BÜTTNER-Gastbeitrag: Was der Staat können muss – und was nicht

Die FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner schrieb für „focusplus.de“ (Mittwoch) den folgenden Gastbeitrag:

Wenn der Bundestag diesen Monat über den Haushalt verhandelt, geht es um mehr als Zahlen. Es geht um Grundsatzfragen: Wozu ist der Staat eigentlich da? Was sind seine Kernaufgaben – und was nicht? Die Antwort der Freien Demokraten ist klar: Deutschland braucht Prioritätensetzung statt Wünsch-dir-was-Politik.

Der liberale Staat hat eine zentrale Aufgabe: Er muss Sicherheit garantieren und die individuellen Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger schützen. Denn Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit. Doch genau an dieser Stelle ist der Staat derzeit überfordert. Deutschland ist nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Unsere innere Sicherheit steht unter Druck. Und die EU-Außengrenzen sind nach wie vor lückenhaft geschützt. Zugleich leisten wir uns einen umfassend ausgebauten Sozialstaat, der weltweit seinesgleichen sucht. Das erzeugt eine Schieflage.

Der Sozialstaat lebt vom Vertrauen der arbeitenden Bevölkerung. Menschen, die täglich Leistung erbringen, finanzieren Renten, Gesundheitsversorgung, Bürgergeld und viele weitere Ausgaben. Die arbeitende Mitte ist aber nicht die Melkkuh der Nation, über deren Steuermittel die Politik bedingungslos verfügen kann. Berufstätige erheben zu Recht den Anspruch, dass der Staat seine Kernaufgaben erfüllt, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Doch das tut er nicht.

Die unbequeme Wahrheit ist, dass wir uns von dem, was in Deutschland aktuell erwirtschaftet wird, nicht alles gleichzeitig leisten können. Denn was oft vergessen wird: Der Wohlstand, den wir heute für selbstverständlich halten, wurde über Jahrzehnte hart erarbeitet – in Zeiten höchster Produktivität, mit hoher Wochenarbeitszeit und im Vertrauen auf den Aufstieg durch Leistung. Heute diskutieren wir darüber, ob „Lust auf Arbeit“ ein politisches Kriterium ist. Dabei braucht Deutschland mehr Leistung, nicht mehr Lethargie.

Denn gleichzeitig steigt der Bedarf an staatlichen Leistungen: für Sicherheit, für Verteidigung, für die Modernisierung unserer Infrastruktur. Doch der Staat kann nicht alles gleichzeitig finanzieren. Deshalb müssen Prioritäten gesetzt werden.

In Zeiten steigender Ausgaben und knapper Kassen sind drei Konsequenzen unausweichlich: Erstens muss bei den Haushaltsverhandlungen das Prinzip „Sicherheit zuerst“ gelten. Ein ehrlicher Haushalt beginnt damit, dass wir die Ausgaben für die Kernaufgaben des Staates – innere und äußere Sicherheit, Justiz, kritische Infrastruktur – ganz oben auf das Blatt schreiben. Dann folgen Investitionen in Bildung, Forschung und Digitalisierung, die Zukunft schaffen. Erst danach können wir über Umverteilung und Transferleistungen sprechen. Subventionen und Bürgergeld müssen auf den Prüfstand. Auch gut gemeinte Maßnahmen dürfen die arbeitende Bevölkerung nicht übermäßig belasten oder auf Kosten kommender Generationen finanziert werden. Denn die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen. Unsere Kinder sollen nicht unsere Sicherheit und Infrastruktur bezahlen müssen, nur damit wir mit den laufenden Steuereinnahmen einen Sozialstaat finanzieren, den wir uns eigentlich nicht mehr leisten können.

Zweitens müssen wir unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen, wenn wir es mit der „Zeitenwende“ ernst meinen. Mehr Ausgaben erfordern mehr Wachstum. Das heißt: mehr Anreize für Arbeit, mehr Leistungsbereitschaft, mehr private Investitionen. Denn die Herausforderungen unserer Zeit werden wir nicht durch Nichtstun bewältigen. Eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit oder ein späterer Renteneintritt mögen unbequem klingen – aber sie sind ehrlich. Auch Transferleistungen müssen neu justiert werden: Wer arbeiten kann, soll arbeiten. Wer Unterstützung braucht, bekommt sie – aber gezielt, nicht pauschal.

Drittens gilt: Eine einmalige Sonderverschuldung zur Wiederherstellung unserer Verteidigungsfähigkeit kann gerechtfertigt sein. Aber sie darf kein Dauerinstrument werden. Schulden sind eine einfache Antwort, doch sie schränken die Freiheit der nächsten Generation ein, eigene Prioritäten zu setzen. Wir sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig, ihnen ein sicheres, stabiles und freies Land zu hinterlassen – und keine Ruine auf einem Schuldenberg. Nur so können sie sich frei entfalten und eine eigene Zukunft aufbauen.

Es braucht jetzt einen Staat, der stark ist in dem, was er leisten muss – und sich zurücknimmt, wo er nicht gebraucht wird. Das ist keine Kürzungspolitik, sondern Prioritätenpolitik. Sie ist nichts weniger als liberale Vernunft und das zwingende Gebot der Stunde.

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