Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Digitale Agenda, Internet und Medien

Kommunikationsrechte in digitalen Zeiten

Kommunikationsrechte in digitalen Zeiten

Die FDP steht voll hinter den Grundgesetz-Artikeln 5 (Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit) und 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) als zwei wichtige Grundrechte in demokratischen Rechtsstaaten, um die Freiheit der Menschen zu garantieren. Eine anlasslose und vollständige staatliche Überwachung privater Kommunikation lehnen wir ab. Ebenso lehnen wir Zensur und eine Einschränkung der Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit ab, die über bestehende gesetzliche Regelungen (Strafrecht, Jugendschutz und Ähnliches) hinausgeht, vor allem, wenn diese mit staatlichen oder „mehrheitsfähigen“ anderslautenden Meinungen begründet wird. In diesem Zuge stellen wir uns klar gegen Netzsperren.

Die FDP unterstützt die Idee des Rechtsstaates, der Schaden von seinen Bürgern und der Gesellschaft abwenden muss und daher juristische, technische und personelle Mittel erhalten muss, um gegen kriminelle und terroristische Handlungen adäquat vorgehen zu können. Diese Mittel müssen fortlaufend an neue Kommunikationsformen und Technologien wie zum Beispiel Messenger, Social-Media-Plattformen, Blogs und Video Channels angepasst werden. Die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung müssen hoheitliche Aufgaben bleiben und dürfen daher nicht federführend an private Akteure übertragen werden.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt sich die FDP für die folgenden Punkte ein:

Messengerdienste

Sogenannte Messenger entsprechen den traditionellen Telefon- und Briefpostdiensten. Sie müssen dem gleichen Schutz unterliegen.

Die FDP fordert daher die folgenden Punkte:

  • Abhören, Mitlesen oder auf Vorrat Speichern der Inhalte und Verbindungsdaten durch staatliche Stellen ist grundsätzlich nicht zulässig.
  • Alle Menschen haben das Recht, ihre Kommunikation zur Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses mit sicheren Verfahren zu verschlüsseln. Die FDP steht weiter zu einem Recht auf Verschlüsselung.
  • Alle Menschen haben das Recht, Messenger anonym zu verwenden, wenn dies der Serviceanbieter anbietet. Dies bedeutet, dass es weder gesetzlich vorgeschriebene Klarnamenspflichten noch Nachverfolgbarkeitsgarantien geben darf.
  • In Einzelfällen darf nur auf Basis eines begründeten Verdachts und ausschließlich aufgrund richterlicher Anordnungen eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen befristet angeordnet werden:
    • Abhören, Aufzeichnen und Auswerten von gesprochener Kommunikation
    • Mitlesen, Aufzeichnen und Auswerten anderer Kommunikationsformen wie zum Beispiel Bilder, Texte und Videos
    • Speichern von Verbindungsdaten der betroffenen Personen
    • Im Anschluss an diese Maßnahme sind alle betroffenen Personen vollumfänglich über die Maßnahme und den Grund zu informieren.
  • Es müssen dabei aber folgende Rahmenbedingungen eingehalten werden:
    • Es darf keine Schadsoftware eingesetzt werden, welche die Sicherheit von Kommunikationssystemen untergräbt. Verfahren, welche die technische Integrität der Kommunikationsinfrastruktur gefährden, dürfen nicht zum Einsatz kommen.
    • Die Maßnahmen müssen zeitlich auf die Dauer der konkreten Überwachung der verdächtigen Person(en) beschränkt werden.
    • Nach Abschluss der Überwachung müssen die Betroffenen über die Maßnahmen informiert werden.
    • Die Löschvorschriften entsprechend der geltenden Datenschutzgesetze müssen eingehalten werden.
    • Jede Überwachungsmaßnahme, ob zur Strafverfolgung oder Prävention, muss stets durch einen unabhängigen Richter angeordnet werden.
  • Diese Regeln gelten für alle Präventions- und Strafverfolgungsbehörden einschließlich der Nachrichtendienste.
  • Daher lehnt die FDP folgerichtig die von der EU Kommission vorgeschlagene „Chat-Kontrolle“ und ähnliche Vorhaben ab.

Social-Media-Dienste

Mit Social-Media-Diensten bieten Plattformanbieter ihren Kunden die Möglichkeit, mit vielen anderen gleichzeitig zu kommunizieren. Einzelne Akteure haben die Möglichkeit, eine große Reichweite zu erzielen. Dies ist eine moderne Form der Publizistik für jede und jeden. Hierfür müssen vergleichbare Rechte und Pflichten wie für traditionelle Zeitungen, Flugblätter, Rundfunk, Musik- und Video- Veröffentlichungen gelten.

Die Meinungs-, die Rede-, die Pressefreiheit und Freiheit der Kunst müssen geschützt werden.

Aber auch wie in der physischen Welt muss der Staat seine Bürger vor kriminellen Handlungen schützen.

Die FDP fordert daher für die Regulierung der Social-Media-Plattformen die folgenden Punkte:

  • Jeder Mensch darf innerhalb der gesetzlichen Schranken alles veröffentlichen. Eine staatliche Zensur findet nicht statt.
  • Bei Zuwiderhandlung gegen konkrete Straftatbestände oder anderweitiges geltendes Recht (zum Beispiel Jugendschutz, Medienstaatsvertrag, Urheberrecht, etc.) muss jedoch mit entsprechenden Konsequenzen gerechnet werden.
  • Social-Media-Plattformbetreiber haben die Aufgabe, bei Kenntnisnahme eines hinreichend begründeten Verdachts auf illegale Inhalte diese an Polizei und Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Hierzu müssen letztere eine ausreichende personelle und technische Ausstattung erhalten. Social-Media-Plattformbetreiber haben die Aufgabe, nach Aufforderung durch Staatsanwaltschaft illegale Inhalte zu löschen und im entsprechend angeordneten Fall die entsprechenden Urheber auch zu sperren. Hiergegen muss der betroffene User informiert werden und ihm der Rechtsweg eröffnet werden.
  • Die Social-Media-Plattformbetreiber haben einen Zustellungsbevollmächtigen in der Bundesrepublik Deutschland zu stellen.
  • Die Social-Media-Plattformbetreiber haben nicht die Aufgabe, proaktiv Löschungen und Sperrungen durchzuführen. Social-Media-Plattformbetreiber dürfen nicht die Aufgaben der staatlichen Exekutive zur Einschränkung von Bürgerrechten übertragen werden. Deswegen lehnen wir die entsprechenden Formulierungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ab.
  • Unbenommen davon ist das Recht der Social-Media-Plattformbetreiber, die Inhalte der Plattformen und die Zugangsregeln nach eigenen Vorgaben zu regeln.

Social-Media-Plattformbetreiber dürfen selbst entscheiden, ob sie ihren Usern das Recht des anonymen Zugangs zugestehen. Falls sie das tun, dann kann aufgrund richterlicher Anordnung und aufgrund begründeter Verdachtsfälle für zukünftige Zugriffe eine Aufzeichnung von Zugangsdaten (zum Beispiel IP-Adresse) für das Anwenderkonto verlangt werden. Diese Anordnung muss zeitlich begrenzt sein. Nach Ende der Maßnahme muss der betroffene Anwender nach angemessener Frist darüber informiert werden.

Dabei ist der FDP wichtig, festzustellen, dass wir endlich aufhören müssen, unsere digitale Welt in nationalen Grenzen zu denken. Wir streben eine gesamteuropäische Lösung an und setzen uns für diese Punkte auch in den aktuell laufenden Trilog-Verhandlungen zum Digital Services Act (DSA) ein, insbesondere, um so die vorhandenen Schwächen des NetzDG obsolet zu machen.

Begründung

Dieser Text ist schon Beschlusslage der FDP Bayern (LPT April 2022). Gerade im Vorfeld der EU-Initiative zur Einführung der Chatkontrolle im Kontext des Kinderschutzes ist es notwendig, dass die Bundespartei eine entsprechende Beschlusslage erhält.

zurück zum Antragsbuch