutsche Interessen vertritt und andere Staaten bei der Erreichung der SDGs (Sustainable Development Goals) unterstützt. Dabei setzen wir nicht auf Belehrungen, moralischen Zeigefinger oder Genderetiketten, sondern auf respektvolle Kooperation mit den Staaten des Globalen Südens. Deutschland hat einen sehr guten Ruf in vielen Teilen der Welt, der wiederum eine Eintrittspforte für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist. Echte Armutsbekämpfung gelingt am besten durch wirtschaftliche Investitionen und eine florierende Volkswirtschaft mit rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen. Globalisierung und Freihandel haben dem globalen Süden enorme Entwicklungschancen gebracht. Wir setzen vor diesem Hintergrund auf Marktöffnung, Handels- und Investitionsabkommen. Für die Erreichung der UN-Entwicklungsziele brauchen wir weniger Dirigismus und mehr wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit. Dies ist umso wichtiger, als China als systemischer Rivale des Westens enorm an Einfluss gewonnen hat und strategisch immer mehr Staaten Afrikas, Lateinamerikas, Asiens und Ozeaniens durch verlockende Infrastrukturangebote in ein fatales Abhängigkeitsverhältnis bringt. Wir Freie Demokraten treten deshalb mit Nachdruck dafür ein, handelspolitische Barrieren zwischen den Staaten des Globalen Südens und der EU abzubauen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesen Partnern durch Freihandelsabkommen ganz entscheidend zu erleichtern. Wir begrüßen die Unterzeichnung von MERCOSUR und fordern seine zügige Verabschiedung als EU-Only-Abkommen durch das Europäische Parlament und den Ministerrat. Mehr solcher Freihandelsabkommen sind der beste Weg wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Dieser Weg wird jedoch nur gelingen, wenn wir Verhandlungen über Handelsabkommen, wie z. B. das mit Indien, nicht ständig mit sozial-, verbraucherschutz- oder umweltpolitischen Auflagen überfrachten.

Weitere wichtige inhaltliche Schwerpunkte deutscher Entwicklungszusammenarbeit sind für uns Freie Demokraten z. B. die Bereiche Fachkräftegewinnung, Zugang zu Rohstoffen, strukturelle Fluchtursachenbekämpfung, Rücknahme abgelehnter Asylbewerber, Eindämmung des Einflusses neo-imperialistischer Akteure wie Russland und China aber auch die Bekämpfung von Armut.

BMFSFJ abwickeln 

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ist abzuschaffen. Die aus dem Etat des BMFSFJ finanzierten Sozialleistungen sind in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu überführen, Zuständigkeiten mit Bildungsbezug in das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dabei muss auf eine Vereinfachung der bisherigen Leistungskataloge von BMAS und BMFSFJ sowie die Beseitigung von Fehlanreizen hingewirkt werden. Die systematische Finanzierung von „Nichtregierungsorganisationen“ aus dem Staatshaushalt ist zu stoppen.

BMWSB abwickeln

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ist ersatzlos abzuschaffen. Es steht symptomatisch für die Missachtung des Subsidiaritätsprinzips durch den Bund, für Überregulierung und Planwirtschaft.

ÖRR verschlanken und fokussieren

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist auch künftig zur Sicherung der informationellen Grundversorgung nötig. Dieser Aufgabe kommt er heute nur sehr eingeschränkt nach. Der ÖRR steckt in einer Vertrauenskrise. Dabei hat er gerade in Zeiten von Polarisierung und Desinformation den wichtigen Auftrag, glaubhaft und breit zu informieren.

Der ÖRR muss sich auf seinen Bildungs- und Informationsauftrag konzentrieren. Dazu gehören vor allem die Programmfelder Nachrichten, Kultur, Bildung und Dokumentationen. Die Berichterstattung muss ausgewogen, politisch neutral und regional differenziert sein sowie ein breites gesellschaftliches Spektrum abdecken.

Daneben sind Doppelstrukturen konsequent zu beseitigen, so ist das ZDF in das überregionale Angebot der ARD zu überführen. Durch Strukturreformen und die Privatisierung von Unterhaltungsangeboten ist das Budget des ÖRR zu reduzieren.

Klimaschutz auf Wirksamkeit fokussieren

Wir bekennen uns zum 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens und zum Ziel einer ökologischen Marktwirtschaft. Wir setzen auf Klima- und Umweltschutz durch marktwirtschaftliche Instrumente. Aufgrund des europäischen Binnenmarkts und des Europäischen Emissionshandels sind die nationalen Klimaziele allerdings dem Klimaschutz abträglich. Daher müssen die nationalen Klimaziele innerhalb der EU durch gemeinsame europäische Klimaziele ersetzt werden. Die Nachweis- und Berichtspflichten des Green Deals sind auf die für ETS, ETS 2 und LULUCF-Verordnung zwingend notwendigen Pflichten zu reduzieren.

Es ist nicht die Aufgabe des Staates, den besten Weg zum Klimaschutz aufzuzeigen und diesen zu finanzieren. Das Gebäudeenergiegesetz wurde zwar durch die FDP massiv entschärft und ist heute besser als die entsprechende Gesetzgebung der Großen Koalition. Dennoch wäre es noch sinnvoller, den Europäischen Emissionshandel, der mit dem ETS 2 ab 2027 ohnehin auch auf den Bereich Wärme ausgedehnt wird, voll zur Geltung kommen zu lassen und die Einnahmen jährlich als Pro-Kopf-Klimageld an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuerstatten.

Sämtliche Fördermittel und Steuervergünstigungen im Wirkungsbereich von ETS und ETS 2 sind ersatzlos zu streichen. Gleiches gilt für den Wirkungsbereich des BEHG, sobald dieses in die Marktphase übertritt. Für letzteres ist eine umfassende Steuerreform nötig, da Privilegien in einem Besteuerungsbereich heute häufig mit Benachteiligungen in einem anderen Besteuerungsbereich einhergehen.


Begründung:

Erfolgt mündlich.

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