CZAJA-Interview: Berlin spielt ständig Behörden-Pingpong - das müssen wir auflösen.

FDP-Präsidiumsmitglied und Spitzenkandidat zur Berliner Abgeordnetenhauswahl Sebastian Czaja gab „t-online.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Florian Schmidt:

Frage: Herr Czaja, was kann Berlin eigentlich?

Czaja: Diese Frage stellen sich angesichts der Wiederholungswahl viele in Deutschland, und das auch zu Recht. Berlin ist eine großartige Stadt, aber sie hat eben auch große Probleme.

Frage: Was Sie nicht sagen.

Czaja: Ich kann verstehen, dass sich abseits Berlins viele ins Fäustchen lachen. Aber es ist tatsächlich so: Unsere Hauptstadt hat Wachstumsschmerzen, die sich im Alltag der Menschen immer stärker zeigen. Die Berliner bekommen keine Termine beim Bürgeramt, sie kriegen keine Baugenehmigungen, sie müssen zum Teil monatelang warten, wenn sie heiraten wollen. Ist doch klar, dass sich da der Eindruck aufdrängt: Hier funktioniert nichts. Genau das müssen wir ändern.

Frage: Das sagen alle. Nur wie soll das gehen?

Czaja: Dafür braucht es auf Landesebene erst einmal eine Koalition, die den Ernst der Lage erkennt – und die offensichtlichsten Dinge anpackt. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen.

Frage: Gern.

Czaja: Berlin ist die Stadt, in der es die meisten Auseinandersetzungen mit Klimaklebern gibt. Das liegt auch daran, dass die Politik die Aktionen der Protestler still toleriert. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen einen funktionierenden Rechtsstaat, der konsequent gegen Straftaten vorgeht und Gesetze umsetzt. Wenn das der Fall ist, können wir über weitere Schritte sprechen.

Frage: Die wären?

Czaja: Eines unserer wichtigsten Ziele ist die Abschaffung der zweiten Verwaltungsebene, die Entmachtung der Bezirke, was …

Frage: … in den Ohren vieler so klingt: total öde.

Czaja: Aber das ist es gar nicht. Berlin funktioniert auch deshalb nicht, weil hier zu viele Behörden und Ämter im immer selben Brei herumrühren. An der Sanierung eines einzigen Schulklos tüfteln in Berlin vier Ämter herum – und am Ende will keiner für irgendetwas die Verantwortung übernehmen. Berlin spielt ständig Behörden-Pingpong. Das müssen wir auflösen.

Frage: Ein Thema, wo Berlin wie ein Brennglas der Republik wirkt, ist der angespannte Wohnungsmarkt. Sie plakatieren den Spruch „Berlin ist schön. Bauen wir mehr davon“, wollen das Wohnungsangebot erweitern. Wie soll das klappen, wenn die Inflation die Baukosten hochtreibt und gleichzeitig die Zinsen steigen?

Czaja: Indem wir erst einmal wieder ein politisches Umfeld schaffen, in dem Bauherren überhaupt Lust haben, in Berlin Gebäude zu errichten. Dafür gilt zunächst: In Berlin darf es keine Enteignungen geben. Wenn Grüne und Linkspartei weiter davon fabulieren, verhindert das den Bau neuer Wohnungen. Und wenn die Bauämter Jahre für die Genehmigung von Baustellen brauchen, gehen Investoren lieber woanders hin.

Frage: Das beantwortet nicht meine Frage. Noch einmal: Was setzen Sie den steigenden Kosten entgegen, was den immer höheren Zinsen zur Baufinanzierung?

Czaja: Wir müssen mit der Wohnungswirtschaft, mit den privaten Bauherren, aber auch den kommunalen Wohnungsgesellschaften und den Baugenossenschaften darüber sprechen, wie wir sie gezielt unterstützen können. Denkbar wären da etwa finanzielle Förderungen, um die die gestiegenen Kosten abzufedern – damit am Ende endlich mehr gebaut wird.

Frage: Das sind alles spannende Ideen. Aber offenbar finden die nur wenige gut: In Umfragen pendelt die FDP in Berlin zwischen 6 und 7 Prozent. Warum tut sich eine liberale Partei in der Stadt der Freiheit so schwer?

Czaja: Da können wir noch einen obendrauf legen, das stimmt. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass wir es in Berlin schwer haben, ganz im Gegenteil. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Neuwahl jetzt ein positives Signal des Aufbruchs machen kann.

Frage: Sie buhlen mit Ihrem Programm vor allem um bürgerlich-konservative Wähler. Um einen obendrauf zu legen, könnten Sie sich ja auch stärker für andere Milieus öffnen, für Berliner, die aktuell eher die Grünen wählen zum Beispiel.

Czaja: Die Grünen haben in Berlin ihr Spiegelbild bei den Linken. Für uns ist es keine Option, um Wähler zu werben, die für Enteignungen sind, die dafür sind, bei der Verkehrswende Rad- und Autofahrer gegeneinander auszuspielen.

Frage: Wie oft fahren Sie selbst eigentlich Fahrrad in Berlin?

Czaja: Im Augenblick weniger.

Frage: Und sonst?

Czaja: Im Sommer öfter.

Frage: Wohin?

Czaja: Privat, bei Radtouren, oder im Kiez mit der Familie.

Frage: Die Fragen zielen auf einen Grundkonflikt Berlins ab, auf die Debatte, wem die Straße gehört – dem Auto oder dem Fahrrad. Können Sie Berlin aus der Sicht eines Radfahrers überhaupt wahrnehmen?

Czaja: Ja, natürlich. Und ich mache unsere Inhalte ja auch nicht allein. Einige meiner Kollegen kommen jeden Tag mit dem Rad ins Büro. Deshalb machen wir auch viele Vorschläge für einen besseren Radverkehr. Zum Beispiel Vorrangschaltungen an Ampeln, zum Beispiel ein umfassendes Nebenstraßennetz, in dem Radfahrer Priorität haben. Bei den Radwegen wollen wir nicht den Wettbewerb um den schnellsten Bau gewinnen, sondern vor allem sichere Radwege bauen.

Frage: Alles Punkte, die auch den Grünen und ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch gefallen dürften. Trotzdem haben Sie eine Koalition unter deren Führung ausgeschlossen. Warum?

Czaja: Das sage ich so deutlich, weil es einen Unterschied macht, wer mit der Richtlinienkompetenz eines Regierenden Bürgermeisters den Berliner Senat anführt. Wenn wir uns anschauen, wie Frau Jarasch schon jetzt als Verkehrssenatorin Verkehrspolitik macht, darf sie nicht einmal in die Nähe des Roten Rathauses gelangen. Sie hat für ständige Konfrontationen gesorgt, für Ärger auf allen Seiten. Keiner spaltet Berlin mehr als sie. Frau Jarasch nimmt für ihre Vorhaben die ganze Stadt in Geiselhaft. Da gibt es ja kaum noch einen Unterschied zur „Letzten Generation“.

Frage: Wenn Sie Frau Jarasch nicht zur Bürgermeisterin machen wollen – wer sollte es dann werden?

Czaja: Wir haben gesagt, wir wollen eine Koalition der Mitte für Berlin, aus der heraus wir große Reformen angehen können. Wir können uns deshalb gut eine Deutschland-Koalition mit CDU und SPD vorstellen.

Frage: Das ist jetzt Ihr dritter Wahlkampf für die FDP als Spitzenkandidat. Wird Ihnen noch nicht langweilig?

Czaja: Diese Stadt kann einen gar nicht langweilen – weil sie einen jeden Tag fordert und überrascht. Was mich aber wirklich ernüchtern würde, wäre, wenn Berlin jetzt, bei den vielen Problemen, die in dieser Stadt zutage treten, wieder so wählt wie immer.

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