Antragsbuch für den 76. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Internationale Politik

Mehr Geld allein reicht nicht - Besser in Verteidigung investieren

Mehr Geld allein reicht nicht - Besser in Verteidigung investieren

Angesichts der größten Bedrohungslage für die Freiheit Europas seit dem zweiten Weltkrieg steht die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben und einer Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO außer Zweifel. Die Bereichsausnahme für Verteidigungsausgaben von der Schuldenregel macht den Weg für zusätzliche Mittel für die Bundeswehr frei. Als Freie Demokraten haben wir uns für einen Verteidigungsfonds eingesetzt, der den Weg zu einer langfristigen Finanzierung ohne die Aufnahme immer neue Schulden ebnen sollte. Um die notwendigen Mittel unter Wahrung der Schuldentragfähigkeit und damit belastbar für die Landes- und Bündnisverteidigung zur Verfügung bereitzustellen, bedarf es einer erheblichen Konsolidierungsanstrengung und einer echten Priorisierung im Bundeshaushalt, so dass Verteidigungsausgaben auch ohne neue Schulden finanziert werden können.

Im internationalen Vergleich ist die Effizienz deutscher Verteidigungsausgaben bis zu 40 Prozent niedriger als die unserer NATO-Partner. Bürokratische Hürden, ineffiziente Prozesse und fehlende strategische Klarheit führen zu Verzögerungen und Kostensteigerungen. Um zusätzliches Geld effektiv für die Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung einzusetzen, muss die Beschaffungspolitik der Bundeswehr dringend reformiert werden. Eine moderne, schlagkräftige Bundeswehr erfordert eine effizientere Nutzung der finanziellen Mittel. Dazu bedarf es einer mittelfristigen Bedarfsplanung orientiert an den NATO-Fähigkeitszielen, einer Reform des Beschaffungswesens und Strukturmaßnahmen im Personalbereich, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nachhaltig zu verbessern.

Strategische Beschaffung orientiert an Einsatzfähigkeit und NATO-Fähigkeitszielen

Die Bundeswehr benötigt eine langfristige, klar definierte Rüstungsstrategie, die sich an den sicherheitspolitischen Erfordernissen und den NATO-Fähigkeitszielen orientiert. Statt kurzfristiger Einzelentscheidungen muss eine bedarfsorientierte Planung im Mittelpunkt stehen, die in erster Linie sicherstellt, dass beschaffte Systeme einsatzfähig sind. Die Beschaffung einsatzfähiger Systeme und die Entwicklung und Forschung sollen sich insofern ergänzen, dass die Bundeswehr sofort einsatzfähig und gleichzeitig für die Konflikte der Zukunft technisch gerüstet ist. Um Verzögerungen zu vermeiden, sollten bewährte Technologien bevorzugt werden, anstatt überambitionierte Neuentwicklungen mit hohen Risiken und Kosten zu verfolgen. Zunächst sollen einsetzbare Lösungen beschafft werden, die dann weiterentwickelt werden können.

Wir setzen uns daher für ein eigenes schnelleres Vergabeverfahren für militärische Beschaffung ein, bei dem die Einsatzfähigkeit im Vordergrund steht. Das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz wollen wir weiterentwickeln und verstetigen. Die 25 Mio.-Euro-Vorlage wird zunächst auf 250 Mio. Euro erhöht und soll alle fünf Jahre an die Inflation angepasst werden. Künftig soll eine Budgetfreigabe für ganze Projektpakete, anstatt einzelner Projekte erfolgen, so dass innerhalb eines genehmigten finanziellen Rahmens schneller entschieden werden kann, ohne für jede Einzelmaßnahme die langwierige Zustimmung des Bundestages einholen zu müssen. Zudem sollte das Verteidigungsbudget auf einer mehrjährigen Finanz- und Bedarfsplanung anhand der NATO-Fähigkeitsziele basieren, um Planung und Beschaffung effizient und ohne Brüche sicherzustellen.

Die europäische Zusammenarbeit in der Rüstungsbeschaffung muss strategischer gestaltet werden, damit sie zu mehr Effizienz durch Skaleneffekte beitragen kann. Dafür müssen gemeinsame Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte mit EU- und NATO-Partnern und eine engere europäische Kooperation zum Standard werden. Europäische Förderprogramme und eine strategische Ausrichtung der Europäischen Investitionsbank (EIB) auf Verteidigungsfinanzierung setzen Anreize für gemeinsame Beschaffung und Deutschland muss sich aktiv daran beteiligen. So schaffen wir Synergieeffekte, reduzieren eine Überhitzung von Rüstungsmärkten und verbessern die Interoperabilität mit unseren Bündnispartnern.

Eine Reform des Beschaffungswesens

Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und auch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) brauchen mehr Entscheidungsbefugnisse, schnellere Entscheidungsverfahren und weniger Einmischung durch die Politik, um den Bedarf an Material und Infrastruktur sicherzustellen. Auch weitere Maßnahmen zur Beschleunigung müssen konsequent genutzt werden, etwa Bonus-Systeme bei vorzeitiger Realisierung und eine Anzahlung bei Auftragsvergabe zur Vorfinanzierung von Rohstoffen und Halberzeugnissen. Ebenso müssen sichere Lieferketten für kritische Komponenten stärker berücksichtigt werden und die Verfahren ausreichend Flexibilität ermöglichen, so dass nicht aus Preisgründen auf unzuverlässige Quellen gesetzt werden muss. Bei für die Einsatzfähigkeit kritische Güter wie etwa Munition, werden wir auch mit Vorhalteverträgen und Abnahmegarantien arbeiten, um den nachhaltigen Ausbau von Produktionskapazitäten sicherzustellen.

Eine der großen Herausforderung für die Bundeswehr wird zudem sein, binnen kurzer Zeit ausreichend moderne Lager- und Instandhaltungsinfrastruktur für das neu beschaffte Material und Unterkünfte für die aktive Truppe mit kurzen Bereitschaftszeiten, neu eingestellte Rekruten sowie Reservisten zu errichten und die Infrastruktur vorzuhalten, damit Deutschland im Verteidigungsfall als Drehscheibe funktionieren kann. Mit länderübergreifend pauschal genehmigten Musterbauplänen für Gebäudetypen, Lockerungen bei Umweltschutz und Denkmalschutz sowie der Beauftragung von Generalunternehmen anstatt der kleinteiligen öffentlichen Vergabe einzelner Planungsschritte und Gewerke, wollen wir signifikante Beschleunigungen erreichen.

Innovation und moderne Technologien

Technologischer Vorsprung, Forschung und Entwicklung sind entscheidend für moderne Streitkräfte, eine leistungsfähige Verteidigungsindustrie und einen besseren Einsatz von Verteidigungsausgaben. Eine enge Verzahnung von Staat, Industrie und Wissenschaft ist essenziell, um moderne und einsatzfähige Rüstungsgüter schneller zu entwickeln und zu beschaffen. Die Integration dieser Technologien wollen wir durch eine stärkere Öffnung von Beschaffungsprozessen für kleinere Anbieter, die engere Zusammenarbeit mit Rüstungs-Start-Ups sowie mehr militärische Forschung und Innovationspartnerschaften von klassischen Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie mit Technologieunternehmen verbessern. Ein Forschungstitel im Verteidigungsbudget soll den notwendigen finanziellen Rahmen für innovative Projekte bieten und eine Verdrängung durch vermeintlich dringendere Großprojekte verhindern. Bei Ausschreibungen sollte zudem weitgehend auf Referenzen verzichtet werden, um Start-Ups die Möglichkeit der Partizipation zu ermöglichen. Die Ausschreibungen für die Streitkräfte sollten vorrangig fähigkeitsbasiert erfolgen, um Raum für innovative Lösungen zu schaffen. Zivilklauseln lehnen wir als unverhältnismäßigen Eingriff in die Forschungsfreiheit einzelner Forscherinnen und Forscher ab. Sie müssen künftig durch Landeshochschulgesetze ausgeschlossen werden.

Bessere Strukturen für mehr Personal

Wenn wir die Bundeswehr zu einer der modernsten und schlagkräftigsten Armeen Europas machen wollen, braucht sie mehr Personal. Seit Jahren scheitert die Bundeswehr daran ihre Sollstärke zu erreichen. Deswegen wollen wir beim Bundeswehrpersonal die Strukturen, die Bindung und die Gewinnung besser machen. Attraktivere Karrierewegen, zu denen nicht nur flexible Dienstzeitmodelle und Laufbahnmodelle gehören, sind Voraussetzung dafür, die Dienstzufriedenheit zu erhöhen. Wer bereits da ist, muss nicht neu überzeugt werden zu kommen. Wir wollen in allen Laufbahnen auch im Bereich der Mannschaften langfristige Karrieremöglichkeiten schaffen. Der gegenseitige Übergang von militärischen und zivilen Laufbahnen innerhalb der Bundeswehr muss erleichtert werden.

Eine Stärkung der Reserve ist dringend nötig. Nicht nur eigenes Gerät und ausreichend persönliche Ausrüstung sind erforderlich. Um im Ernstfall auch taktisch agieren zu können, muss regelmäßig geübt werden. Deshalb fordern wir die Abschaffung der doppelten Zustimmungspflicht für Reservedienst-Leistungen. Vielmehr sind motivierte Reservisten zwei Wochen jährlich auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers freizustellen. Wir fordern außerdem, das Höchstalter für freiwillige Reservedienste abzuschaffen.

Die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln für die Bundeswehr kann nur der erste Schritt hin zu einer Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung sein. Nun muss das Geld so eingesetzt werden, dass es auch wirklich zur Einsatzfähigkeit der Bundeswehr führt.

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