Antragsbuch für den 76. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Arbeit und Soziales

Arbeitsrechtlicher Rahmen für Langzeitpflege und -betreuung in privaten Haushalten

Arbeitsrechtlicher Rahmen für Langzeitpflege und -betreuung in privaten Haushalten

In Deutschland werden 80 Prozent der Pflegebedürftigen zuhause gepflegt. Pflege zuhause betrifft überwiegend Frauen und ist zugleich ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Faktor, wenn pflegende Frauen durch unbezahlte Pflegearbeit als Fachkräfte in der Erwerbsarbeit fehlen.

Familien pflegen und betreuen mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste, aber auch von Hausangestellten. Ohne Hausangestellte, die in der Regel aus dem EU-Ausland kommen und die Pflege oder auch nur Betreuung leisten, würde in vielen Familien die Pflege und Betreuung zusammenbrechen. Der Aufenthalt in den eigenen vier Wänden wäre häufig nicht mehr möglich.

Zugleich sind Pflege und Betreuung zuhause ein unsichtbarer Arbeitsplatz und damit der Gefahr der Überforderung und Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatem ausgesetzt. Gerade Frauen, die aus dem Ausland als Hausangestellte nach Deutschland kommen, arbeiten häufig ohne einen wirksamen Arbeitsvertrag, ohne Regelung der Arbeitszeit und ohne entsprechende soziale Absicherung.

Dieser rechtliche Graubereich sorgt auch für Betreuungs- und Pflegebedürftige für erhebliche Risiken. Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Pflege und Betreuung im Haushalt sind daher rechtssichere Arbeitsbedingungen für die Pflegenden und Betreuungskräfte. Diese müssen der Schutzbedürftigkeit der Betreuenden gerecht werden, aber auch bezahlbar sein für die Familien, bei denen sie arbeiten.

Zu einem wirksamen Rechtsrahmen gehört die Durchsetzung der Ziele der Europäischen Strategie für Pflege und Betreuung (insbesondere die Umsetzung der EU-Ratsempfehlung über den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege auf EU- und nationaler Ebene aus 2022) und der IAO Konvention 189 (Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte).

Es bedarf einer Gesetzesregelung, die sowohl gute Langzeitpflege als auch die Betreuung in privaten Haushalten auf eine rechtssichere Basis stellt.

Schaffung eines „Hausbetreuungsgesetzes“ nach österreichischem Vorbild

Wir schlagen die Schaffung eines Hausbetreuungsgesetzes nach österreichischem Vorbild vor. Darin wollen wir folgende Regelungen analog der österreichischen Rechtslage treffen.

Weisungsgebundene Betreuungskräfte stehen in einem klassischen Arbeitsverhältnis und sind bei der pflegebedürftigen Person bzw. deren Familie angestellt. Für selbständige Betreuungskräfte braucht es ein Statusfeststellungsverfahren mit klaren Kriterien.

Für angestellte Betreuungskräfte sollen folgende Regelungen gelten:

  • Es gelten arbeitnehmerrechtliche Schutzbestimmungen wie Mindestlohn, Arbeitszeitregelungen und Urlaubsansprüche, allerdings mit besonderen Arbeitszeitregelungen, um den Anforderungen der 24-Stunden-Betreuung gerecht zu werden, insbesondere:
    • In 14 Tagen darf die Arbeitszeit einschließlich der Zeiten von Arbeitsbereitschaft 128 Stunden nicht überschreiten.
    • Die tägliche Arbeitszeit ist durch Ruhepausen von insgesamt mindestens drei Stunden zu unterbrechen, die auch frei von Arbeitsbereitschaft bleiben müssen.
    • Darüber hinaus kann mit der Betreuungskraft eine sog. „Rufbereitschaft“ vereinbart werden, deren Vergütung nicht vom Mindestlohn erfasst ist. Die Betreuungskraft kann hier ihren Aufenthaltsort frei wählen, solange dieser angemessen weit vom Arbeitsort (Haushalt) entfernt ist.
  • Betreuungskräfte sind kranken-, unfall- und rentenversichert.

Qualitätssicherung der Arbeitsvermittlung

Es muss ein umfassender EU-weiter Qualitätsrahmen für öffentliche und private Pflege- und Betreuungsdienstleister (zertifizierte Pflege, zertifizierte Vermittlungsagenturen) sichergestellt werden, so dass nicht nur national, sondern auch bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten Qualität sichergestellt werden kann. Angehörige Pflegebedürftiger sollen sich darauf verlassen können, dass Agenturen, die Pflegekräfte vermitteln, faire und transparente Bedingungen für alle Beteiligten realisieren.

EU-weit sollte ein umfassendes Zahlenmaterial zum Arbeitskräftebedarf in der Langzeitpflege und -betreuung bereitgestellt werden, um Entwicklungen und Bedarfe rechtzeitig zu erkennen und EU-weit angemessen handeln zu können.

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