Antrag A6001: Klimabalance wiederherstellen: Mit negativen Emissionen den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland stärken!

Antragsteller/ -in: Sachgebiet:
LV Baden-Württemberg A6 - Nachhaltigkeit durch Innovation

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Ökologie und Ökonomie gehen für Liberale Hand in Hand. Wo populäre Klimaschützer zu viel Verzicht predigen und zu wenig clevere Lösungen anbieten, fordern wir Freie Demokraten technisch-marktwirtschaftlich getriebenen Umweltschutz ohne Planwirtschaft oder Nullwachstum. Wir wollen ökologische Verantwortung und wirtschaftlichen Wohlstand miteinander verbinden.

Nur ein liberaler Umweltschutz nimmt die Menschen mit ins Boot. Nur wirtschaftliches Wachstum ermöglicht die technischen Fortschritte, die wir brauchen. Denn eine technologieoffene Forschung und eine marktwirtschaftliche Finanzierung sind der beste Weg, um Innovationen zu fördern, die der Umwelt helfen und sich langfristig auszahlen.

Der Klimawandel ist die Herausforderung unserer Zeit. Nur ein intaktes Klima gewährleistet weltweit gesellschaftliche Stabilität, auf deren Boden die soziale Marktwirtschaft faire Lebenschancen für alle schafft.

Weil wir die Notwendigkeit, den Klimawandel zu stoppen, ernst nehmen, haben wir in unserem Bundestags-Wahlprogramm als einzige Partei ein hartes Limit des jährlichen CO2-Ausstoßes gefordert – und gleichzeitig mit dem Zertifikatehandel als einzige ein unbürokratisches Modell vorgeschlagen, das auf marktwirtschaftliche Anreize setzt, um Umweltverschmutzung unrentabel zu machen.

Wie jede chemische Reaktion ist der CO2-Haushalt ein Gleichgewicht aus Ausstoß und Bindung, Entstehen und Vergehen. Während wir darauf zusteuern, das 1,5-Grad-Ziel zu verfehlen, konzentrieren sich populäre Forderungen fast nur auf die Vermeidung von CO2- Ausstoß.

Negative Emissionen leisten einen Beitrag, dass existierende Technik übergangsweise klimafreundlich weiter genutzt werden kann, sodass nicht massenweise Fahrzeuge vorzeitig verschrottet werden müssen und Arbeitsplätze erhalten bleiben können und sich Stück für Stück verändern, ohne einen Strukturbruch zu provozieren.

Negative Emissionen

Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, muss neben CO2-Einsparungen zudem bereits in unserer Atmosphäre vorhandenes CO2 reduziert werden. Der Weltklimarat (IPCC) fordert deshalb seit Jahren schon, diese andere Seite des Gleichgewichts ebenfalls anzugehen. Mit Besorgnis sehen wir, dass dieser zweite Teil der Strategie weltweit verschlafen wird, und wenn, dann wird kritische Technik anderswo entwickelt.

Methodik

Um langfristig CO2 zu binden, bieten sich Technologien und Methoden an, die nicht nur die Emission von Treibhausgasen vermeiden, sondern bestehendes CO2 aus der Atmosphäre – oder beim Entstehen direkt an der Quelle der Erzeugung – abfangen und binden. Wir Freie Demokraten sind stets offen für neue Ideen, die dem Ziel dienen. Nachfolgend führen wir einige Technologien auf, die wir gegenwärtig für besonders erwähnenswert halten, da sie in bisherigen öffentlichen Diskussionen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen.

CCS

„Carbon Capture and Storage“ (CCS) ist eine Methode, die CO2 an der Quelle ihrer Entstehung auffängt und entweder als Feststoff oder komprimiertes Gas dauerhaft bindet und speichert. So können zum Beispiel die Abgase von Kohlekraftwerken durch einen Wäscher geleitet und die Emission dieser Kraftwerke dadurch massiv gesenkt werden. Damit einher geht auch eine Senkung des Wirkungsgrades dieser Kraftwerke. Im Zuge einer immer restriktiveren Wirkung des EU-Emissionszertifikatehandels bleibt diese Technologie gleichwohl eine Option, um bestehende Infrastruktur länger betreiben zu können.

DAC

„Direct Air Capture“ (DAC) bezeichnet eine Technologie, bei der CO2 auf direktem Wege aus der Luft gefiltert und angereichert wird. Üblicherweise wird das so gewonnene CO2 im Sinne einer Kreislaufwirtschaft für zum Beispiel synthetische Kraftstoffe (eFuels) genutzt. Alternativ kann das so gewonnene CO2 aber auch dauerhaft gespeichert und so als negative Emissionen der Atmosphäre entzogen werden. Diese Kombination aus DAC und CCS wird auch DACCS genannt. Durch eine geschickte Kombination beider Verfahren und die Verwendung des CO2 für die Herstellung von eFuels sind auch bei der Nutzung unserer jetzigen Verbrennungsmotoren signifikante CO2-Einsparungen möglich.

CCU

„Carbon Capture and Use“ (CCU) ist vergleichbar mit CCS, jedoch wird das CO2 nicht dauerhaft der Atmosphäre entzogen, sondern gelangt nach einer Nutzung, zum Beispiel in synthetischen Kraftstoffen oder Backpulver, später in die Atmosphäre. CCU erzeugt somit keine negativen Emissionen, sondern macht nur eine Nutzung von CO2 in klimafreundlichen Technologien wie zum Beispiel eFuels unter Umständen wirtschaftlicher. Regulatorisch möchten wir klarstellen, dass die Verbrennung von fossilen Energieträgern klimaschädlich ist und entsprechend CO2-Zertifikate benötigt. Die Nutzung von CO2 aus Punktquellen (CCU) für zum Beispiel eFuels dagegen ist nur eine unter Umständen wirtschaftlichere Gewinnung von CO2 (gegenüber DAC). EFuels werden nicht deswegen klimaschädlich, weil das benötigte CO2 direkt aus dem Kraftwerksschornstein gewonnen wird und nicht auf der anderen Seite des Kraftwerkszaunes aufwendig per DAC aus der Luft.

Erd- und Biogaspyrolyse

Die Erd- und Biogaspyrolyse ist dazu geeignet, kostengünstig, energieeffizient und auch im industriellen Maßstab klimafreundlichen Wasserstoff herzustellen. Damit lässt sich trotz des zur Erdgaspyrolyse notwendigen Erdgastransports die CO2-Bilanz des so erzeugten Wasserstoffs um mehr als 75 Prozent verbessern. Während bei der Erdgaspyrolyse Methan in Wasserstoff und festen – und daher industriell verwertbaren – Kohlenstoff gespalten wird, lässt sich bei der Biogaspyrolyse das durch die Vergärung von Biomasse (wie etwa Gülle oder Abfällen) entstehende Biogas in Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff zerlegen. Als festes Nebenprodukt der Wasserstofferzeugung ließe sich der durch die Pflanzen der Atmosphäre bereits entzogene Kohlenstoff in der Stahl-, Bau- oder Chemieindustrie weiterverarbeiten. Wie schon beim proaktiven Wald-, Grün- und Agrarflächenmanagement, liegt folglich auch hier der Schlüssel zu Negativemissionen in der Durchbrechung des natürlichen CO2-Kreislaufs.

BECCS und PyCCS

„Bioenergy with Carbon Capture and Storage“ (BECCS) und „Pyrogenic Carbon Capture and Storage“ (PyCCS) beschreibt Methoden, die sich mit der pyrolytischen Verarbeitung von Biomasse beschäftigen. Auch hier ist es möglich, negative Emissionen durch Abscheidung und Speicherung der Produkte zu erzielen. Zusätzlich ist es möglich, die Produkte von BECCS und PyCCS als Düngemittel für die Landwirtschaft einzusetzen.

Hydrothermale Karbonisierung (HTC)

Die hydrothermale Karbonisierung ist ein effizientes Verfahren zur Umwandlung von wasserhaltiger Biomasse (Klärschlamm, Grünschnitt, Trester, etc.) in braunkohleartigen Kohlenstoff, der zu hochwertigen Kohlenstoffprodukten weiterverarbeitet oder zur dauerhaften Entfernung aus dem CO2-Kreislauf deponiert werden kann. Bei der hydrothermalen Karbonisierung wird nutzbare Wärmeenergie frei und sie kann dezentral in Klärwerken, Biogasanlagen und landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt werden.

Mehr Wald für den Klimaschutz

Neben den technischen Methoden zur Steigerung negativer CO2-Emissionen gilt es „Mehr Wald für den Klimaschutz“ voranzutreiben. Bäume und Wälder speichern CO2 aus der Luft mittels Sonnenenergie. Wird das Holz der Wälder in Kaskaden in Feststoffen genutzt, entsteht ein CO2-Speicher. Die Aufforstungspotentiale liegen weltweit bei 350 Millionen Hektar. Um diese zu realisieren und damit einen wesentlichen und schnell möglichen Beitrag zu Negativemissionen zu schaffen, müssen Mittel aus dem Sondervermögen des Energie- und Klimafonds auch für internationale Vorhaben eingesetzt werden können. Eine öffentlich kontrollierte Börse für Waldzertifikate sollte bei der KFW realisiert werden. Über diese Börse werden private Gelder für die Negativemissionen mobilisiert, der bisherige Graumarkt wird abgelöst.

Fazit:

Um den Übergang in eine „dekarbonisierte Zukunft“ sozial und wirtschaftlich sinnvoll zu begleiten, neuen Technologien eine Chance zu geben und Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, fordern wir:

  • eine Erhöhung der Mittel für die staatliche Anschubfinanzierung deutscher „Carbon Capture“- Technik,
  • die genaue Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit von „Carbon Capture“-Technologien durch staatlich finanzierte Modellprojekte,
  • eine Förderung oder steuerliche Vergünstigung für privatwirtschaftliche Gründungen von Ingenieurs- und Produktionsfirmen, sofern sie negative Emissionen als ihr wirtschaftliches Hauptziel haben,
  • dass Unternehmen, die CO2 dauerhaft binden, Emissionszertifikate erhalten unabhängig von der verwendeten Technologie. Sie können diese Zertifikate vermarkten und haben so einen technologieoffenen Anreiz für effiziente negative Emissionen,
  • die Einbeziehung von Negativemissionszertifikaten in den europäischen Emissionshandel, um die aktive und dauerhafte Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre wirtschaftlich zu belohnen,
  • eine Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen (Abfallrecht, Düngemittelverordnung, etc.), um die Deponierung von Kohlenstoff aus Biomasse zu ermöglichen und sinnvoll zu regeln,
  • Investitionen des Staates in private Wagniskapitalfonds, die in Start-Ups im Bereich DAC/CCU/CCS investieren und ein dezidiertes Impact-Measurement bei Investitionsentscheidungen durchführen.

Nur so werden wir erreichen, dass die Technik im zweiten großen Arm des Kampfes gegen den Klimawandel – der Abbau bzw. die Bindung von CO2 – in Deutschland mitentwickelt statt verschlafen wird und die deutsche Ingenieurskunst und Wirtschaft einerseits ihren Teil an diesem großen Projekt unserer Zeit leisten können, andererseits der Wirtschaftsstandort Deutschland und die Bundesrepublik auch die Gewinne und Anerkennung erfahren, die eines solchen Beitrags würdig sind.

Begründung 

Erfolgt mündlich.