Antragsbuch für den 76. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Baden-Württemberg

Wirtschaftswende jetzt!

Wirtschaftswende jetzt!

Deutschland steckt in einer tiefgreifenden systemischen Krise: Inflation, steigende Sozial- und Energiekosten, überbordende Bürokratie und das Wegbrechen von Fachkräften durch den fortschreitenden demografischen Wandel schwächen die Wirtschaft und gefährden sowohl die Produktionskraft als auch die Wettbewerbsfähigkeit.

Insbesondere der Mittelstand leidet unter den verschlechterten wirtschaftlichen Standortbedingungen in Deutschland, die nicht mehr mit anderen Wirtschaftsräumen mithalten können. Die Wirtschaft steht an einem Scheideweg: Nach einem Jahrzehnt des Aufschwungs treten die Bruchstellen unseres bisherigen Wirtschaftsmodells, die lange Zeit durch eine rasante Abfolge von Krisen überdeckt wurden, nun immer deutlicher zutage.

Ein „Weiter so“ wird es daher mit den Freien Demokraten nicht geben.

Bürokratie konsequent reduzieren

Die Bürokratie in allen Bereichen lähmt die Wirtschaft und frustriert die Menschen. Wir fordern:

  • Konsequent für jede neue Bundes- oder Landesregelung zwei bestehende abzuschaffen (sogenannte „One in, two out-Regel"). Das gilt sowohl für neue Gesetze als auch für Vollzugs-, Kontroll- und Statistikanforderungen.
  • Zusätzlich im Grundgesetz eine Bürokratiebremse analog zur Schuldenbremse zu verankern. Die „One in, two out-Regel“ sollte verfassungsrechtlich abgesichert werden und bei der Berechnung des Erfüllungsaufwands auch europäische Gesetzgebung erfassen. Dies würde alle politischen Parteien dazu zwingen, Ankündigungen auch konkrete Taten folgen zu lassen.
  • Regulierung systematisch mit einer sogenannten „Sunset-Klausel“, also einem Ablaufdatum, zu versehen. Regeln, die sich nicht bewährt haben, müssen entfallen.
  • Den Verzicht auf jede Form des sogenannten „Gold-Plating“. Europäische Regeln sollen grundsätzlich nur 1:1 umgesetzt werden. Das vorgeschriebene Minimum ist ausreichend und darf nicht durch bundesdeutsche oder länderspezifische Regeln verschärft werden. Solches Gold-Plating widerspricht darüber hinaus dem Ziel der Harmonisierung im europäischen Binnenmarkt.
  • Vollständige Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und der EU-Lieferkettenrichtlinie.
  • Stopp des Tariftreuegesetzes, des Entgelttransparenzgesetzes, des Beschäftigtendatenschutzgesetzes und der arbeitgeberfinanzierten Familienstartzeit.
  • Sofortiger Wegfall der „Bonpflicht“ (Belegausgabepflicht).
  • Einführung eines Streikgesetzes, das verlässliche Prinzipien für Streiks nachvollziehbar für alle Beteiligten regelt.
  • Die Einführung der Familienstartzeit, ohne Belastung der Arbeitgeber.

Die Länder im Fokus

  • Überall dort, wo Doppelstrukturen das staatliche Handeln beim Bürokratieabbau prägen, müssen alle Instanzen zu einer einzigen, dafür aber wirksamen Institution zusammengeführt werden.
  • Tariftreue- und branchenspezifische Mindestlohngesetze sind sowohl auf Bundes- als auch Landesebene völlig aus der Zeit gefallen, wenn es parallel einen bundesweit geltenden Mindestlohn gibt. Auch ein Bildungszeitgesetz braucht es in Zeiten des Fachkräftemangels nicht, denn jedes Unternehmen muss ein inhärentes Interesse daran haben, seine Mitarbeiter fach- und sachgerecht weiterzubilden. Demgegenüber stehen fachfremde Vergabekriterien, die eine Reform des Vergaberechts in etlichen Bundesländern dringend notwendig machen. Auch auf eine Reform der Landesbauordnungen, die nicht nur den Wohnungsbau wieder voranbringt, sondern auch der Baubranche hilft, wartet man weiterhin vergeblich. Es wird immer deutlicher: Echte Reformen auf diesen Gebieten sind nur in einer Regierung mit den Freien Demokraten möglich.

Digitalisierung – Der Schlüssel für eine effiziente Wirtschaft

Wir fordern eine konsequente Digitalisierung, die Prozesse vereinfacht, Bürokratie abbaut und Unternehmen sowie Bürger entlastet:

  • Digital statt Papier: Die Kommunikation zwischen Staat und Unternehmen soll vollständig digital erfolgen. Papier gehört der Vergangenheit an.
  • Digitale Unternehmensgründung: Nach dem Vorbild Estlands muss die Gründung von Unternehmen vollständig digital und binnen Minuten möglich sein.
  • One-Stop-Shops für Unternehmen: Der gesamte Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Behörden soll über zentrale digitale Portale erfolgen, ähnlich der BundID für Bürger.

Mit diesen Maßnahmen stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, fördern Innovationen und schaffen eine moderne, zukunftsfähige Wirtschaft.

Leistungsbereitschaft steigern und gemeinsam profitieren

Die Menschen in Deutschland sind leistungsbereit. Neben der Bürokratie lähmen starre Arbeitszeitregeln, die kalte Progression und ein überbordender Sozialstaat jedoch den Einsatzwillen der Menschen.

Damit sich Leistung wieder lohnt und staatliche Leistungsanreize gesetzt werden, fordern wir daher

  • Mehr Netto vom Brutto durch eine spürbare Anhebung des Grundfreibetrags, den vollständigen Wegfall des Solidaritätszuschlags, Steuerfreiheit für Mehrarbeit Vollzeitbeschäftigter und steuervergünstigte Prämienmodelle für die Ausweitung der Arbeitszeit hin zu Vollzeitarbeit.
  • Mehr Netto vom Brutto durch einen Einkommensteuertarif auf Rädern, welcher die Inflation ausgleicht, Steuerfreiheit für Mehrarbeit und steuervergünstigte Prämienmodelle für die Ausweitung der Arbeitszeit hin zu Vollzeitarbeit und den vollständigen Wegfall des Solidaritätszuschlags.
  • Um die leistungstragende Mitte der Arbeitnehmer gezielt zu entlasten, müssen weitere Anstiege der Sozialversicherungsbeiträge verhindert und diese mittelfristig gesenkt werden. Der Staat muss hierfür die vollen Kosten für Leistungsbezieher übernehmen, statt diese durch Beitragszahler querzufinanzieren. Gleichzeitig sind eine umfassende Digitalisierung, Entbürokratisierung und langfristige Reformen der Sozialversicherungen notwendig, um deren Zukunftsfähigkeit zu sichern.
  • Die tägliche Höchstarbeit soll durch eine flexiblere Wochenarbeitszeit ersetzt werden. Starre Ruhezeitregeln sollen flexibilisiert werden.
  • Arbeit im Rentenalter soll zu mehr Nettolohn führen – zum Beispiel durch Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge für die Rentenversicherung. Wir vertreten eine anreizbasierte Politik: Wer im Alter freiwillig weiter arbeiten will, für den muss es sich direkt lohnen. Um negative Effekte abzumildern und positive Anreize zu setzen, mit den eigenen Erfahrungen weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, wollen wir für Rentner und Pensionäre ab Renteneintrittsalter ermöglichen, zeitgleich zur Rente bei vollem Rentenbezug weiter zu arbeiten.
  • Das Bürgergeld muss überarbeitet werden. Schon jetzt fordern wir eine Nullrunde für das Jahr 2025.
  • Wer arbeiten kann, muss zumutbare Arbeit annehmen. Was als „zumutbar“ gilt, muss überarbeitet werden und darf nicht mehr nur aus der Sicht der Verpflichteten betrachtet werden, sondern mehr aus der Sicht derer, welche die Transferleistungen durch ihre Arbeit erwirtschaften. Es ist schwer zu erklären, dass Arbeit, die von einer Person ausgeübt wird, für eine andere als „unzumutbar“ gilt. 

Europäisches Tempo statt Alleingänge in der Energiepolitik

Die Klimapolitik zur Eindämmung des Klimawandels muss zwar ein Leitfaden sein, nationale Alleingänge Deutschlands sind jedoch fehl am Platz. Selbiges gilt für unnötige klimapolitische Regulierungen und Subventionen. Mit dem europäischen Emissionshandel besteht bereits ein effektives und zielgerichtetes Leitinstrument, das gestärkt werden muss.

 Die Freien Demokraten fordern daher:

  • Die nationalen Alleingänge in der Klimapolitik zu beenden, insbesondere das nationale Klimaziel 2045 sowie das Landesklimaziel 2040 auf das europäische Ziel 2050 anzupassen.
  • Nach der Verteuerung von Gas, Kohlekraftwerke wieder verstärkt als Übergangsenergieträge im Energiemix zu berücksichtigen. Sofern notwendig, kann die Verwendung von CCS (Carbon Capture and Storage) Auswirkungen auf den CO2 Ausstoß in Grenzen gehalten werden.
  • Gleichzeitig ist die Entwicklung von wirtschaftlichen Energiespeichern voranzutreiben, da diese Speicher regenerative Energieüberschüsse aufnehmen, und Energieschwankungen im Netz ohne die Zunahme fossiler Kraftwerke ausgleichen. Dies soll die Kosten des Netzbetriebes und damit die Netzentgelte für Bürger und Industrie senken.
  • Die staatliche Limitierung der Energieerzeugung auf die Internalisierung externer Kosten und den europäischen Reduktionspfad für den Ausstoß von Treibhausgasen zu beschränken. Dies betrifft insbesondere die Verbote zur Energieerzeugung mittels Kohle- und Kernkraft.
  • Internationale Rohstoffvereinbarungen unter Berücksichtigung des Ausbaus einer Wasserstoffwirtschaft und Derivaten aus Wasserstoff (klimaneutrale Kraftstoffe).
  • Neue Energieumwandlungsformen wie die Kernfusion als Option für die Zukunft zu fördern, indem wir sie in der Regulierung aus dem Atomrecht entlassen und einen eigenen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen schaffen.
  • Dass heimische Ressourcen ihren Teil zu einer unabhängigeren Energieversorgung und damit Preisstabilität bei den Energiepreisen beitragen, indem wir bürokratische Hürden abbauen, die den Ausbau von Netzen, Speichern und regenerativen Energien erschweren und das Wasserhaushaltsgesetz so zu ändern, dass die Erschließung von Schiefergasvorkommen ermöglicht wird.
  • Die EEG-Förderung für künftige Projekte zu beenden.

Wirtschaft entfesseln statt staatlich lenken

Damit unsere Unternehmen im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben, bedarf es jedoch weitere Entlastungen, die über einen reinen Abbau von Bürokratie und Vorgaben hinausgehen. Technologieoffenheit ermöglicht den Unternehmen, Innovationen zu entwickeln und sich dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu stellen. So kann erfolgreiche Ressourcenschonung mit innovationsstarkem Wirtschaften in Einklang gebracht werden. Dazu benötigt es jedoch auch Rahmenbedingungen, die in Deutschland investieren lassen.

 Die FDP wird

  • Unternehmenssteuern auf eine effektive Belastung von 25% deckeln.
  • Eine Überarbeitung des Steuerrechts mit dem Ziel einer vereinfachten Unternehmenssteuer, auch im Hinblick auf eine Angleichung der Regeln mit der Gewerbesteuer umsetzen.
  • Die degressive Abschreibung bis 2029 und Gruppenabschreibungen für Anschaffungen unter 5000 Euro fortsetzen.
  • Technologieoffenheit auch in der Mobilität realisieren – Flottengrenzwerte und damit das Verbrenner-Aus in Europa abschaffen!
  • Das deutsche Energieeffizienzgesetz (EnEfG) auf die Mindestanforderungen aus der europäischen Energieeffizienzrichtlinie (EED) reduzieren und auf europäischer Ebene auf die komplette Abschaffung hinwirken.

Die Krise als Chance für Deutschland

Uns Freien Demokraten ist bewusst, dass eine Reformagenda nie abschließend sein kann. Der Weg zu echten Reformen ist auch nicht leicht, nicht ohne Herausforderungen und nie ohne Widerstand. Und dennoch glauben wir fest daran, dass Deutschland gerade in der Krise die Kraft hat, Reformen anzupacken und durchzuführen: Damit die Zukunft unserer Wirtschaft und die Aufstiegs- und Lebenschancen unserer Kinder gesichert werden.


Begründung:

Erfolgt mündlich.

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