RÜLKE-Interview: Wasserstoff hat gegenüber der Batterie Vorteile

FDP-Präsidiumsmitglied und Sprecher der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz Hans-Ulrich Rülke gab der „Ludwigsburger Kreiszeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ippokratis Ioannidis.

Frage: Herr Rülke, eigentlich müssten Sie der „Fridays for Future“-Bewegung dankbar sein, ohne die würden wir heute nicht über alternative Antriebsformen und das Thema Wasserstoff reden.

Rülke: Es ist sicher richtig, sich die Frage zu stellen, wie man künftig die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben möglichst klimafreundlich ausrichten kann. Darüber sind sich im Prinzip alle einig, bis auf die AfD vielleicht. In Baden-Württemberg betrifft das speziell die Automobilwirtschaft. Hier kann batterieelektrische Mobilität nicht die Lösung sein. Für diese Position konnte ich auch nach mehreren Gesprächen mit dieser Bewegung sehr viel Verständnis feststellen.

Frage: Die Liberalen setzen auf die Wasserstofftechnologie. Warum?

Rülke: Wasserstoff hat gegenüber der Batterie Vorteile, die auf der Hand liegen. Insbesondere wenn man über Umweltschäden nachdenkt. Sie müssen Wasserstoff nicht in Bolivien abbauen wie das Lithium für die E-Batterie, sie brauchen auch kein Kobalt aus Afrika, es gibt keine ungeklärte Entsorgungsfrage wie bei der E-Batterie. Der einzige Nachteil: Ein Brennstoffzellenantrieb oder ein Wasserstoff-Verbrennungsmotor haben einen geringeren Wirkungsgrad als ein batterieelektrischer Antrieb. Deshalb braucht man möglichst viel und möglichst klimaneutral erzeugte Energie. Die haben wir im Moment nicht in Deutschland. Aber auch hier bietet der Wasserstoff den Vorteil der Speicher- und Transportfähigkeit. Wir könnten ihn beispielsweise aus Nordafrika importieren, wo er kostengünstig und klimaneutral erzeugt werde könnte. Stattdessen laden wir aktuell Batterien mit Kohlestrom, der in Polen erzeugt wird – und lügen uns selber in die Tasche, weil die Europäische Union sagt, der Batteriemotor ist klimaneutral.

Frage: Aber die E-Batterie wird bereits in Serie eingesetzt. Davon ist die Wasserstofftechnik noch Jahre entfernt.

Rülke: EnBW-Chef Frank Mastiaux hat uns kürzlich die Strategien seines Energiekonzerns dargelegt. Die EnBW setzt sehr auf die Batteriemobilität und Herr Mastiaux sagte zu mir, dass ich zwar ein Anhänger der Wasserstoffmobilität sei, dies aber noch zehn Jahre brauche. Ich bedankte mich darauf bei ihm für die Lieferung eines wunderbaren Arguments. Denn diese zehn Jahre brauchen wir auch noch, um den Energiemix so hinzubekommen, dass wir die Batterie mit klimaneutralem Strom betanken können. Dieser zeitliche Vorlauf ist also kein Argument, das ernsthaft gegen eine wasserstoffbasierte Verkehrswende spricht. Realistischer Weise werden zwei Drittel der Autos im Jahr 2030 sowieso noch mit Verbrennungsmotor fahren.

Frage: Die Wasserstofftechnik gilt schon seit mehr als drei Jahrzehnten als Technologie der Zukunft. Ein bislang uneingelöstes Versprechen. Warum sollte sich daran in den kommenden zehn Jahren etwas ändern?

Rülke: Weil der Druck jetzt stärker ist. Voraussetzung ist natürlich der politische Wille, das jetzt voranzubringen. Und natürlich benötigen wir in der Zwischenzeit weitere Entwicklungen beim Verbrennungsmotor, nämlich die synthetischen Kraftstoffe, um von den fossilen Kraftstoffen wegzukommen. Dafür brauchen wir auch Veränderungen der Gesetzgebung auf europäischer Ebene. Damit etwa die synthetischen Kraftstoffe beim CO2-Sparen angerechnet werden, was derzeit nicht der Fall ist, da wird nur einseitig die Batterie bevorzugt. Das wäre klimaschützender, als mit der E-Batterie voranzuschreiten. Und hinzukommt, dass wir auf diese Weise Arbeitsplätze erhalten, weil man mit synthetischen Kraftstoffen Verbrennungsmotoren weiterbetreiben kann.

Frage: Warum rettet das Jobs?

Rülke: Der Verbrennungsmotor hat eine deutlich höhere Fertigungstiefe als Batterie und Elektromotor. Wir würden nur 20 Prozent der Arbeitsplätze verlieren, wenn wir die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie vorantreiben würden, statt auf die Batterie zu setzen. Mit ihr verlieren wir 90 Prozent der Arbeitsplätze in der Schlüsselindustrie der baden-württembergischen Wirtschaft.

Frage: Wir haben nur 75 Wasserstofftankstellen in Deutschland, nur knapp 500 Wasserstoffautos sind überhaupt zugelassen. Kaum zu glauben, dass Wasserstoff unser Problemlöser wird.

Rülke: Sie brauchen 20000 Wasserstofftankstellen, die kann man bauen. Das erscheint mir realistischer als 50 Millionen Ladesäulen aufzustellen. Die brauchen wir, denn nicht jeder hat ein Einfamilienhaus mit Garage, in dem er sein batteriegetriebenes Auto laden kann.

Frage: Um die von der Bundesregierung gesteckten Klimaziele zu erreichen, fehlt uns die Zeit. Weitere zehn Jahre zu warten, bis die Energiegewinnung endlich klimaneutral ist, scheint keine Option. Was tun?

Rülke: In diesen zehn Jahren sollten wir auf eine saubere Dieseltechnologie setzen. Realistisch betrachtet muss man mit dem batteriegetriebenen Auto mindestens 180 000 Kilometer fahren, damit man umweltfreundlicher ist als der Diesel. Da stellt sich die Frage, wie viele Batterien das durchhalten? Die Antwort: wenige. Insofern sage ich, solange wir nicht 80 oder 90 Prozent Stromerzeugung klimaneutral hinbekommen, macht die Batterie überhaupt keinen Sinn. Dafür brauchen wir aber noch die zehn Jahre, die wir auch für die Wasserstoffmobilität brauchen.

Frage: Schon vor Grenzwert- und Klimadebatten war der Wasserstoffantrieb beerdigt. Mit dem Verbrenner verdient die Automobilbranche mehr. Fehlt es auch am unternehmerischen Willen?

Rülke: Ja, weil die EU der Industrie durch die CO2-Flottengrenzwerte die falschen Anreize setzt. Wenn Sie die Industrie dazu auffordern, auf die Batterie zusetzen und sie als völlig klimaneutral berechnen, dann geht die Industrie natürlich genau in diese Richtung.  Jedes batteriegetriebene Fahrzeug senkt mit dieser Berechnung den Gesamtverbrauch der Flotte. So können die Automobilhersteller auch ihre weniger klimafreundlichen SUV verkaufen, die Geld bringen.  Man hilft dem Klima nicht, wenn man einfach das, was dem Klima bei der Batteriemobilität schadet, unter den Teppich kehrt. Als ob es den Rohstoffabbau nicht gäbe, als ob es die Entsorgungsprobleme der Batterien nicht gäbe, als ob wir schon einen besseren Energiemix hätten. Stattdessen machen wir eine Mobilitätswende, die bei uns in Baden-Württemberg die Arbeitsplätze kaputt macht. Das kann man doch niemandem ernsthaft erklären.

Frage: Welche Maßnahme könnte sehr schnell dafür sorgen, dass die Hersteller Wasserstoffautos produzieren?

Rülke: Realistische Grenzwerte. Wenn die EU CO2-Grenzwerte vorgibt, sollte sie realistisch und mit den wirklichen Gesamtwerten den Ottomotor, den Diesel und die Batterie berechnen. Dann werden die Firmen sehr schnell Wasserstoffautos bauen.

Frage: Der Preis für Wasserstoffautos ist sehr hoch. Sollte es eine Kaufprämie geben?

Rülke: Ich glaube, diese Subventionen sind nicht notwendig, wenn wir die nötigen Anreize setzen. Kanzlerin Angela Merkel hatte eine Million  für 2020 angekündigt. 2020 ist in vier Wochen – wir sind bei 100 000 batteriegetriebene Autos. Auch die Subventionierung hat da nichts gebracht. Der Grund dafür, dass es mit der Batterie nicht funktioniert, ist ganz einfach: Die Leute wollen die Technik nicht. Deshalb komme ich zu dem Ergebnis, die Batteriefahrzeuge-Förderung ist völlig absurd, dieser Weg ist insgesamt völlig absurd. Ich wiederhole es noch einmal: Die batterieelektrische Mobilität ist nicht klimaneutral und sie vernichtet Arbeitsplätze.

Frage: Das sieht die Landesregierung anders, sie will Baden-Württemberg zum Leitmarkt für Elektromobilität machen.

Rülke: Ich fand die Äußerung von Verkehrsminister Winfried Hermann demaskierend, als er gefragt wurde, ob er es nicht bedauert bedauere, dass das Tesla-Werk in Brandenburg gebaut wird und nicht in Baden-Württemberg. Da müsste doch jemand, der von der Batterie überzeugt ist, eigentlich sagen, dass ihm das Herz blute. Hat Hermann aber nicht. Er sagte: Gott sein Dank, wir brauchen nicht noch mehr Automobilwirtschaft. Das heißt, es geht ihm gar nicht um die Batterie oder die Arbeitsplätze. Es geht darum, eine Technologie durchzusetzen, damit es viel weniger Autos gibt. Das ist das eigentliche Ziel. Hermann will eine Technologie, die nicht funktioniert, damit die Leute aufhören, Auto zu fahren.

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