BÜTTNER-Interview: Die Union gönnt nicht, sie knickt vollständig ein

Die FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner gab der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montagsausgabe) und faz.net das folgende Interview. Die Fragen stellte Frederike Haupt:

Frage: Frau Büttner, sind Sie froh, dass die FDP gerade nicht mitregiert im Bund?

Büttner: Nein, im Gegenteil. Ich finde es gerade besonders bedauerlich. Weil Politiker – in dem Fall die der Union – Politik gegen ihre eigene Haltung machen. Die letzte Koalition wurde gerade deshalb beendet, weil wir das nicht wollten. Nach Rekordschulden wird wieder etwas Falsches rücksichtslos durchgedrückt

Frage: Sie meinen das Rentenpaket.

Büttner: Ja. Dafür kritisiere ich nicht nur die Union, sondern auch die SPD. Dass die Junge Gruppe dagegen aufsteht, ist für mich klar. Aber warum nicht auch die Jusos? Unsere Jungen Liberalen waren auf den Barrikaden. Hier wird ein Problem mit Geld zugeschüttet, das wir in ein paar Jahren genauso wieder haben werden. Das hat nichts mit Tragfähigkeit zu tun. Das ist für mich Politiktheater.

Frage: Dass die SPD die Renten stabil halten will, kann Sie doch nicht überraschen. Schon in der Ampelregierung stritten die Sozialdemokraten mit Ihrer Partei darüber.

Büttner: Ja, es überrascht mich, dass die Union nachgegeben hat. Hier geht es um richtig viel, um die Handlungsfähigkeit des Staates. Da werden Handlungsspielräume zuzementiert. Die Jüngeren werden das ausbaden müssen. Dazu kommt, dass im Bundestag keine wirkliche Opposition zu hören ist. Die Linken haben geholfen, und die AfD will ja sogar ein noch höheres Rentenniveau.

Frage: Die FDP ist aus dem Bundestag geflogen, auch, weil viele Wähler ihr nicht mehr zugetraut haben, da konstruktiv mitzumachen.

Büttner: Das Problem war eher, dass wir das Vertrauen verloren haben, weil wir nicht erklären konnten, was unsere Forderung konkret für die Menschen bedeuten. Und wie es dann geendet ist. Aber ich selbst war damals ja noch nicht in der Bundespolitik dabei. Mir ist wichtig, dass wir konkrete Politikvorschläge machen, die unserer Haltung und Überzeugung entsprechen. Das muss uns ausmachen.

Frage: Haltungen haben die anderen auch. Aber wie wollen Sie mit Koalitionspartnern regieren, wenn Sie jede Überzeugung mit einer roten Linie sichern? Eine Koalition mit der Union wäre an der Schuldenbremse gescheitert, so wie zuvor das Bündnis mit der SPD gescheitert ist. Und jetzt, beim Thema Rente, wäre es wieder so.

Büttner: Wenn man sich mal anschaut, um was für Beträge es vor einem Jahr ging, war die Lage schon etwas anders. Wir haben es schon geschafft, einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, ein tragfähiges Konzept anzubieten und mit den verschiedenen Koalitionspartnern zu verhandeln. Jetzt dagegen sind alle Schleusentore geöffnet. Ich finde diese Haltung wirklich abwegig, Politik zu machen gegen die eigene Überzeugung. Dieser Eindruck zumindest dürfte in Bezug auf die FDP nicht entstanden sein!

Frage: Aber wenn Ihre Überzeugungen nicht die Mehrheit im Land überzeugen, müssen Sie doch Kompromisse mit Koalitionspartnern machen.

Büttner: Mir ist vor allem erstmal wichtig, dass wir glaubwürdig sind. Dass der Machterhalt über alles andere gestellt wird, ist mir fremd. Klingt vielleicht naiv, aber ich würde lieber wieder zurück in die Privatwirtschaft gehen, als Politik zu machen, nur für den Machterhalt.

Frage: Sie haben lange als KI-Unternehmerin gearbeitet…

Büttner: …ja, und dieses Politiktheater von CDU/CSU und SPD, das ich gerade in Berlin sehe, erschreckt mich schon sehr. Ich habe einen anderen Blick auf Politik. Für mich ist es entscheidend, das Richtige für das Land zu tun, auch wenn es zunächst unbequem erscheint. Ich glaube, das ist auch, wonach sich viele Bürger sehnen. Und so möchte ich selbst auch Politik machen.

Frage: Die SPD kämpft nun mal um ihre Existenz, so wie die FDP auch.

Büttner: Ja, aber entscheidend dabei muss es um die Menschen gehen. Wir erleben gerade zwei politische Lager: zum einen Union, SPD und Grüne die Status quo verwalten, auf der anderen die Extremisten links und rechts. Die Parteien der Mitte müssen Mut zu Veränderungen aufbringen. Sicher muss man dabei dem anderen auch mal die Butter auf dem Brot gönnen.

Frage: Tut die Union das nicht gerade, indem sie der SPD die Rentenreform gönnt?

Büttner: Nein, da gönnt sie nicht, sondern knickt vollständig ein. Es ist vollkommen offensichtlich, dass das nicht funktioniert. Es wird beim Thema Rente schmerzhaft für alle, wenn die Regierung jetzt kurz so tut, als komme man um mutige Reformen herum.

Frage: Sie nannten die von der FDP stattdessen vorgeschlagene Aktienrente kürzlich ein “alternativloses Konzept”. Ist das nicht die falsche Art, heute über Politik zu sprechen, wenn man Menschen überzeugen will?

Büttner: Ich sehe die FDP nicht nur als Scharnierpartei, die sich durch mögliche Koalitionspartner definiert. Wir haben eine klare Haltung und benennen diese. Aus dieser Haltung heraus können wir Kompromisse eingehen. Die Leute müssen aber erst mal auch erfahren, wo wir uns inhaltlich fundamental von anderen unterscheiden.

Frage: Viele Unionsanhänger sind enttäuscht von Merz. Warum profitiert die FDP nicht davon, sondern steht in den Umfragen der vergangenen Wochen und Monate durchweg bei drei bis vier Prozent?

Büttner: Wir haben den wichtigen Aufbauprozess gestartet. Dabei haben wir nicht unendlich Ressourcen. Aber wir müssen unsere Überzeugungen, etwa die beim Thema Rente, kommunikativ übersetzen, sodass die Leute uns wahrnehmen. Wir wollen den Resonanzraum wieder füllen. Der ist sehr groß.

Frage: Wie weit ist Ihr Aufbauprozess denn inzwischen fortgeschritten?

Büttner: Auf dem kommenden Parteitag werden wir ein neues Programm beschließen. Darüber hinaus müssen wir transportieren, welche Relevanz unsere Konzepte für die Wählerinnen und Wähler haben. Dass die Menschen aktuell nicht in Scharen auf die Straße gehen gegen die Rentenreform, zeigt, dass allgemein noch nicht klar geworden ist, was dieses Paket für uns alle bedeutet.

Frage: In Ihrer Partei wächst die Ungeduld, wann denn die Wende endlich komme, die der FDP wieder mehr Zuspruch bringe.

Büttner: Manche unterschätzen vielleicht, dass es dauert, Vertrauen zurückzugewinnen. Die Wähler, die uns 2017 unterstützt haben, mussten wir in den vier Jahren zuvor auch erst gewinnen, die kamen nicht von einem Tag auf den anderen. Das baut man nicht über Nacht auf.

Frage: Ein wichtiger Etappensieg wäre für die FDP, bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März wieder in den Landtag einzuziehen und nicht auch dort noch rauszufliegen. Wird das was?

Büttner: Wir werden alles dafür tun, dass das ein Erfolg wird. In Umfragen stehen wir dort stabil über fünf Prozent.

Frage: Also klappt das?

Büttner: Ja.

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