DJIR-SARAI/HAGEN-Statement: Überregulierung aus der Europäischen Union verhindern

Im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums der Freien Demokraten gaben der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und FDP-Präsidiumsmitglied und Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Bayern Martin Hagen die folgenden Statements ab:

Djir-Sarai: Wir haben heute im Präsidium zunächst über die aktuelle politische Lage im Land gesprochen. Wir haben über die wirtschaftliche Entwicklung gesprochen, über die haushalts- und finanzpolitische Situation. Wir haben auch eine Nachbetrachtung der Prozesse beim Gebäudeenergiegesetz vorgenommen. Und wir haben einen Beschluss gefasst mit dem Titel „Mehr Fortschritt, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in der EU durch weniger Bürokratie“. Wir fangen damit an, anschließend ergänze ich ein paar Punkte zur wirtschaftlichen Situation im Land und zum Erscheinungsbild der Bundesregierung. Zur Ausführung des Präsidiumsbeschlusses hat jetzt mein Kollege Martin Hagen das Wort.

Hagen: Ich bin als Wahlkämpfer in Bayern momentan viel im Land unterwegs, spreche sehr viel gerade mit mittelständischen Unternehmen und höre immer wieder, dass neben den Themen Energie und Lieferketten auch der Bürokratieabbau ein ganz großes Thema ist. Wenn ich mit Unternehmern in Bayern spreche, und ich vermute, das wird in anderen Regionen Deutschlands genauso sein, und sie frage: Woran liegt es denn konkret, was sind die Themen, die euch beschäftigen, dann wird immer aufgezählt dies und das, aber das käme ja überwiegend gar nicht von Bund und Land, sondern aus Europa. Und das klingt dann immer wie etwas Abstraktes, worauf man keinen Einfluss hat. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir sagen: Nein, Brüssel ist nicht irgendetwas Abstraktes. Das ist nichts, was vom Himmel fällt, was von dort an Gesetzgebung und Rechtsetzung kommt. Die EU-Kommission hat eine Vorsitzende, die hat einen Namen und ein Parteibuch.

Wir haben ja in Deutschland gerade eine Debatte erlebt, bei der die Parteifreunde der Kommissionspräsidentin, Markus Söder und Friedrich Merz, sehr scharf das Gebäudeenergiegesetz kritisiert haben, das die FDP jetzt vom Kopf auf die Füße gestellt hat und gerade zu einem guten Gesetz entwickelt. Gleichzeitig verlieren sie aber kein Wort darüber, dass unter der Federführung ihrer eigenen Kommissionspräsidentin und designierten Spitzenkandidatin von CDU und CSU in Brüssel etwas entwickelt wird, was noch weit über das deutsche Gesetz hinausgeht, nämlich die Öko-Design-Richtlinie und den drohenden Sanierungszwang. Damit kommen Kosten und Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger zu, die weit über das hinausgehen, was wir jetzt, Gott sei Dank, abwenden konnten mit dem Gebäudeenergiegesetz.

Die EU war traditionell immer ein Wachstums- und Wohlstandsmotor. Durch den gemeinsamen Binnenmarkt haben alle Mitgliedstaaten davon massiv profitiert. Und ich glaube, es ist wichtig, dass das auch in Zukunft so bleibt. Die Projekte, die momentan in Brüssel drohen, aber auch einige, die in der Vergangenheit schon kamen, gehen aber in die andere Richtung, indem sie nämlich durch eine Überbürokratisierung und Überregulierung die Unternehmen in Europa belasten und damit zu einem Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich führen. Wir wollen aber, dass gerade die mittelständisch geprägte Wirtschaft bei uns nicht über Gebühr belastet wird. Deswegen habe ich angeregt, dass wir uns heute in der Präsidiumssitzung mit diesem Thema befassen. Wir haben daher ein Papier verabschiedet mit dem Titel „Mehr Fortschritt, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in der EU durch weniger Bürokratie“.

Fünf Punkte haben wir aufgenommen, den ersten habe ich schon angesprochen: Technologieoffene und praxistaugliche Lösungen für den Gebäudesektor. Wie gesagt, die Öko-Design-Richtlinie, aber auch die EU-Gebäude-Richtlinie sind hier gerade in der EU in der Pipeline. Hier muss dringend nachgebessert werden, damit die Erfolge, die wir jetzt auf Bundesebene erreicht haben, nicht durch die EU-Gesetzgebung konterkariert werden. Wir haben in Deutschland jetzt gerade ein Gesetz auf den Weg gebracht, das technologieoffen ist. Wenn das durch europäische Lösungen konterkariert wird, wäre natürlich damit nichts gewonnen. Zumal der Sanierungszwang den großen Fehler hat, dass er sich auf den Standard der jeweiligen Länder bezieht. Das heißt, es geht um die am wenigsten energetisch sanierten Gebäude eines Landes, nicht der gesamten EU. Und da Deutschland in den vergangenen Jahren schon große Fortschritte erzielt hat, würden die Deutschen dafür bestraft, dass sie in der Vergangenheit schon sehr viel gemacht haben, weil dann hier Gebäude, die objektiv besser gedämmt sind als Gebäude in anderen Ländern, trotzdem unter diesen Sanierungszwang fallen. Das darf aus unserer Sicht auf gar keinen Fall passieren.

Punkt 2: Eine praktikable EU-Lieferketten-Richtlinie zum Schutz von Menschenrechten. Wir stehen zum Thema Lieferkettengesetz. Wir haben ja auch auf Bundesebene etwas Entsprechendes unternommen. Wir sehen aber, dass das, was jetzt auf europäischer Ebene geplant ist, über die deutsche Gesetzgebung noch hinausgeht, dass es unverhältnismäßige Berichtspflichten enthält und dass es vor allem die Grenzwerte bei der Unternehmensgröße deutlich nach unten absenkt. Wir haben momentan in Deutschland die Grenze bei 3.000 Mitarbeitern gezogen. Sie wird 2024 auf 1.000 Beschäftigte sinken. In den EU-Plänen vorgesehen sind momentan 250 Mitarbeiter. Das heißt: Das ist der klassische kleine deutsche Mittelstand, der dann von diesen Berichtspflichten unmittelbar betroffen wäre. Das würde viele Unternehmen durch die bürokratischen Lasten überfordern.

Punkt 3: Wir fordern, da sind wir im Einklang mit dem französischen Präsidenten Macron, eine Regulierungspause für den Green Deal. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir jetzt auch erstmal Spielraum geben, die bestehenden Vorgaben umzusetzen, und nicht immer noch draufsatteln und die Unternehmen damit zu überfordern und somit auch Planungssicherheit wegzunehmen. Unser entscheidendes Instrument beim Thema Klimaschutz ist ohnehin der europäische Emissionshandel. Den wollen wir stärken, in den wollen wir alle Sektoren einbeziehen, und Unternehmen nicht durch kleinteilige Regulierungen immer weitere Lasten aufbürden.

Vorletzter Punkt: Eine verlässliche, transparente und verbindliche Regelung für stabile Staatsfinanzen, ein Markenzeichen der FDP seit jeher. Wir erleben leider momentan, dass es Diskussionen gibt, die Regeln in der EU aufzuweichen. Es sollen vermehrt bilaterale Abkommen zwischen hoch verschuldeten Staaten und der EU-Kommission möglich sein. Wir lehnen das ab. Wir glauben, wir brauchen verbindliche Regeln, die für alle gelten. Gerade in Zeiten der Inflation, wo wir durch eine galoppierende Staatsverschuldung die Inflation weiter anheizen würden, und gerade auch in Zeiten steigender Zinsen, die natürlich die Staatsverschuldung für die betroffenen Staaten auch immer teurer machen.

Der letzte Punkt: Freihandel statt Subventionen. Da haben wir momentan eine Debatte, befeuert durch die USA mit dem Inflation Reduction Act. Wir lehnen es ab, dass Europa jetzt auf einen Subventionswettlauf mit den USA einsteigt. Wir glauben, dass wir stattdessen lieber eine Freihandelszone der Demokratien in der Welt schaffen sollten, um Wohlstand zu ermöglichen. Wir haben im Bundestag mit der Ampel endlich CETA ratifiziert. Ein großer Fortschritt. Und ich glaube, es ist wichtig, gerade in Zeiten, in denen wir uns unabhängiger machen wollen von Autokratien wie Russland oder China, dass wir im Gegenzug mit unseren befreundeten demokratischen Partnerstaaten einen intensiveren freien Handel betreiben. Und deswegen wollen wir das auf europäischer Ebene auch weiter vorantreiben.

Djir-Sarai: Passend dazu ist heute der Tag der Industrie, bei dem selbstverständlich auch über die richtigen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland reden wird und reden muss. In diesem Zusammenhang wird man auch noch einmal über das Thema Industriestrompreis diskutieren. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das der falsche Ansatz ist. Ein Industriestrompreis ist aus meiner Sicht nicht im Einklang mit der sozialen Marktwirtschaft und wir können nicht jede Form der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland subventionieren. Gerade in einer Marktwirtschaft haben Preise eine Signalwirkung und ein subventionierter Preis würde dazu führen, dass auch falsche Signale gesendet werden. Das wäre eine Wettbewerbsverzerrung.

Es gäbe aber auch keine Anreize, darüber hinaus künftig in ökologische Prozesse in der Industrie zu investieren. Von daher wäre ein solcher Preis falsch. Eine Entlastung für die eine Gruppe wäre eine Belastung für viele andere Gruppen, für Haushalte, für die Menschen in unserem Land, aber auch für Betriebe des Mittelstands. Und von daher wäre ein Industriestrompreis nicht zielführend, sondern wir müssen genau das machen, was Martin Hagen gerade skizziert hat. Wir müssen über gute oder bessere Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland nachdenken, diskutieren und diese anschließend auch umsetzen.

Der Wirtschaftsminister hat sich gestern Abend medial zum Zustand der Bundesregierung geäußert. Er ist der Meinung, dass die Bundesregierung derzeit ein schlechtes Bild abgebe. Oder anders gesagt: Er ist nicht zufrieden mit der Bundesregierung. Das nehme ich zur Kenntnis. Aus meiner Sicht ist es auch für den Wirtschaftsminister, den ich sehr schätze, hilfreich, noch einmal den gesamten Prozess beim Gebäudeenergiegesetz für sich selbst zu bewerten. Es wäre ein wichtiger Beitrag für das Ansehen der Bundesregierung, wenn man von Anfang an keine schlechten Gesetzesentwürfe vorlegen würde, keine Entwürfe, die handwerklich schlecht oder problematisch sind. Ich glaube, wenn man da sauber gearbeitet hätte, wäre uns die eine oder andere Diskussion erspart geblieben. Oder anders gesagt: Eine ganze Reihe von Diskussionen wären uns erspart geblieben.

Wir haben ja auch hier in den letzten Wochen oft darüber gesprochen, was für eine enorme Verunsicherung in der Bevölkerung entstanden ist durch eine unklare und zum Teil fehlerhafte Kommunikation. Wenn man diese Dinge von Anfang an besser gemacht hätte, und da kann der Wirtschaftsminister ja auch mit Blick auf die Zukunft einen Beitrag leisten, dann müsste man sich auch nicht so viele Gedanken machen über das Bild der Bundesregierung, speziell bei dieser Frage.

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