Antragsbuch für den 76. Ordentlichen Bundesparteitag

Bundesvorstand der Jungen Liberalen

Aus Liebe zur Freiheit – Wir werden verteidigungsfähig!

Aus Liebe zur Freiheit – Wir werden verteidigungsfähig!

Am 24. Februar 2022 hat die europäische Sicherheits- und Friedensordnung einen Bruch erlebt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine hat offenbart: Wir Europäer sind auf diese neue sicherheitspolitische Weltlage nicht vorbereitet. Dies ist das Ergebnis jahrzehntelanger Vernachlässigung unserer Streitkräfte. Auch an der europäischen Unterstützung der Ukraine sehen wir: Die Kapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie werden der gestörten Sicherheitsordnung in Europa nicht gerecht. 

Der Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus hat diese dramatische Lage verschärft. Die Zuverlässigkeit der Amerikaner als Garant einer Sicherheitsordnung und als Teil der Nato ist unklar. Viele europäische Partner glauben, sich nicht mehr darauf verlassen zu können, dass im Zweifel die USA ihre europäischen Verbündeten vollumfänglich verteidigen wollen und können. Denn auch über Trump hinaus haben die Krisenherde weltweit zugenommen und stellen die Amerikaner vor große Herausforderungen stellen. In unserem eigenen Interesse müssen wir Europäer uns mehr für die regelbasierte Weltordnung einsetzen und unseren Verbündeten das Signal aussenden, dass man in Fragen der Sicherheitspolitik auf uns zählen kann. Das wird nur gelingen, wenn wir unser Territorium aus eigener Kraft gegen alle möglichen Bedrohungsszenarien, insbesondere aus Russland, verteidigen können. Wir Europäer müssen deshalb deutlich mehr für unsere Sicherheit leisten. 

Dabei trägt die größte europäische Nation eine besondere Verantwortung. Deutschland muss dieser Führungsverantwortung in Europa gerecht werden und die notwendigen militärischen Anpassungen entschlossen angehen. Die rot-schwarze Schuldenkoalition wird dieser Verantwortung nicht gerecht. Denn sie missbraucht die dramatische geopolitische Lage als Vorwand, um durch eine Lockerung der Schuldenbremse und riesige Sondervermögen mehr Spielraum im Haushalt für eigene Klientelprojekte zu schaffen. Wenn der Anteil für Verteidigungsausgaben im Kernhaushalt aber sinkt, kann nicht von einer verteidigungspolitischen Zeitenwende die Rede sein. Stattdessen hinterlässt man aber dem Steuerzahler und den nächsten Generationen einen Schuldenberg, der erst noch in der Zukunft erwirtschaftet werden muss. Wir Freie Demokraten setzen uns für eine verteidigungspolitische Wende ein, die Generationengerechtigkeit schafft und nicht bedroht. Wir Freie Demokraten setzen uns ein für die Wiederherstellung der europäischen Sicherheits- und Friedensordnung. Wir Freie Demokraten setzen uns für eine starke Bundeswehr ein. Denn wir wissen: Sie verteidigt unsere Freiheit! 

Ein wehrfähiges Deutschland durch eine attraktive Bundeswehr 

Deutschland braucht eine Bundeswehr, die unser Land und unsere Bündnispartner verteidigen können. Auch wir als Gesellschaft müssen kriegstüchtig werden. Wehrpflicht und Pflichtdienst sind für beides nicht die Lösung. Vor diesem Hintergrund erteilen wir allen Bestrebungen, wieder zur Wehrpflicht zurückzukehren, eine klare Absage. Die Bundeswehr muss vielmehr ihre Attraktivität als Arbeitgeber und Freiheitsgarant Deutschlands, insbesondere für junge Menschen, steigern. Nur so überzeugen wir mehr Menschen davon, Berufssoldaten, Wehrdienstleistende oder Reservisten zu werden. 

Die Wehrpflicht bleibt in Friedenszeiten für uns ein freiheitsfeindliches Konzept. Doch im Ernstfall muss die Möglichkeit einer Einberufung bestehen bleiben. Daher wollen wir Art. 12a GG und das Wehrpflichtgesetz so neu fassen, dass für alle Geschlechter dieselben Rechte und Pflichten gelten. Das Recht, den Dienst an der Waffe zu verweigern, bleibt bestehen. Art. 12a Abs. 4 GG ist deshalb zu streichen und Abs. 1 geschlechterneutral anzupassen. Eine Wehrpflicht in Friedenszeiten lehnen wir nach wie vor konsequent ab. 

Wir sprechen uns für ein Neudenken der Strukturen zwecks der Rekrutierung aus. Hiermit soll die Infrastruktur geschaffen werden, um einen Überblick über alle wehrfähigen Personen in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Damit kann ein wichtiger Beitrag für die Erfassung und Musterung wehrfähiger Menschen geleistet werden.  

Die Kontingentmusterung ist aus unserer Sicht der richtige Weg, um die Wehrfähigkeit Deutschlands zu sichern, ohne die Freiheit der Bürger unnötig einzuschränken. Mit dieser erhalten alle Deutschen bei Erreichen der Volljährigkeit bzw. nachdem Ende ihrer Schullaufbahn eine Online-Abfrage der Bundeswehr. In dieser werden Fragen zur Wehrfähigkeit und die Bereitschaft abgefragt, einen Wehrdienst anzutreten oder Reservist zu werden. Diese Fragen ermöglichen der Bundeswehr eine Auswahl zu treffen, welches Kontingent gemustert werden soll. Dabei müssen die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet und der Einladung zu einer Musterung nachgekommen werden. Dabei verpflichtet aber weder die Beantwortung der Fragen noch die Musterung zum Wehrdienst. Dieser und der Eintritt in die Reserve bleiben freiwillig. So respektieren wir den Grundsatz der Freiwilligkeit und stärken gleichzeitig die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes. Die Kontingentmusterung soll ferner möglichst bei den Jahrgängen nachgeholt werden, die nach Aussetzung der Wehrpflicht nicht gemustert wurden. 

Um die Bundeswehr attraktiver und wehrfähiger zu machen, fordern wir darüber hinaus: 

  • Die bedrohte Sicherheitsordnung zeigt uns auf, dass wir unsere Militärausgaben wieder an die aktuelle Sicherheitslage anpassen müssen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das geht: Während des Kalten Krieges lagen Deutschlands Militärausgaben bei bis zu fünf Prozent des BIPs. Deswegen setzen wir Freie Demokraten uns für ein neues Nato-Ziel einsetzen, das Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens drei Prozent des BIP fordert. In Deutschland sollen die Ausgaben im regulären Haushalt oder in begrenzter Form in Sondervermögen abgebildet und somit bei der Schuldenbremse berücksichtigt werden. Einer Senkung der Verteidigungsausgaben im Kernhaushalt erteilen wir eine klare Absage. 
  • Das Geld, das wir in unsere Verteidigung investieren, muss in diesen schwierigen Zeiten erst recht zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Deshalb wollen wir das Beschaffungswesen reformieren. Zuerst braucht es eine umfassende Bestandsanalyse durchführen, um zu ermitteln, welches Material tatsächlich benötigt wird, um eine schlagkräftige und einsatzbereite Armee sicherzustellen. Auf Basis dieser Analyse gilt es, einen pragmatischen und zukunftsorientierten Beschaffungsplan zu entwickeln, der gewährleistet, dass das erforderliche Ausrüstungsniveau in kürzester Zeit erreicht wird. Dafür müssen Prüfvorgänge so verschlankt werden, dass sie hohen militärischen Standards an die Ausrüstung genügen, gleichzeitig aber so unbürokratisch und zügig wie möglich ablaufen. Kriterien, die auf die Integration von Material in die zivilen Abläufe Deutschlands (z. B. Verkehrstauglichkeit nach STVO) abzielen, sollen hinter Kriterien der militärischen Effektivität zurücktreten. Insgesamt soll Erfahrungen und Anforderungen aus der militärischen Praxis größeres Gewicht beigemessen werden.  
  • Zu oft ist die Bundeswehr ein schlechter Vertragspartner: Rahmenverträge sind keine sicheren Abnahmen und bedeuten hohe finanzielle Risiken. Gleichzeitig muss die Rüstungsindustrie ihre Kapazitäten drastisch steigern. Dazu müssen mit der Industrie langfristige Abnahmegarantien für Munition und wichtige Waffensysteme vereinbart werden. Im Gegenzug muss die Industrie jährliche Produktionskapazitäten zusagen, die bei Bedarf abgerufen werden können. Das Europäische Vergaberecht für das Militär wollen wir bis zum Sieg der Ukraine aussetzen. 
  • Um die Interoperabilität und Eignung von selbst beschaffter Ausrüstung zu garantieren, soll den Soldaten ein Pool an Ausrüstung nahegelegt werden, die entweder an anderer Stelle bereits durch die Bundeswehr beschafft wird oder mindestens durch die Wehrtechnischen Dienststellen (WTDs) geprüft wurde. Bei ihrer Verwendung bleibt der Versicherungsschutz des Soldaten bestehen. 
  • Durch die Ermöglichung flexiblerer Tarifverträge mit geringeren Dienstzeiten möchten wir die Bundeswehr besonders für junge Menschen attraktiver machen. Dem soll zudem mit einer liberaleren und individuelleren Standortwahl Rechnung getragen werden. 
  • Der Erstzugriff auf Ausbildungsplätze bei staatlichen Ausbildungsstationen nach dem Wehrdienst machen den Dienst für viele junge Menschen attraktiver. Dies sichert ihre berufliche Zukunft und sorgt dafür, dass sie motiviert und engagiert ihren Wehrdienst antreten, da sie eine klare Perspektive nach ihrer Dienstzeit haben. 
  • Kostenlose BAföG- und Bildungs-Darlehen sowie exklusive Stipendienprogramme für Wehrdienstleistende nach dem Ende ihrer Dienstzeit, angepasst an die Wehrdienstdauer, reduzieren die finanzielle Belastung der Dienstleistenden auf dem späteren Bildungsweg. Dies erleichtert den Übergang vom militärischen Dienst in die freie Marktwirtschaft. Diese Darlehen sollen im Einklang mit den bestehenden Förderungen des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) stehen und auf ihnen aufbauen. Dies inkludiert für uns nicht nur Studienabschlüsse, sondern z. B. auch Meistertitel. 
  • Die Gutschrift von mehrfachen Wartesemestern, basierend auf der geleisteten, Dienstzeit sorgt für einen nahtlosen Übergang vom Wehrdienst zum Studium. Auch weitere Privilegien bei der Bewerbung auf Studienplätze an öffentlichen Hochschulen z. B. in Form von eigenen Kontingenten für ehemalige Wehrdienstleistende können wir uns vorstellen. Dies verhindert Unterbrechungen in der Bildungsbiografie und erleichtert den Dienstleistenden ihre akademische Laufbahn. 
  • Die Öffnung der Schulen für Jugendoffiziere, um das Verständnis und eine bewusste Auseinandersetzung mit der Bundeswehr bereits frühzeitig zu fördern. Dies ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, informierte Entscheidungen über ihre Zukunft zu treffen und schafft eine positive Wahrnehmung der Bundeswehr. Die Initiative “Schule ohne Bundeswehr” lehnen wir entsprechend ab. 

Reserve stärken 

Von zentraler Bedeutung für den Wiederaufbau unserer Verteidigungsfähigkeit ist neben der Ausbildung und Bereitschaft professioneller Berufssoldaten auch eine einsatzbereite Reserve. 

  • Ein Dienst in der Reserve und beruflicher Einsatz dürfen sich nicht ausschließen. Wir wollen einen Pakt für die Reserve zwischen Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und der Bundeswehr, der insbesondere die Freistellung von Arbeitnehmern für Reservistendienste und Fragen der Entschädigung regeln soll. So soll die sogenannte doppelte Freiwilligkeit im Einvernehmen überwunden werden. Durch sie ist jeder Freiwillige aktuell darauf angewiesen, dass sein Arbeitgeber den Reservedienst gutheißt. Die getroffenen Vereinbarungen können Eingang in Tarifverträge finden und dabei auch die Gegebenheiten der jeweiligen Betriebe und Branchen berücksichtigen. Sollte ein solcher Pakt nicht gelingen, setzen wir uns für die verpflichtende Freistellung der Arbeitnehmer für Reservistendienste in begrenztem Umfang, ab einer angemessenen Betriebsgröße, ein. Ihr Verdienstausfall wird bis zu einem gedeckelten Betrag aus öffentlichen Mitteln getragen werden. Die Auszeichnung „Partner der Reserve“ wollen wir als Element der Würdigung für besonderes Engagement von Arbeitgebern stärken. Wir wollen eine vereinfachte Eingliederung von Kräften des Zolls in die Reserve, da ein Großteil der Mitarbeiter an der Waffe ausgebildet wurde und im Verteidigungsfalle das Operieren der Behörde nachrangig ist. 
  • Die Wehrüberwachung (also die Speicherung der Tätigkeiten und Fähigkeiten der ehemaligen Wehrdienstleistenden und Soldaten) wollen wir wieder einsetzen. Die Grundbeorderung soll auf zehn Jahre verlängert werden. 
  • “Reserve Light”: Wir wollen die Heimatschutzkompanien stärken und breiter aufstellen. Hierfür müssen vor allem deutlich mehr Ausbildungskapazitäten geschaffen werden. Es soll in Zukunft selbstverständlich möglich sein, eine Form der Grundausbildung flexibel neben Ausbildung, Studium (z. B. in den Semesterferien, tage- oder auch wochenweise) oder Beruf und dafür in z. B. Wochen- oder Wochenendmodulen über einen längeren Zeitraum gestreckt zu absolvieren. Die Ausbildungsqualität ist dabei stets zu berücksichtigen. Auch die Wehrübungen für diese Form der Reserve sollten diesem Flexibilitätsanspruch genügen.

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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