LAMBSDORFF-Interview: Die Welle des Rechtspopulismus ist nicht gestoppt

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab „Welt.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Andre Tauber:

Frage: Können die Demokraten einen Sieg ausrufen, wenn in Frankreich 35 Prozent für die Rechtsnationale Marine Le Pen stimmten?

Lambsdorff: 35 Prozent für Le Pen heißen 65 Prozent für Emmanuel Macron. Das ist Grund zur Freude, und das sollte auch gefeiert werden. Ein Grund zur Entwarnung ist es allerdings nicht. Die Herausforderungen durch Populisten und Nationalisten bleiben weiterbestehen. Es ist Aufgabe aller Demokraten und aller Partner Frankreichs, Emmanuel Macron dabei zu helfen, dass seine Präsidentschaft zum Erfolg wird.

Frage: In Deutschland dürfte das schwerfallen. Die Pläne Macrons für eine europäische Wirtschaftsregierung und ein Euro-Zonen-Budget werden von CDU und CSU abgelehnt.

Lambsdorff: Wir sollten die Gespräche über die Reform der Euro-Zone ohne Scheuklappen führen. Wir haben ein System an Haushaltsregeln, an die sich alle halten müssen. Wir brauchen aber auch Institutionen, die im Fall einer Krise stabilisierend wirken und dafür sorgen, dass die Regeln auch eingehalten werden. Ich denke nicht, dass das ein Haushalt für die Euro-Zone sein muss. Über eine Aufwertung des Euro-Krisenfonds ESM oder einen Europäischen Währungsfonds kann man aber durchaus sprechen.

Frage: Gewinnt die Allianz der mediterranen Länder, die gegen den Euro-Sparkurs eintreten, mit Macron einen mächtigen Fürsprecher?

Lambsdorff: Natürlich werden sich auch Spanien und Italien an ihm orientieren. Das heißt aber noch lange nicht, dass deutsche Positionen keine Berücksichtigung finden würden. Macron hat vielfach deutlich gemacht, dass er an die deutsch-französische Zusammenarbeit glaubt.

Frage: Kann Macron die deutsch-französische Achse, die unter Hollande kaum mehr sichtbar war, wiederbeleben?

Lambsdorff: Deutschland und Frankreich waren immer der Motor der europäischen Einigung. Die Einigkeit beider Staaten ist eine Voraussetzung für den Erfolg der Europapolitik. Der französische Präsident und eine neue Bundesregierung können ab dem Frühjahr 2018 gemeinsam europapolitische Akzente setzen, ohne in den folgenden vier Jahren Neuwahlen bestehen zu müssen. Für Europa ist das eine Riesenchance.

Frage: Löst Macron Bundeskanzlerin Merkel als stärkster Politiker Europas ab?

Lambsdorff: Ich halte nichts von dem Spielchen, immer zu fragen, wer der Stärkste ist. Es liegt im ureigenen deutschen Interesse, wenn Macron Frankreich stark macht. Wenn Frankreich schwach ist, schauen alle auf Berlin und fordern deutsche Führung ein. Die können wir mal leisten, mal aber auch nicht. In beiden Fällen führt eine solche Situation zu antideutschen Ressentiments – die einen klagen über zu viel, die anderen über zu wenig deutsches Engagement. Es wäre daher viel besser, wenn wir wieder ein selbstbewusstes Frankreich an unserer Seite hätten.

Frage: Was bedeutet der Wahlsieg des liberalen Außenseiters Macron für die FDP im Hinblick auf die Bundestagswahl?

Lambsdorff: Es ist bemerkenswert, dass sich die Franzosen enttäuscht von Sozialisten und Konservativen abwendeten und den Neustart mit einem frischen, jungen, liberalen Kandidaten versuchten. Es bestätigt die Tendenz aus den Niederlanden, wo mit Mark Rutte ebenfalls ein liberaler Kandidat als Wahlsieger hervorging. Uns macht das natürlich Hoffnung, denn wir gehen als erneuerte Partei ebenfalls mit einem jungen und schwungvollen Kandidaten in die Bundestagswahl.

Frage: Ist damit die Welle des Rechtspopulismus in Europa gestoppt?

Lambsdorff: Die Welle des Rechtspopulismus ist nicht gestoppt. Es ist gleichwohl ein Rückschlag für die Rechtspopulisten, dass nach dem bescheidenen Abschneiden von Geert Wilders und der Niederlage von Norbert Hofer in Österreich mit Marine Le Pen nun zum dritten Mal einer ihrer Kandidaten das Wahlziel nicht erreicht hat.

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