Antragsbuch für den 76. Ordentlichen Bundesparteitag

Bundesvorstand der Freien Demokraten

Mut zum Neuanfang

Die Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 hat eines gezeigt: Wir brauchen Mut zum Neuanfang – das gilt für uns Freie Demokraten nach unserer Wahlniederlage, aber das gilt genauso für unser Land. Deutschland hat eine (ehemals) Große Koalition der Mutlosigkeit bekommen, die sich vor schwierigen Entscheidungen drückt, Probleme mit geliehenem Geld zuschüttet und den Reformstau weiter anwachsen lassen wird. Im Großen und Ganzen soll alles so weitergehen wie bisher. Doch die geopolitischen Spannungen, die tiefe wirtschaftliche Krise wie auch die Konflikte innerhalb unserer Gesellschaft zeigen deutlich, dass mehr Mut nötig wäre.
Wir Freie Demokraten dagegen stehen für den Mut zur Modernität – als Partei, aber auch für unser Land. Wir sind nach der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 die einzige Oppositionskraft der liberalen Mitte in Deutschland. Wir wollen wieder die modernste Partei Deutschlands sein und sind entschlossen, auch als außerparlamentarische Opposition mutige Impulse für unsere Gesellschaft zu setzen.

CDU und CSU haben die Wahl mit dem Versprechen eines Politikwechsels gewonnen. Dass dieser nun ausbleibt, wird von vielen Beobachtern als erwartbar abgetan. Denn viele Menschen trauen den Parteien der Mitte nicht mehr ernsthaft zu, das Land zu reformieren. Der deutschen Politik ist der Mut zur Veränderung abhandengekommen. Statt einer Staatsreform bekommt Deutschland ein zusätzliches Ministerium.

Ergebnis ist das beunruhigende Erstarken der Kollektivisten beider politischer Ränder, die am 23. Februar erstmals mehr als ein Drittel der Bundestagsmandate gewonnen haben. Die Mutlosigkeit und die Wortbrüche der Koalitionäre von Union und SPD haben den rechten und linken Extremisten seither noch mehr Auftrieb gegeben. Das Scheitern Friedrich Merz‘ im ersten Durchgang der Kanzlerwahl bestätigt die gegenwärtige Krise der politischen Mitte.

Die liberale Demokratie, also die Verbindung aus Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft, steht weltweit unter großem Druck. Auch in etablierten Demokratien identifizieren sich immer weniger Bürgerinnen und Bürger mit der liberalen Demokratie und ihren Institutionen. Das Vertrauen in Parlament und Regierung, aber auch in Einrichtungen wie Justiz, Wissenschaft und Journalismus nimmt immer weiter ab. Funktionierende Institutionen, die von der Bevölkerung akzeptiert werden, schützen aber die Freiheit des Einzelnen vor Willkür und dem Recht des Stärkeren. Deswegen steht die FDP als die liberale Partei in Deutschland unmissverständlich auf der Seite der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen. Sie tritt dem globalen Trend zum Abbau der liberalen Demokratie deutlich entgegen.

Wir müssen den Mut aufbringen, uns für neue Ideen zu öffnen, auch wir als Freie Demokraten. Ziel muss ein moderneres, wohlhabenderes und freieres Deutschland sein. Wir übernehmen mit Verantwortung dafür, dass die extremen politischen Ränder bei der nächsten Wahl nicht weiter anwachsen. Jetzt brauchen wir den Mut zum Neuanfang für unser Land, nicht erst in vier Jahren.

Insbesondere bei den folgenden Themen sind die bisherigen Pläne der schwarz- roten Koalition zu zaghaft und mutlos, hier bieten wir Freie Demokraten den Bürgerinnen und Bürgern unsere Ideen und Konzepte für ein modernes Land an:

I. Frei leben



Wir sind eine freie Gesellschaft, in der sich jeder und jede nach eigenen Vorstellungen im Rahmen umfassender Handlungsfreiheit selbst verwirklichen kann. Doch der Staat muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen.

(1) Verteidigungsfähigkeit



Grundlegende Voraussetzung für ein Leben in Freiheit ist, dass Deutschland ein wehrhaftes Land und im Ernstfall verteidigungsbereit gegenüber aggressiven ausländischen Mächten ist. Gegenwärtig wird unsere Sicherheit durch Putins Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht. Wir müssen die militärischen und wirtschaftlichen Fähigkeiten haben, die Bundeswehr umfassend zu stärken, die Ukraine weiter entschlossen zu unterstützen und unsere Verantwortung innerhalb der NATO sowie der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu erfüllen. Deshalb haben wir Freie Demokraten einen Verteidigungsfonds für Deutschland neben der Schuldenbremse vorgeschlagen.

Auch Union und SPD bekennen sich zu Deutschlands verteidigungspolitischer Verantwortung und wollen die benötigten Haushaltsmittel bereitstellen, wenngleich sie mit dem umfassenden Aufweichen der Schuldenbremse gezeigt haben, dass sie die Krise als Gelegenheit nutzen, sich zugleich auf innenpolitischen Reformbaustellen der Notwendigkeit von Sparanstrengungen zu entledigen.

Jenseits der Schuldenaufnahme mangelt es der schwarz-roten Bundesregierung an konkreten Plänen, wie die deutsche Verteidigungsfähigkeit zügig und umfassend wiederhergestellt werden soll. Zu befürchten ist, dass die Prozesse überbürokratisch bleiben und das viele Geld vor allem zu Preissteigerungen bei den Rüstungsgütern führt. Insbesondere fehlt es an einer umfassenden europäischen Kooperation in der Rüstungsbeschaffung.

(2) Deregulierung, Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung


Zahllose bürokratische Vorschriften machen es den Menschen in Deutschland unmöglich, ihr Potential zu entfalten. Aktuell enthalten allein die Gesetze und Verordnungen auf Bundesebene fast 100.000 Rechtsnormen. Diese überbordende Bürokratie kostet Deutschland jährlich bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung. Was nicht direkt messbar ist: Ein überregulierender Staat bremst die Eigeninitiative und nimmt den Menschen die Freude am Gestalten.

Zudem hat die Regulierungsflut in den vergangenen Jahren zu einem Aufwuchs des öffentlichen Dienstes geführt, da jede Regel verwaltet, kontrolliert und novelliert werden will. Das hat nicht nur zu steigenden Personalkosten geführt, sondern vor allem auch den Fachkräftemangel der Wirtschaft verschärft.

Auch wenn die schwarz-rote Koalition hier erste Schritte in die richtige Richtung angekündigt hat und neben einem moderaten allgemeinen Stellenabbau die Hälfte der Beauftragten des Bundes einsparen möchte, fehlt es an einer echten Kehrtwende hin zu Deregulierung, Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung. Die Gründung eines neuen, zusätzlichen Bundesministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung führt zunächst nur zu mehr, nicht weniger Staat. Es fehlte wohl die Kraft, zur Kompensation auch nur ein einziges der bestehenden Bundesministerien einzusparen, wie zum Beispiel das eigenständige Entwicklungshilferessort.

Der Staat muss endlich so unkompliziert funktionieren wie eine Banking-App. Moderne, erfolgreiche FinTech-Start-ups gründen allerdings nicht zuerst eine teure bürokratische Verwaltungsmaschinerie, bevor sie ihre Banking-App auf den Markt bringen.

Zudem scheitert die angekündigte Wirtschaftswende im Bereich der Deregulierung schon daran, dass sich die neue Bundesregierung nicht mit den Bürokratiemonstern der CDU-geführten EU-Kommission anlegen möchte: EU-Verbrennerverbot, EU- Heizungsverbot und EU-Sanierungszwang bleiben bestehen. Das deutsche Lieferkettengesetz soll abgeschafft werden, die EU-Lieferkettenrichtlinie nicht: Das reicht nicht für eine Wirtschaftswende, sondern bestenfalls für eine kurze Verschnaufpause.

(3) Wohnen als die neue soziale Frage


Nur wenn überall im Land angemessene und bezahlbare Wohnungen verfügbar sind, können sich die Menschen frei entfalten und ihre beruflichen Ziele verfolgen – denn geographische Mobilität ist in vielen Fällen Voraussetzung sozialer Mobilität, das Aufstiegsversprechen unserer Gesellschaft darf nicht schon am mangelnden Wohnraum enden.

Die Knappheit an erschwinglichem Wohnraum gerade in Ballungsräumen ist für viele Familien ein großes Problem. Viele sehen sich auch mit durchschnittlichen oder sogar überdurchschnittlichen Einkommen inzwischen kaum mehr in der Lage, ein praktisch gelegenes, wunschgemäßes Zuhause für ihre Familie zu finden.

In dieser Lage wollen Union und SPD die staatliche Mietpreisbremse verlängern und verschärfen. In der Ampel-Koalition haben wir dies noch erfolgreich verhindert. Denn die Mietpreisbremse führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Wohnungsbau, da sich insbesondere Kleinvermieter fragen, wie sie mit staatlich gedeckelten Mieten überhaupt noch eine Rendite auf ihre zusammengesparte Mietwohnung erzielen können. Also investieren sie ihr Erspartes lieber woanders.

Statt solcher Eingriffe in die Marktpreisbildung wollen wir die Ursache des zu geringen Wohnungsbaus angehen: Bauen ist schlicht zu teuer. Deshalb ist das Rezept für mehr und günstigere Wohnungen und Eigenheime: Bauvorschriften massiv reduzieren, effizienter marktwirtschaftlicher Klimaschutz durch Emissionshandel anstelle kleinteiliger staatlicher Vorgaben, Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für selbstgenutztes Wohneigentum. Wenn wir die Baukosten und Baunebenkosten auf diese Weise senken, gehen die Mieten von allein zurück – ganz ohne Mietpreisbremse. Und vor allem finden auch Durchschnittsverdiener in Ballungsräumen wieder eine Wohnung ohne ewiges Pendeln.

II. Frei reden



(1) Meinungsfreiheit garantieren



Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist Kernbestandteil individueller Freiheit und Voraussetzung einer lebendigen Demokratie. Wenn eine Mehrheit der Deutschen den Eindruck gewonnen hat, man könne seine Meinung nicht mehr frei äußern, ist das ein bedrückendes Warnsignal. Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass eine lebendige Demokratie offene, respektvolle und aktive Debatten braucht. Wir sind auch der Überzeugung, dass Widerspruch anderer Bürgerinnen und Bürger zum offenen Meinungsdiskurs gehört. Der Staat soll sich im öffentlichen Meinungskampf zurückhalten. Wir müssen der Gefahr entgegenwirken, dass Bürgerinnen und Bürger den Eindruck erhalten, eingeschüchtert zu werden, insbesondere durch Organisationen, die staatlich finanziert werden.

Auch digitale Plattformen haben eine eigene Verantwortung, wenn es um den Schutz der Meinungsfreiheit geht. Die im Rahmen des Digital Services Act eingeführten Sorgfaltspflichten für Plattformen dürfen nicht dazu führen, dass die Meinungsfreiheit beeinträchtigt wird oder dass Private statt staatlicher Gerichte über die Grenzen der Meinungsfreiheit entscheiden.

Ausgerechnet in dieser für die Meinungsfreiheit in Deutschland kritischen Situation haben sich Union und SPD sogar auf weitere Eingriffe in unsere Bürgerrechte verständigt. So soll etwa der Straftatbestand der Volksverhetzung bei „Hass und Hetze“ bis hin zum Entzug des passiven Wahlrechts verschärft werden. Gegen falsche Tatsachenbehauptungen soll künftig vorgegangen werden. Doch ein Land, in dem der Staat über Wahrheit und Unwahrheit entscheidet, gefährdet die Freiheit seiner Bürger, seiner Wissenschaftler, seiner Unternehmen. Zugleich wollen CDU, CSU und SPD die staatliche Finanzierung bestimmter aktivistischer NGOs unvermindert fortsetzen. Dem stellen wir uns entgegen.

Ob untersagte Demonstrationen und Gottesdienste oder die pauschale Schließung von Betrieben und Bildungseinrichtungen — während der Corona-Pandemie hat sich eine allgemeine Geringschätzung der Grundrechte ausgebreitet. Deshalb ist es unzureichend, wie von CDU, CSU und SPD geplant, nur eine Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung einzusetzen. Wir Freie Demokraten fordern deshalb einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss für echte Aufklärung und kritische Aufarbeitung.

(2) Privatsphäre schützen



Die unbefangene Ausübung der Meinungsfreiheit setzt den Schutz der Privatsphäre auch in der digitalen Welt voraus. Dazu gehört für uns Freie Demokraten ein Recht auf Verschlüsselung, damit private Kommunikation privat bleibt. Wir lehnen Netzsperren, Chatkontrollen, Uploadfilter, die Vorratsdatenspeicherung und andere Formen der anlasslosen Datenerfassung ab. Mit unserem Quick-Freeze-Modell können stattdessen im Verdachtsfall bestimmte Daten auf richterliche Anordnung gesichert werden.

Demgegenüber plant die schwarz-rote Regierungskoalition massive Eingriffe in digitale Bürgerrechte: Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner sowie erweiterte Ermittlungsbefugnisse bei der Telefonüberwachung und der Funkzellenabfrage würden eine unverhältnismäßige Einschränkung der Privatsphäre bedeuten.

III. Frei wirtschaften
Wirtschaftliche Freiheit als Teil individueller Freiheit war immer schon Teil unserer DNA als Freie Demokraten. Denn dabei geht es nicht um volkswirtschaftliche Kennziffern, sondern um die Lebenschancen von Millionen Menschen.

Wenn Unternehmer Erfolg haben, Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen, profitieren wir alle davon. Zudem führt wirtschaftliche Stärke zu geopolitischer Bedeutung, sie ermöglicht uns ein Leben in Sicherheit, Freiheit und Wohlstand.

Doch heute ist die wirtschaftliche Freiheit in Deutschland stärker bedroht als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt seit den Jahren des Wirtschaftswunders. Das Wohlstandsversprechen ist in akuter Gefahr. Die Voraussetzung seiner Erneuerung sind mutige Reformen. Nur so können wir die Zweifel an unserer Demokratie zerstreuen und die Populisten an den politischen Rändern zurückdrängen.

Die Gefährdung unseres Wohlstands ist eine direkte Folge der zunehmenden Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Hier müsste die neue schwarz-rote Koalition ansetzen, doch sie tut das Gegenteil. Der versprochene Politikwechsel in der Wirtschaftspolitik bleibt auf fast allen Feldern aus.

(1) Neustart der Energiewende


Nach 25 Jahren Energiewende liegt Deutschland in Europa an der Spitze – allerdings nur bei der Höhe des Strompreises von rund 40 Cent pro Kilowattstunde. Mit derart hohen Strompreisen ist die auf weitreichende Elektrifizierung von Heizungen und Autos, aber auch der energieintensiven Industrie angelegte Energiewende nicht durchführbar. Völlig zurecht sind viele Bürgerinnen und Bürger nicht bereit, immer höhere Lebenshaltungskosten zu akzeptieren und ihren Wohlstand dahinschwinden zu sehen für ein unausgegorenes Konzept einer Energiewende ohne Kernkraft, das nirgends auf der Welt Nachahmer findet.

Wir Freie Demokraten wollen deshalb alle ideologischen Vorbehalte gegenüber modernen Technologien wie der Kernfusion und sicheren Kernkraftwerken der neuen Generation überwinden. Zahlreiche Länder auf der Welt steigen gerade wieder in die Kernenergie ein oder bauen zusätzliche Kraftwerke nach neuesten Standards.

Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz sind auf große Mengen günstiger, zuverlässiger Energie angewiesen. Wir brauchen künftig viel mehr, nicht weniger Energie. Deshalb setzen wir zusätzlich auf heimische Schiefergasförderung, die vollständige Marktintegration der Erneuerbaren Energien zur Hebung von Effizienzreserven und den Abbau regulatorischer Hürden beim Netzausbau. Eine realistische und kosteneffiziente Energiewende sollte zudem das EU-Ziel für die Klimaneutralität von 2050 anstreben und Angela Merkels Sonderweg des Zieljahrs 2045 verlassen.

Union und SPD dagegen haben den dringend gebotenen Neustart der Energiewende abgesagt: Sie halten aus ideologischen Gründen am unerreichbaren Ziel der Klimaneutralität 2045 fest und haben dieses sogar im Grundgesetz verankert, wollen das teure Sonderregime für Erneuerbare Energien beibehalten und Deutschlands Sonderweg beim Kernkraftausstieg weiterbeschreiten. Anstelle einer Angebotsausweitung von bezahlbarer, zuverlässiger und emissionsarmer Energie sollen Subventionen die Netzentgelte auf Steuerzahlerkosten künstlich billiger erscheinen lassen. Ein Industriestrompreis für die energieintensive Industrie droht zu einer neuen Dauersubvention zu werden.

Die schwarz-rote Energiepolitik verfolgt als einziges Ziel das geschickte Verschieben und Verstecken der hohen Kosten der fehlkonzipierten Energiewende. Auch die Absichtserklärung, den Rückstand Deutschlands gegenüber den USA und China in Zukunftsbranchen wie Künstlicher Intelligenz und Quantencomputing aufzuholen, wird damit von vornherein unglaubwürdig. Wir Freie Demokraten werden beharrlich darauf hinweisen, denn der Industriestandort Deutschland hängt maßgeblich davon ab, dass wir schnellstmöglich zu einer rationalen Energiepolitik zurückkehren.

(2) Einfach, niedrig und gerecht – der zeitlos richtige Maßstab für ein Steuersystem



Wir Freie Demokraten wollen das deutsche Steuersystem leistungsgerechter ausgestalten, damit die Bürgerinnen und Bürger deutlich mehr Netto vom Brutto haben und der Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb profitiert. Zwei Jahrzehnte nach unserem großen Steuerreformkonzept mit der Zieltrias „einfach, niedrig und gerecht“ halten wir Freie Demokraten weiterhin an unserer Überzeugung fest, dass die Menschen in Deutschland ein deutlich verständlicheres, leistungsgerechteres und faireres Steuersystem verdient haben.

Dazu wollen wir den Einkommensteuertarif zu einem flacher verlaufenden Chancentarif weiterentwickeln, mit mehr Aufstiegschancen, Lohngerechtigkeit und einem deutlich später einsetzenden Spitzensteuersatz. Der Solidaritätszuschlag muss 35 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich entfallen. Dadurch entlasten wir insbesondere unseren Mittelstand. Die Unternehmensbesteuerung muss dringend auf unter 25 Prozent sinken und das deutsche Steuerrecht drastisch vereinfacht werden, wie es das FDP-geführte Bundesfinanzministerium angestoßen hatte.

Im Gegensatz zu unseren steuerpolitischen Grundüberzeugungen als Freie Demokraten ist vom ehemaligen „Bierdeckel-Reformer“ Friedrich Merz nichts übriggeblieben. Ehrgeizige Steuerreformpläne sucht man im Koalitionsvertrag des Bundeskanzlers Merz vergeblich, das Finanzministerium hat er leichten Herzens den Sozialdemokraten überlassen, weil er sich eher auf den Bühnen der Welt sieht und die Steuerzahler in Deutschland ihrem Schicksal überlässt.

So konnten sich CDU, CSU und SPD steuerpolitisch nur auf eine vage Ankündigung einer Steuersenkung in mehreren Jahren einigen. Der Solidaritätszuschlag soll sogar gar nicht angetastet werden. Die deutsche Wirtschaft kann aber nicht bis 2032 auf ein wettbewerbsfähiges Steuerniveau warten. Zudem stehen sämtliche Steuersenkungen unter Finanzierungsvorbehalt, und Friedrich Merz hat selbst Steuererhöhungen nicht eindeutig ausgeschlossen.

Zudem werden neue teure Subventionen etwa für Elektroautos und zur Senkung der Netzentgelte versprochen. Dabei hat der Bund unter dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck zuletzt bereits 127 Milliarden Euro pro Jahr allein an direkten Subventionen ausgegeben. Das heißt, fast das gesamte Aufkommen des Bundes aus der Lohn- und Einkommensteuer fließt in Subventionen zur Wirtschaftslenkung und steht damit nicht mehr zur Erfüllung der staatlichen Kernaufgaben oder für Steuersenkungen zur Verfügung.

Union und SPD scheint das nicht zu stören, frei nach Habecks Motto: „Am Ende ist es nur Geld.“ Dieses Geld wird von den Bürgern und Unternehmern erwirtschaftet. Wir Freie Demokraten wollen, dass sie spürbar mehr davon behalten können.

(3) Generationengerechte Staatsfinanzen



Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen – plus Zinsen. Verschuldung ist daher keine seriöse Einnahmequelle, sie kann lediglich in besonderen Notlagen kurzfristig genutzt werden, um sprunghafte Steuererhöhungen zu vermeiden. Deshalb haben wir Freie Demokraten die Schuldenbremse des Grundgesetzes in der Ampel-Koalition Tag für Tag gegen Angriffe der Koalitionspartner verteidigt und zudem in Brüssel eine stabilitätsorientierte Reform der EU-Fiskalregeln durchgesetzt.

Auch Friedrich Merz hat als Oppositionsführer die Schuldenbremse jahrelang wortreich verteidigt, nur, um direkt nach seinem Wahlsieg das Gegenteil zu tun. Nicht nur Verteidigungsausgaben sollen künftig weitgehend und dauerhaft von der Schuldenbremse ausgenommen werden, es sollen auch Infrastruktur- und Klimaschutzausgaben in Höhe von 500 Milliarden Euro defizitfinanziert werden. Dadurch droht in den kommenden Jahren eine der letzten großen Stärken des Standorts Deutschland zu verschwinden: Die moderate Schuldenlast von 62,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts könnte sich auf über 90 Prozent erhöhen, weitab des Maastricht-Kriteriums von 60 Prozent. Laut dem Bundesrechnungshof würde sich die Zinslast des Bundes von 34 Milliarden Euro im Jahr 2024 bis zum Jahr 2035 auf über 70 Milliarden Euro verdoppeln.

Doch damit nicht genug: Die Union hat der SPD eine weitere Aufweichung der Schuldenbremse bis Ende dieses Jahres zugesagt – dann mit der verfassungsändernden Mehrheit des neuen Bundestages, also zwangsläufig unter Einbeziehung der politischen Ränder. Auch an anderer Stelle, etwa über die Autobahn GmbH des Bundes, ist eine zusätzliche Schuldenaufnahme fest vereinbart.

Nicht nur scheint Friedrich Merz alle stabilitätspolitischen Lehren seines einstigen Mentors Wolfgang Schäuble vergessen zu haben. Auch verstoßen seine Verschuldungspläne für die Infrastruktur klar gegen die von Christian Lindner als Bundesfinanzminister durchgesetzten Europäischen Fiskalregeln.

(4) Langfristig leistungsfähige soziale Sicherungssysteme


Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf den deutschen Sozialstaat verlassen können. Doch das Vertrauen etwa in die Sicherheit der Rente sinkt. Denn die Menschen wissen, dass der demographische Wandel dazu führt, dass immer weniger Erwerbsfähige die Rente für immer mehr Senioren aufbringen müssen.

Deshalb treten wir Freie Demokraten weiterhin klar für eine Systemumstellung auf eine Teilkapitaldeckung durch eine gesetzliche Aktienrente ein. Die Rendite einer breit diversifizierten Anlage an den globalen Kapitalmärkten ist das wirksamste und zuverlässigste Mittel, die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren und langfristig zukunftsfest zu machen.

Dagegen schenken den Rentenversprechen von CDU, CSU und SPD immer weniger Bürgerinnen und Bürger Glauben. Der demographische Wandel ist der blinde Fleck des Koalitionsvertrags: Es wird so getan, als gebe es diesen gar nicht, dabei steht der geburtenstärkste Jahrgang 1964 kurz vor dem Renteneintritt. Statt das von der FDP in der Ampel-Koalition entwickelte Konzept einer Aktiensäule in der Rentenversicherung weiterzuverfolgen, werden die Nachhaltigkeitsprobleme der Rente in eine Expertenkommission verschoben.

Dagegen ist man sich bei zusätzlichen Ausgaben ohne zusätzlichen Expertenrat einig: Der Nachhaltigkeitsfaktor der Rentenformel wird bis 2031 ausgesetzt, die Rente mit 63 nicht angetastet, die Mütterrente sogar noch ausgeweitet. Insgesamt ist mit mehr als 50 Milliarden Euro zusätzlichen Rentenausgaben bis zum Jahr 2031 zu rechnen.

Auch auf den sozialpolitischen Großbaustellen Gesundheit und Pflege sind keinerlei konkrete Maßnahmen zur Kostendämpfung geplant, der Reformstau wird einfach an Kommissionen delegiert, die darüber zum wiederholten Male beraten dürfen.

Bereits jetzt ist klar absehbar, dass die Sozialabgaben der Versicherten weiter ungebremst von heute gut 42 Prozent bis auf 45 Prozent des Bruttolohns steigen werden. Das bedeutet schlicht: noch weniger Netto vom Brutto für alle gesetzlich Versicherten. Dennoch hat die Koalition eine Bestandsaufnahme der Beitragsentwicklung erst für das Jahr 2029 vereinbart – das Jahr, in dem spätestens im März die nächste Bundestagswahl ansteht. Klarer kann man seinen fehlenden Reformmut nicht ausdrücken.

(5) Keine politischen Eingriffe beim Mindestlohn – Rückkehr zur leistungsorientierten Lohnpolitik



Wir Freie Demokraten sind überzeugt: Die Tarifparteien wissen am besten, welcher Lohn den Gegebenheiten am Arbeitsmarkt entspricht und welche Höhe der gesetzliche Mindestlohn als Untergrenze haben darf, ohne Betriebe und damit Arbeitsplätze zu gefährden.

Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag in diese Aufgabe der unabhängigen Mindestlohnkommission eingemischt und sich für 15 Euro Mindestlohn ausgesprochen. Das gefährdet viele Betriebe insbesondere in Ostdeutschland und droht die Inflation anzuheizen.

Zudem gerät die Lohngerechtigkeit unter Druck: Wenn schon die einfachsten Tätigkeiten künftig mit 15 Euro pro Stunde zu entlohnen sind, ist der Lohnabstand zu den höherqualifizierten Beschäftigten in vielen Fällen nicht mehr hinreichend. Einfache Tätigkeiten dürften zudem mittelfristig wegrationalisiert werden, die Sozialstaatsfalle zwischen Leistungen wie Bürgergeld und Wohngeld sowie einem hohen Mindestlohn droht sich auszuweiten. Die Koalition riskiert eine neue millionenfache Gerechtigkeitslücke auf dem Arbeitsmarkt.

IV. Erarbeiten wir uns den Optimismus zurück



Wenn Optimismus auf Mut mit guten Erfolgsaussichten basiert, müssen wir uns unseren Optimismus neu erarbeiten. Das gilt für die FDP genauso wie für die deutsche Gesellschaft: Schaffen wir die Voraussetzungen dafür, wieder erfolgreich zu sein, sind wir mit guten Gründen wieder optimistisch. Eine verzagte Gesellschaft, die das Vertrauen in ihre Zukunftsfähigkeit verloren hat, wirkt nicht attraktiv und einladend. Doch es wäre falsch, einfach eine bessere Stimmung im Land zu fordern, solange die Politik nicht die Fesseln löst, die so viele Leistungsbereite in Deutschland zurückhalten.

Glaubwürdigen Optimismus muss man sich verdienen: durch ein Bekenntnis zur individuellen Freiheit und zur Modernität. Zu einer politischen Kultur des Muts. Mut zu neuen Ideen und Konzepten, Mut für ein neues Reformprogramm für Deutschland. Wer wie Union und SPD mindestens Expertenkommissionen einsetzen will, weiß offenkundig nicht, was unser Land jetzt braucht. Stattdessen drängt sich der Verdacht auf, dass die Lösung längst bekannter Probleme um weitere vier Jahre aufgeschoben werden soll.

Umso mehr werden wir Freie Demokraten uns in den kommenden Jahren positiv, konstruktiv und ohne Denkverbote in die Debatten einbringen, die unser Land jetzt braucht. Damit wir schon 2029 in einem wieder optimistischen Land mit einer starken, lebendigen politischen Mitte leben.

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