DÜRR-Interview: Es braucht es eine Partei, die mutige Reformvorschläge macht
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr gab „Der Glocke“ (Mittwochsausgabe) und „die-glocke.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Peter Wild:
Frage: Noch vor einem Jahr waren Sie als Bundestags-Fraktionschef, wechselweise mit dem damaligen Parteivorsitzenden und Finanzminister Christian Lindner, täglich in den Hauptnachrichten – heute im Kommunalwahlkampf in der Region. Was hat sich mit ihrem und dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag für den Politiker, den Menschen Christian Dürr, verändert?
Dürr: Es sind nicht mehr die klassischen vorstrukturierten Abläufe einer Sitzungswoche des Bundestages, sondern es ist echte Parteiarbeit vor Ort. Und vor allem habe ich die Chance, mehr herauszukommen wie heute hier in Beelen bei dem tollen mittelständischen Unternehmen Hartmann. Dafür habe ich früher nicht die Zeit gehabt. Ich bin jetzt mehr im Land unterwegs und habe die Chance, mitzubekommen, was die Menschen und Unternehmen in ihrem Alltag intensiv bewegt.
Frage: Was bedeutet nicht nur für Sie, sondern vor allem für die FDP der verpasste Wiedereinzug in den Bundestag?
Dürr: Niederlagen gehören zum Leben dazu, und man muss zwei Dinge tun: Erstens Staub abputzen und wieder aufstehen, zweitens daraus lernen. Wir haben Fehler gemacht, auch in der Regierungsverantwortung, und ich stehe auch dazu, dass man das einräumen muss. Ich finde es falsch, wenn Politiker sagen: Ich mach alles richtig, aber trotzdem läuft’s nicht. Wir wollen mit einem neuen Grundsatzprogramm ganz konkret die Probleme der Menschen anpacken. Wir sehen ja zum Beispiel die Probleme bei der Rentenversicherung: Die Menschen zahlen immer höhere Beiträge und gleichzeitig haben die Rentnerinnen und Rentner die Sorge, ob sie noch eine sichere Rente bekommen. Und da braucht es eine Partei, die mutige Reformvorschläge macht.
Frage: Wie wollen Sie die FDP neu aufstellen?
Dürr: Ich will, dass meine Partei wieder mutig wird, auch gerade was Reformpolitik betrifft. Dieses Land braucht Veränderungen, aber wir haben zurecht das Gefühl, alles tritt auf der Stelle und wird nur verwaltet. Es wird viel Geld ausgegeben, aber in Wahrheit ist der Wille zu Reformen verloren gegangen. Die sozialen Sicherungssysteme für die Zukunft fit, das Land wieder wirtschaftlich erfolgreich zu machen: Dafür steht die FDP. Das geht nur durch echten Bürokratieabbau – und nicht nur in homöopathischen Dosen, sondern auf breiter Front.
Frage: Die „Wirtschaftswende“ war am Ende der Ampelkoalition Ihre große Forderung. Sehen Sie bei der neuen Regierung eine Wirtschaftswende?
Dürr: Ich wundere mich über die Union und die Kanzlerschaft von Friedrich Merz, weil eigentlich war die Wirtschaftswende rhetorisch ja die ganze Zeit Thema im Wahlkampf. Allerdings passiert jetzt das Gegenteil. Es ist noch nicht mal ein ,Weiter so‘, man hat eher das Gefühl, es ist ein ,Teurer so‘. Es werden Milliarden Euro Schulden gemacht, und trotzdem reicht das Geld nicht. Es wird sogar schon über Steuererhöhungen gesprochen. Das lässt mich ratlos zurück. Wenn man wirtschaftlich erfolgreich sein will, schafft man das nicht mit mehr Bürokratie und höheren Steuern.