DÜRR-Gastbeitrag: Argentinien handelt, Deutschland zaudert
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr schrieb für „The Pioneer“ folgenden Gastbeitrag:
Während in Argentinien mit Tempo und Entschlossenheit ein marodes System versucht wird, zu erneuern, blicken wir in Deutschland auf Stillstand, Bürokratie und den Niedergang der Industrie. Die wirtschaftliche Stagnation ist nicht das Ergebnis fehlender Möglichkeiten, sondern fehlenden Muts zu Entscheidungen. Union und SPD beweisen gerade, dass man alleine mit großen Worten keine Zukunft gestaltet und die Menschen recht schnell hinter die Fassade dieser Worthülsen blicken. Die Folge: Menschen wenden sich von Parteien ab und trauen ihnen immer weniger zu, für eine bessere Zukunft sorgen zu können. Der vom Kanzler vielbeschworene „Herbst der Reformen“ ist ausgeblieben – übrig geblieben ist ein Herbst des Vertröstens, der Ausreden und der Relativierungen.
Javier Milei hat jetzt in Argentinien gezeigt, dass Reformpolitik nicht nur möglich, sondern mehrheitsfähig ist. Sein Erfolg bei den jüngsten Kongresswahlen gründet auf einer einfachen Erkenntnis: Menschen folgen denen, die ihnen zutrauen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Nach Jahren staatlicher Überregulierung, erdrückender Bürokratie und lähmender Inflation aus der Notenpresse wagte das Land mit der Wahl Mileis zum Staatspräsidenten vor zwei Jahren einen Neustart. Das war sicherlich riskant – aber Stillstand war keine Alternative. Nur zwei Jahre später hat Argentinien wieder eine kräftig wachsende Wirtschaft, getrieben von massiven privaten Investitionen – und das bei einem endlich wieder ausgeglichenen Haushalt, deutlich gesunkener Inflation und zurückgehender Armut im Land. Kein Wunder, dass die Wähler Milei nun erneut ihr Vertrauen ausgesprochen haben.
Friedrich Merz dagegen war schon als Oppositionsführer „völlig entsetzt“ bei dem Gedanken, ein wenig des argentinischen Reformgeistes auch nach Deutschland zu bringen. Im Nachhinein wirkt es wie eine vorzeitige Rechtfertigung für die aktuell reformmüde Politik des jetzigen Kanzlers.
Sicherlich ist Argentinien nicht uneingeschränkt mit Deutschland vergleichbar. Deutschland hat sich aber zu lange in der Komfortzone eingerichtet. Zwischen Verboten, Subventionen, immer weiteren Sozialleistungen und einer unwirksamen und teuren Klimapolitik geht der Glaube an marktwirtschaftliche Dynamik verloren. Statt Freiräume zu schaffen und Impulse zu setzen, verteilen wir seit Jahren nur Lasten — meist auf diejenigen, die Leistung bringen, und nehmen ihnen damit immer mehr die Lust daran. Statt Neues zu wagen, verwalten wir nur noch. So verliert man nicht nur Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch Zuversicht. Die Bürger erleben, wie Reformen angekündigt, aber nie umgesetzt werden. Wie Verantwortung verschoben wird – auf den Koalitionspartner, nach Brüssel, in die Länder oder in die nächste Legislaturperiode. Doch Politik, die sich vor Entscheidungen drückt, verliert ihre Glaubwürdigkeit. Und sie verliert immer mehr Menschen, die sich frustriert den politischen Rändern zuwenden. Es braucht wieder eine Stimme mit Haltung, die sagt: Wir trauen diesem Land die radikalen Reformen zu, die wir brauchen.
Deutschlands Situation ist sicher nicht mit der in Argentinien vergleichbar — aber die Notwenigkeit radikaler Reformen kann keiner leugnen. Die Augen davor zu verschließen, dass die Staatsquote fast 50 Prozent beträgt, führende Wirtschaftsforscher vor der Aufgabe kapitulieren, Ausmaß und Wirkungen der über 500 deutschen Sozialleistungen zu erfassen und es mittlerweile fast 1000 Bundesbehörden gibt, deren Zuständigkeiten oftmals keiner mehr versteht, wäre eine Geisterfahrt immer tiefer in die Krise. Nur radikale Reformen können eine neue Grundlage für Wachstum und Wohlstand schaffen. Milei hat gezeigt, dass derartige Reformen nicht nur für Wachstum, Stabilität und sinkende Armut sorgen können, sondern auch demokratisch mehrheitsfähig sein können. Diesen Mut sollten wir angesichts der Lage auch in Deutschland aufbringen.