VOGEL-Interview: Für Wirtschaftswachstum und solide Finanzen wird es auf die FDP ankommen

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel gab dem „Handelsblatt“ (Dienstag-Ausgabe) und „Handelsblatt Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Jan Hildebrandt:

Frage: Herr Vogel, nach fünf Jahren schwarz-gelber Landesregierung sind die Liberalen in Nordrhein-Westfalen mit 5,9 Prozent vom Wähler abgestraft worden. Schadet Regieren der FDP?

Vogel: Regierungsverantwortung zu übernehmen bedeutet, das Land gestalten zu dürfen. Aus diesem Grund machen wir doch Politik. Die Freien Demokraten wollen das Land gestalten – wenn die Inhalte stimmen. Deshalb kann ich die Frage nur verneinen. Was aber stimmt: Die Wahlniederlage ist bitter und schmerzhaft. Das tut richtig weh. Die Gründe dafür müssen wir aufarbeiten.

Frage: Wie viel Frust der FDP-Anhänger über die Berliner Ampelkoalition steckt in diesem Wahlergebnis?

Vogel: Ein so schlechtes Ergebnis hat nie nur einen Aspekt. Es gab landesspezifische Probleme: Die Schulpolitik während einer Pandemie zu verantworten, war sicherlich kein Gewinnerthema. Und dann ist es der CDU gelungen, die Wahl zu einer Frage über den Ministerpräsidenten zu erklären und sich zeitgleich mit Regierungserfolgen der FDP zu schmücken, etwa den Talentschulen. Wir haben es in NRW offenbar nicht geschafft, die eigenständige Antreiberrolle der FDP in der Landesregierung in den 5 Jahren ausreichend wahrnehmbar herauszuarbeiten. Daraus müssen wir lernen.

Frage: Was lernen Sie denn daraus für die Rolle der FDP in der Ampelkoalition?

Vogel: Erstens müssen wir weiterhin klar machen, wie die Lage ist: Die drei Parteien, die diese Koalition bilden, haben ganz unterschiedliche Positionen und Sichtweisen. Sie haben nicht geheiratet, sondern wollen für das Land als eigenständige Parteien gemeinsam etwas bewirken. Wir müssen jeweils deutlich machen: Was sind unsere spezifischen Ideen als FDP, und wie können wir als Koalition gemeinsam das Land voranbringen? Wir müssen zudem unverändert mutig bleiben und die Modernisierungsprojekte, die wir uns vorgenommen haben, angehen.

Frage: Die FDP verhindert mit Verweis auf den Koalitionsvertrag Steuererhöhungen oder die Einführung des Tempolimits. Ist diese defensive Rolle ein Problem?

Vogel: Es ist gut, dass wir diesen Koalitionsvertrag der Mitte haben. Auch Wirtschaftsvertreter haben betont, dass der Koalitionsvertrag sehr viel mehr marktwirtschaftliche Prägung hat als vorherige. Und wir als Freie Demokraten achten darauf, dass dies auch so umgesetzt wird. Viele Modernisierungsprojekte wie etwa die Aktienrente kommen ja erst noch. Da wird deutlich werden, wie die Koalition das Land gemeinsam voranbringt und was der spezifische Gestaltungsbeitrag der FDP dazu ist.

Frage: Der Koalitionsvertrag ist das eine, die Regierungsarbeit das andere. Und da liefert die FDP offenbar nicht das, was ihre Anhänger sich erhofft haben. Der Finanzminister muss hohe Schulden machen, es wird viel über staatliche Eingriffe gesprochen. Geht das angesichts der aktuellen Krisenlage nicht anders?

Vogel: Das teile ich nicht. Wir haben Entlastungen im Umfang von 37 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, vieles davon dauerhaft, etwa der höhere Grundfreibetrag. Solche Entlastungen wären noch vor einiger Zeit kaum vorstellbar gewesen – im Hochsteuerland Deutschland aber nötig. Und was die Schulden angeht: Ich halte beispielsweise die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr für absolut notwendig und richtig. Entscheidend ist doch die Frage, warum wir als Staat in der Krise handlungsfähig sind und uns in solchen Zeiten auch eine höhere Verschuldung leisten können. Das geht nur, wenn wir für Innovationskraft und Wirtschaftswachstum sorgen und in den guten Zeiten auf solide Finanzen achten. Da wird es in den kommenden Jahren sehr auf die FDP ankommen.

Frage: Die Wahrnehmung von Politik verbindet sich auch mit Personen. Bisher fallen vor allem Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf. Hat die FDP die falschen Ressorts?

Vogel: Dass in dieser akuten Krise die Außenministerin und der Wirtschaftsminister, der das Land unabhängig von fossiler Energie aus Russland machen soll, sichtbar sind, liegt in der Natur der Sache. Und es ist im Übrigen auch gut, denn vor diesen Aufgaben stehen wir alle gemeinsam. Ressorts stehen in unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich im Fokus. Ich erinnere mich an Diskussionen, als die FDP den Außenminister stellte und das als Fehler galt, weil da der mediale Fokus woanders lag.
Für mich ist der Schluss daraus: Ministerien sollte man nicht nach PR-Erwägungen anstreben, sondern nach Überzeugung, welche Themen man für zentral hält. Und da bin ich überzeugt, dass wir mit soliden Finanzen, Digitalisierung, Bürgerrechten und Bildung auf zentrale Themen setzen. Insofern sollten wir jetzt konzentriert und mutig weiter arbeiten.

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