BÜTTNER-Interview: Die FDP ist die Stimme für Aufbruch und konsequente Erneuerung
Die FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner gab ntv.de das folgende Interview. Die Fragen stellte Volker Petersen:
Frage: Frau Büttner, sind die Kommunalwahlen in NRW die wichtigsten Kommunalwahlen aller Zeiten für die FDP?
Büttner: Unser Ziel ist, dass jede Wahl eine Wahl für die gesamte Partei ist, ob Kommunalwahl oder Landtagswahl. Die Stimmung vor Ort ist gut, ich spüre eine gute Energie. Gleichwohl ist es noch sehr kurz nach dem Neustart beim Parteitag im Mai.
Frage: Kommt die Wahl vielleicht zu früh nach dem Abschied von Christian Lindner und dem Neustart mit Christian Dürr und Ihnen an der Spitze?
Büttner: Man kann sich Wahlen nicht aussuchen. Wahlen kommen, wenn sie kommen.
Frage: Was wäre ein gutes Ergebnis — landesweit fünf Prozent?
Büttner: Beim letzten Mal hatten wir über fünf Prozent. Ich habe in den letzten Wochen einige Termine mit unseren Kommunalwahlkämpfern begleitet, Gespräche an Haustüren geführt. Mir ist wichtig, dass uns die Menschen wieder Vertrauen entgegenbringen.
Frage: Sehen Sie die Wahl als Stimmungstest für das Standing der FDP?
Büttner: Die Wahl verdeutlicht uns noch einmal die Dringlichkeit, unsere Positionen radikal, deutlich und auch manchmal unbequem zu vertreten. Sie müssen unmissverständlich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Deshalb treiben wir auch unsere Reformvorhaben in der Partei entschlossen voran. Wir wollen zeigen: Die FDP ist die Stimme für Aufbruch und konsequente Erneuerung.
Frage: Warum soll ich auf kommunaler Ebene die FDP wählen? Woran erkenne ich die FDP-Handschrift?
Büttner: Wann waren Sie das letzte Mal in NRW? Ich war dort viel mit dem Auto unterwegs. Ich stand nur im Stau, unfassbar. Ob in der Stadt oder auf der Autobahn — die Menschen erwarten pragmatische Politik, die dem Alltag der Pendler Rechnung trägt. Da hat die FDP eine sehr klare Haltung. Nur ein Punkt ist etwa, dass wir bessere Verkehrswege und mehr Parkplätze brauchen.
Frage: Der Klassiker beim Thema Verkehr wäre: Freie Fahrt für freie Bürger. Trifft es das oder wäre das zu einfach?
Büttner: Das wäre zu kurz gegriffen. Aber die Verkehrspolitik muss den Bürgern dienen und sie nicht umerziehen. Es gibt gute Verkehrskonzepte, wir wollen einen funktionierenden ÖPNV. Aber wenn im Rat Stimmen sagen: Ich fahr gerne Fahrrad und mir sind die Staus egal, sollen die Leute doch mehr Bahn fahren — da machen wir nicht mit.
Frage: Also mehr Straßen bauen? Oder ÖPNV stärken?
Büttner: Das kann man nicht über einen Kamm scheren. Im ländlichen Raum können Sie den ÖPNV in der Fläche nicht so ausbauen, dass Sie aufs Auto verzichten können. Wir sind da aber nicht verbohrt. Wir brauchen die Bahn. Aber Verkehrskonzepte müssen ganzheitlich sein. Auf das Auto werden die Menschen vielerorts nicht verzichten können.
Frage: Ein Wahlkampfschlager ist die Sanierung von Schultoiletten. Dabei kann das Sondervermögen Infrastruktur helfen. Ist es nicht eine gute Nachricht, dass es diese Mittel gibt?
Büttner: Da sprechen Sie ein wichtiges Thema an: Priorisierung. Wofür gibt der Staat sein Geld aus? Wir sind die Ersten, die sagen: Wir müssen in innere und äußere Sicherheit, Infrastruktur und Bildung investieren. Das sind essenzielle staatliche Aufgaben. Solche Aufgaben muss eine Bundesregierung aber aus dem Kernhaushalt finanzieren und nicht Sondervermögen schaffen. Wir müssen diese Priorisierungsdebatte führen. Der Schwarz-roten Regierung ist sie aber zu unbequem. Sie verteilt lieber Geschenke. Das können wir uns aber nicht mehr leisten.
Frage: Nun haben wir aber dieses Sondervermögen.
Büttner: Ich hoffe, das Geld kommt wirklich in den Kommunen an und fließt tatsächlich in sinnvolle Zukunftsprojekte. Aber wo ist der Plan, wie das Geld investiert wird? Darauf warte ich noch. Das Geld muss tatsächlich investiert werden und nicht in Projekten wie der Mütterrente konsumiert werden. Da mache ich mir gerade Sorgen und ich glaube, ich bin nicht die Einzige. Die Bundesregierung ist es den Bürgern schuldig, die Mittel transparent und produktiv einzusetzen. Alles andere ist eine gezielte Täuschung der Bevölkerung.
Frage: Sie sind eine der führenden KI-Unternehmerinnen in Deutschland, haben eine große Firma aufgebaut. Aber im Wahlkampf haben Sie Haustürwahlkampf in Bielefeld gemacht. War das eine große Umstellung?
Büttner: Ich glaube, der Kontrast ist gar nicht so groß. Wenn wir gute Software-Produkte bauen wollen, müssen wir ganz nah am Kunden sein. Wir müssen genau verstehen, was sie wollen und was sie brauchen. Die Philosophie ist sehr hands-on. Das ist auch am Wahlkampf das Spannende: zu verstehen, was Menschen umtreibt und wie man das in gute Politik umsetzen kann. Mir macht das Spaß. Viele machen sich Sorgen um die Schulden, Verkehr und Schule sind Themen gewesen. Die Menschen machen sich Sorgen, wie es in Deutschland weitergeht.
Frage: Wie könnte denn KI einer Kommunalverwaltung helfen?
Büttner: Man kann zahlreiche Antragsverfahren vereinfachen, für Wohngeld, Bau oder Aufenthalt. Schritte, die man einfach überprüfen kann, ließen sich mit KI abkürzen. So spart man die Sachbearbeiterzeit. Ich glaube, wir werden da gar nicht drumherum kommen. Denn viele Kommunen haben offene Stellen und suchen händeringend Leute.
Frage: Nutzen Sie KI schon für die Partei?
Büttner: Ja. KI erlaubt uns, Rückmeldungen von Parteimitgliedern und Bürgerinnen und Bürgern systematisch aufzuarbeiten. Wir nutzen das zum Beispiel im Grundsatzprogrammprozess. Schon rund 7000 Leute haben sich beteiligt, davon ein Drittel Nichtmitglieder. Man kann eine Sprach- oder Textnachricht auf unserer Webseite und App eingeben. Diese Rückmeldungen sammeln wir und können daraus Themencluster bilden. Das ist nicht repräsentativ, aber eine Art Seismograf. So verstehen wir besser, was die Leute bewegt. Ohne KI würde es Wochen und Monate dauern, Tausende Nachrichten durchzuarbeiten.
Frage: Warum lässt man die KI nicht gleich das Grundsatzprogramm schreiben?
Büttner: Bei der Arbeit am Grundsatzprogramm geht es um Werte und Haltung. Das kann KI nicht ersetzen. Diese Debatten müssen wir schon selbst führen. In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Was ist das liberale Zukunftsbild? Wir geben den Rahmen vor. KI kann man für Optimierungen nutzen, als Werkzeug auf dem Weg dorthin.
Frage: Sie haben in einem Podcast gesagt, wir leiden an Untermut. Was meinten Sie damit?
Büttner: Schauen Sie sich doch mal um. Es fehlt in unserem Land am Willen zum Aufbruch und echter Erneuerung. Überall hat sich dieser Untermut eingeschliffen. Das sehen wir an den Vorhaben der Bundesregierung. Die sind nicht mutig. Da geht es um zwei Prozent mal hier oder zwei Prozent dort. Aber nicht um die großen Hebel. Die Amerikaner würden vom Mindset sprechen. Es fehlt an Mut, an Entschlossenheit. Wir brauchen vielleicht nicht direkt Übermut, aber mehr Mut auf jeden Fall. Deutschland steckt voller Potenzial, kluger Köpfe und Kapital — die Politik muss nur die Fesseln lösen.