DÜRR-Rede auf dem 76. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokraten

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr hielt auf dem 76. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokraten in Berlin folgende Rede.

 

Es gilt das gesprochene Wort. 

 

„Das Deutschland im Jahr 2025 ist ein anderes als 2013. Nicht wenige vergleichen die aktuelle politische Situation mit der Endphase der Weimarer Republik. Ich glaube nicht, dass sich Geschichte einfach so wiederholt. Aber der Niedergang der beiden liberalen Parteien Ende der 1920er-Jahre ging einher mit einem Erstarken der Extremisten rechts und links. Wenn es eine Lehre aus Weimar gäbe, dann doch wohl diese: Mit der Aufspaltung des politischen Liberalismusʼ in zwei Lager ist nichts gewonnen. Im Gegenteil: Theodor Heuss hat nach der Gründung der FDP gesagt, der Liberalismus lebt von der Spannung zwischen der Freiheit des Individuums und der Verantwortung für die Gemeinschaft. Diese Spannung ist unsere Stärke, nicht unsere Schwäche.

In den vergangenen Wochen, da hat es ja viele Ratschläge gegeben. Ratschläge sind manchmal eben auch Schläge von außen und auch von hinten. Die FDP, sie solle mehr nach rechts, irgendwie konservativ werden. Andere sagen, wir sollten endlich erkennen, der Staat hat es jetzt in der Hand. Mit dem Wirtschaftsliberalismus, da hat es sich doch längst überholt. Liebe Parteifreunde, die die das reden, wir hören sie, aber wir folgen ihnen nicht. Ja, wir haben eine Bundestagswahl verloren. Aber die Konsequenz daraus ist nicht, die Kraft des Liberalismus zu teilen, sondern sie zu stärken. Bürgerrechte, die Freiheit des Einzelnen, seine wirtschaftliche Freiheit. All das gehört zusammen. Wir sind keine Bindestrichliberalen. Wir sind Freie Demokraten.

Liebe Freunde und Freunde. Ich habe in der Aussprache sehr intensiv zugehört. Und da ging es ja auch um das Thema Meinungsfreiheit. Und Lorenz Deutsch hat gesagt, wir müssen aufpassen. Ich teile die Einschätzung, dass wir Narrativen auch gerade der erstarkten Rechten nicht auf den Leim gehen dürfen. Gleichzeitig sagt seit 2023 erstmals in unserer Geschichte die Mehrheit in Deutschland, es sei besser, bei der Äußerung der eigenen Meinung vorsichtig zu sein. Die neue Bundesregierung, sie plant jetzt eine Art öffentlich-rechtlichen Faktencheck zur Tatsachenbehauptung in sozialen Medien. Wenn Menschen den Eindruck haben, dass die Äußerung der eigenen Meinung schwieriger geworden ist, dann haben wir ein ernsthaftes Problem. Und ich denke dabei nicht an diejenigen, die laut in den sozialen Medien herausbrüllen, links und rechts. Ich denke an diejenigen, die sich ins Private zurückziehen, weil sie Sorge haben, dass ihre Meinung weggenommen wird. Es ist vollkommen richtig, es sind insbesondere die politischen Ränder, die den Meinungsraum enger machen. Umso mehr darf der Staat nicht in Verdacht geraten, er würde es auch tun.

Liebe Freundinnen und Freunde, deswegen ist die Verteidigung der Meinungsfreiheit ein Kernanliegen der Liberalen. Gerade in der liberalen Demokratie. Die Reaktion des Staates darf eben nicht sein, dass er anfängt, Meinungen, Tatsachenbehauptungen besonders zu hinterfragen. Man muss mit aller Deutlichkeit sagen, Frau Reichinnek, die wird ja geschützt durch ihr Mandat, weiter öffentlich behaupten und sagen zu dürfen, die Deutsche Bahn AG, sie müsse verstaatlicht werden. Dabei hätte ein Blick in den Beteiligungsbericht des Bundes die Erkenntnis gebracht, dass das absoluter Quatsch ist. Ja, solche Meinungen sind Quatsch, aber sie sind legitim, auch wenn sie von Nichtpolitikern getroffen werden. Und deswegen ist auch der Paragraf 188 des Strafgesetzbuches, der Politiker vermeintlich auf andere Ebenen hebt, nicht mehr zeitgemäß, liebe Freunde und Freunde. Er sollte abgeschafft werden. Das ist ein Beitrag zur Meinungsfreiheit aus Sicht der Freien Demokraten.

Die Meinungsfreiheit ist die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Das haben wir, wie viele in der Aussprache vorhin gesagt haben, bereits während der Corona-Pandemie gemerkt. Wir hatten als Freie Demokraten damals die Aufgabe, einen Meinungsraum zu schaffen für all diejenigen Menschen in Deutschland, die nicht mit Aluhüten durch die Gegend gelaufen sind. Die waren auf den Straßen unterwegs und all diejenigen, die gesagt haben, ich bin Teil des Teams Vorsicht, die hatten auch ihre Vertreter. Es waren die Freien Demokraten, die denjenigen eine Stimme gegeben haben, die gesagt haben, diese Maßnahmen sind nicht verhältnismäßig und müssen rechtsstaatlich hinterfragt werden. Das waren wir, die genau das getan haben.

Machen wir uns nichts vor, bei dieser Bundestagswahl haben die Parteien in Deutschland an Vertrauen verloren. Bei der Bundestagswahl sind am Ende insbesondere die Extreme links und rechts die strahlenden Sieger gewesen. Und ich will es deutlich sagen, alle müssen sich hinterfragen. Auch wir müssen uns hinterfragen. Aber eins will ich auch in aller Klarheit sagen angesichts des Bundestagswahlkampfes, der hart und teilweise etwas merkwürdig war: Die Antwort darauf kann nicht sein, dass man sämtliche Überzeugungen nach der Bundestagswahl über Bord wirft. Ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Die 180-Grad-Wende der Union, sie ist auch aus Demokratiegesichtspunkten ein Fehler. Man kann nicht das Gegenteil tun, was man im Wahlkampf versprochen hat. Denn genau das kostet doch das Vertrauen in die Demokratie.

Ich habe heute Morgen dieser brillanten Rede von Udo Di Fabio sehr genau zugehört. Ich kann nur alles unterstreichen, was er gesagt hat. Er hat gesagt, da ist die Alternative zu Deutschland. Ich weiß gar nicht, ob es ein Fehler war, aber er bringt eine Sache wirklich sehr gut auf den Punkt. Das ist das, was diese Partei sein will: Sie will eine Alternative zu unserer liberalen Demokratie sein. Und das werden Freie Demokraten niemals zulassen.

Ich sagte, man darf Überzeugungen nicht über Bord werfen nach einer Bundestagswahl. Wir tun das nicht. Christian Lindner hat bei seiner Rede auf dem Bundesparteitag nach der Wahl 2013 kritisiert, dass die damalige Große Koalition, die sich dann gebildet hat, sich auf 23 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben verständigt hat. 23 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben. Ich komme gleich noch mal im Vergleich zu heute darauf zu sprechen. Aber, lieber Christian, ich will ganz persönlich als politischer und persönlicher Freund Dir ganz herzlich danken. Ich schließe mich dem Dank aller auch heute in der Aussprache und in den Reden an. Als Parteivorsitzender bist Du heute gewürdigt worden, aber ich will angesichts genau dieser finanzpolitischen Frage etwas hinzufügen, nämlich Dein Wirken als Bundesfinanzminister. Mit Deiner Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts hast Du einen ganz wichtigen Beitrag geleistet. Oder um es mit einem Wort zu sagen, das Du gerne benutzt: Dereinst werden wir noch dankbar dafür sein, dass Christian Lindner genau diese stabilitätsorientierte Reform in Europa durchgebracht hat.

Also damals ging es um 23 Milliarden Euro. Heute reden wir von zusätzlichen Schulden von bis zu einer Billion Euro in Deutschland. Und zwar für die Bürgerinnen und Bürger, nicht für den Staat. Denn das werden am Ende die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land schultern. Wenn man das herunter rechnet, bedeutet das für jeden in Deutschland vom Baby bis zum Rentner 12.000 Euro pro Kopf.

Ich will an dieser Stelle ein Lob auch an die Landesebene geben. Wir haben mit zwei Regierungsbeteiligungen in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz mit Lydia Hüskens und Daniela Schmitt ganz wichtige Partner im Nachklang gehabt. Im Deutschen Bundestag haben wir dieses Paket abgelehnt. Und was haben Aiwanger auf der einen Seite oder die Linkspartei auf der anderen Seite die Backen aufgeblasen, dass sie das Ganze im Bundesrat verhindern wollen. Die Linkspartei umgekippt, Aiwanger umgekippt. Gestanden haben die Regierungsbeteiligungen der Freien Demokraten im Bundesrat mit Lydia und Daniela.

Liebe Freund, Freunde, wir haben gestanden, in dieser Debatte. Ein Kolumnist einer großen deutschen Tageszeitung hat es treffend beschrieben, was die Union da gemacht hat. Er sagt, es ist etwa so, als ob Saskia Esken kurz nach der Wahl gesagt hätte, die SPD hätte neu nachgedacht und gesagt, wir sind jetzt dafür, die Einkommensteuer für alle, die mehr als eine halbe Million Euro verdienen, komplett abzuschaffen. Oder Wolfgang Kubicki von der FDP würde kurz nach der Wahl sagen, Sozialismus ist die Lösung, ich habe das eingesehen, als ich mit Gregor Gysi Kaffeetrinken war. SPD-Wähler würden in Massendemos toben vor Wut. FDP-Wähler würden wahrscheinlich auswandern. Unionswähler leiden stumm zu Hause. An all diejenigen, die damit nicht zufrieden sind: Es gibt die Freien Demokraten. Liebe Freunde und Freunde, es gibt die Freien Demokraten in Deutschland.

Die Schuldenbremse ist für uns kein Selbstzweck. So nach dem Motto Glaubensdogma. Darum geht es nicht. Es geht um die Frage, ob Politikerinnen und Politiker, die in Verantwortung stehen, auch Verantwortung für zukünftige Generationen bereit sind zu unternehmen. Eins braucht eine Gesellschaft: den Zusammenhalt der Jüngeren und der Älteren. Und das, was nicht geht, ist, dass heutige Politikergenerationen Entscheidungen treffen komplett zulasten der jungen Generation. Das ist mit den Freien Demokraten nicht zu machen und deswegen haben wir dagegen gestimmt.

Aber auch in der Sache haben wir Kritik angemerkt. Das war ja nicht nur im Stile merkwürdig, sondern es ging auch in der Sache in die falsche Richtung. Da wird jetzt von Investitionen geredet. In Wahrheit ist es, wie wir wissen, zusätzlicher Schuldenspielraum im Bundeshaushalt für eine neue Koalition. Was sind die Entscheidungen, die damit zusammenhänge, die teilweise sogar von der Union gefeiert werden? Neue E-Auto-Subventionen, die Mütterrente. Und wisst ihr, was ich besonders spannend fand? Die Senkung der Strompreise. Na, da freut sich erst mal jeder. Diese Bundesregierung, die kümmert sich um die Strompreise. Wir erleben also eine Situation in Deutschland, in der künftig die Strompreise durch Subventionen über die Netzentgelte, durch den Bundeshaushalt, das heißt durch den Steuerzahler bezahlt werden. Das ist kein Grund zum Feiern. Ich sage das auch den Unternehmen und Großkonzernen in Deutschland: Die richtige Energiepolitik muss her und nicht niedrige Preise, finanziert durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist keine Ordnungspolitik, also keine Wirtschaftsförderung.

Und natürlich gibt es Beifall, auch teilweise von Beamten, die sagen, jetzt geht man mal in die Vollen mit zusätzlichen Staatsschulden. Den Beifall wird es zwischenzeitlich geben. Noch einmal: Die Schuldenbremse ist kein Dogma, sondern sie ist unser Kompass in der Frage der Generationengerechtigkeit zwischen Jüngeren und Älteren. Über eine Zahl wird in diesen Tagen ganz wenig geredet. Durch die Entscheidung dieser neuen Bundesregierung wird in Deutschland die Staatsquote steigen. Das heißt, der Anteil des Bruttoinlandsprodukts, der vom Staat gelenkt wird, vom Staat entschieden wird, wird größer. Und der Teil, über den private Haushalte und private Unternehmen verfügen, wird kleiner. Das ist kein Grund zum Feiern. Allein in diesem Jahr auf über 50 Prozent im kommenden Jahr auf über 51 Prozent Staatsquote. Helmut Kohl hat einmal gesagt, ab 50 Prozent Staatsquote, da beginnt der Sozialismus. Ich will mir das gar nicht zu eigen machen. Aber wenn man die eigene Definition der CDU zugrunde legt, dann wäre Friedrich Merz der erste sozialistische Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Die Staatsquote zeigt, dass der Staat über genug Geld verfügt. Das Problem in Deutschland ist nicht, dass der Staat im Verhältnis zu den privaten Haushalten zu wenig Geld hat. Das Problem ist, dass Politiker nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und Mut zu fassen. Zum Mut hat uns Udo Di Fabio heute aufgerufen, Mut zu Entscheidungen! Das heißt eben auch, dass man mal unpopuläre Entscheidungen trifft.

Natürlich kann man alles mit Subventionen zuschütten. Am Ende kann es nicht so sein, dass der Staat über Subventionen versucht, jetzt ein Konjunkturstrohfeuer anzufachen. Wir brauchen in Deutschland mehr Mut zu grundsätzlichen Reformen. Das muss die Maßgabe der Politik sein. Aber es geht in diesen Tagen um die Frage, ob die politische Mitte den Mut hat. Und das Signal dieses Bundesparteitages muss sein, die Freien Demokraten haben den Mut zu grundsätzlichen Entscheidungen und Änderungen in der Bundespolitik. Deutschland, gerade in der Wirtschaftspolitik.

Denn die Koalition rühmt sich jetzt damit, die Wirtschaft anzukurbeln. Und gleichzeitig vergisst sie eine Gruppe, nämlich die Fleißigen in der Mitte unserer Gesellschaft. Wenn man sich den Koalitionsvertrag durchliest, ist für alle irgendwie was drin, aber nicht für die Fleißigen in der Mitte unserer Gesellschaft. Das ist übrigens aus meiner Sicht keine Gehaltsfrage, sondern es ist eine Frage, ob das Aufstiegs- und Wachstumsversprechen noch gilt in Deutschland. Stattdessen wird genau diese Mitte in den kommenden Jahren wegen mangelnder Reformen steigende Sozialabgaben erleben. Und das hat bereits reale Auswirkungen auf die Familien bei uns im Land. Drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft. Die neue Bundesregierung lässt diejenigen allein, die ihre Lebenschancen in die eigenen Hände nehmen wollen. Das sind die wahren Leistungsträger.

Ich will einen Blick in diese Familien werfen. Wenn ich mir den durchschnittlichen deutschen Haushalt angucke, den sogenannte Medianhaushalt, der genau in der Mitte der Vermögensseiten steht, dann hat genau dieser in den letzten Jahren in seinem Nettovermögen von über 90.000 Euro auf 76.000 Euro verloren, während die Vermögen in anderen europäischen Ländern, sei es Italien oder Spanien, größer sind. Das bilden sich die Menschen nicht ein. Deren Lebenschancen werden kleiner. Das ist eine ganz konkrete Frage für eine junge Familie im Oldenburger Land, bei mir in Niedersachsen. Nämlich die Frage, wenn beide Eltern arbeiten, ob man sich ein Eigenheim leisten kann. Genau um diese Mitte geht es uns, liebe Freundinnen und Freunde. Das treibt uns um.

Nun hat der Bundeskanzler in dieser Woche eine Regierungserklärung abgegeben. Und ich will eins vorab sagen, bevor ich zu anderen Themen komme: Ich finde es gut, dass Friedrich Merz als erstes die Außenpolitik adressiert hat. Denn wir leben in einer Zeit, in der die Regelgebundenheit in der internationalen Ordnung in Frage gestellt ist. Seit dem Februar 2022 mitten in Europa durch Putin in Frage gestellt, der gewaltsam Grenzen verschieben will. Durch diesen fürchterlichen Krieg sind viel zu viele Menschen schon gestorben. Gleichzeitig wird die internationale Handelsordnung, die NATO, all das wird immer wieder hinterfragt. Und eines muss für Freie Demokraten gerade in dieser Phase absolut klar sein: nämlich unsere Grundprinzipien von Walter Scheel, Hans Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und Guido Westerwelle.

Wir stehen genau in dieser Tradition der freidemokratischen Außenpolitik. Es ist die Westbindung und die europäische Einigung. Das leitet uns auch jetzt in der außerparlamentarischen Opposition nach wie vor, um es in aller Klarheit zu sagen. Es ist eine werteorientierte Außenpolitik. Deswegen ist unsere Position in Bezug auf die Ukraine so glasklar. Sie war aber nie moralisierend, sie war auch nie missionarisch. Sie ist darauf ausgerichtet, den Frieden und die Freiheit in der Welt zu verteidigen. Das mag manchmal unpopulär und unbequem sein, aber an dieser Stelle werden die Freien Demokraten nicht weichen. Wertebasierte Außenpolitik ist unser Markenkern und wird es auch in Zukunft sein.

Gleichzeitig will ich sagen, dass das Gewicht der Bundesrepublik Deutschland in der Welt mit einem zweiten Teil zusammenhängt, denn unsere geopolitische Stärke ist immer und wird auch in Zukunft unmittelbar mit unserer ökonomischen Stärke verbunden sein. Deswegen will ich auch über das reden, was Friedrich Merz zu dieser Regierungserklärung noch gesagt hat oder auch nicht gesagt hat. Es war ja angekündigt als der große Wurf, als die mögliche Agenda 2030. Ich musste gestern Abend ein bisschen schmunzeln, als ich im Ticker las, dass derjenige, der die Rede im Bundeskanzleramt geschrieben hat, der Redenschreiber von Olaf Scholz war. Ich musste deshalb schmunzeln, weil Marco [Buschmann] und ich uns darüber ausgetauscht hatten, weil es mir irgendwie komisch vorkam. Der Bundeskanzler hat ja Olaf Scholz ausdrücklich gelobt. Ich will es ganz offen sagen: Die Rede von Friedrich Merz hätte ganz genauso von Olaf Scholz gehalten werden können, inklusive des Lobes für Olaf Scholz. Da habe ich wenig Unterschied gespürt.

Aber ein Teil hat gefehlt – ich habe eben über die Familien der Mitte gesprochen: All das, was mit wirtschaftlicher Dynamik zusammengehangen hat, das waren eher Floskeln. Das war wenig Konkretes. Das deutsche Lieferkettengesetz soll abgeschafft werden. Ja, okay, aber man kann sich nicht darauf einigen, echten Bürokratieabbau auch beim europäischen Lieferkettengesetz zu machen – keine Einigung innerhalb der Koalition. Und alles andere, was man sich hätte wünschen können – übrigens aus dem Koalitionsvertrag, es war bereits vereinbart mit der SPD seinerzeit in der Wachstumsinitiative – in Bezug auf die Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit wird jetzt auf einmal wieder hinterfragt. Da muss ich ehrlich sagen, da ist mir der Kurs der neuen Koalition noch nicht ganz klar. Wir werden das kritisch begleiten. Bärbel Bas hat gesagt, die Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit, also von der Tagesarbeitszeit auf die Wochenarbeitszeit, das würde unter Umständen an den Zeiterfassungssbögen scheitern. Eine Koalition, die die wirtschaftspolitische Wende will, die darf nicht an Zeiterfassungsbögen scheitern. Deswegen will ich, dass auch wir als Freie Demokraten größer denken.

Bürokratisierung, Bürokratieabbau – machen wir uns nichts vor – das kommt in jeder Sonntagsrede eines Politikers vor. Es gibt keinen Politiker in Berlin Mitte, der nicht sonntags von Bürokratieabbau spricht. Das Problem ist immer montags bis freitags, wenn die Entscheidungen getroffen werden. Ich glaube, als Freie Demokraten sollten wir größer denken. Jeder Bürger kennt das. Jeder Unternehmer kennt das. Wenn man zum Bürgeramt geht, um den Pass zu beantragen, wenn man die Steuererklärung macht, wenn man die Baugenehmigung beantragt. Jeder kennt das. Man gibt gegenüber dem Staat immer wieder Daten an, die der Staat längst von einem hat. Man ist sozusagen eine Art Dauerdienstleister gegenüber dem Staat. Der Staat hat sie schon, nur an anderer Stelle. Wie wäre es denn, wenn wir in Deutschland es gesetzlich verbieten, dass der Staat Daten erhebt, die er bereits von einem hat? Es würde folgendes passieren: Der Staat, der richtet sich in Zukunft nach mir und der Bürger muss sich nicht mehr nach dem Staat richten. Das ist die Mission der Freien Demokraten, insbesondere beim Thema Bürokratieabbau.

Aber da ist mehr drin. Ich glaube, dass insbesondere – ich sprach eingangs davon – der Zuspruch für die Extremisten in Deutschland in dem begründet ist, was Udo di Fabio heute in seiner Rede bereits angedeutet hat. Es ist aus meiner Sicht zu allererst die Enttäuschung der Menschen in Deutschland ob der mangelnden Reformkraft der politischen Parteien der Mitte, ob der mangelnden Reformkraft und Reformvorschläge, etwa so einer, wie ich ihn gerade ganz konkret gemacht habe. Die Menschen wissen, dass sich etwas ändern muss, damit es besser wird. Aber sie erwarten von Politikerinnen und Politikern genau diesen Reformmut. Udo Di Fabio hat das Ende März in einem Namensbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung wie folgt gefasst: Die Mitte hat sich in den 20 Jahren der Kanzler Merkel und Scholz immer mehr konzeptionell entleert, so lange, bis auf dem ideell unbestellten Acker vor allem der rechte Rand reiche Ernte machen konnte. Ich glaube, Udo Di Fabio bringt es sehr gut auf den Punkt: Wenn es keinen Mut zur Veränderung gibt, dann werden die Ränder stärker. Und weiter ruft er uns als FDP zu: Es geht darum, das Ziel neu zu justieren. Jedes politische Angebot muss seinen klugen Kern immer wieder neu in die Zeit stellen. Genau dieses Angebot müssen wir machen, diesen Mut zur Erneuerung müssen auch die Freien Demokraten aufbringen. Wir müssen diesem Land ein programmatisches Angebot mit Mut machen. Auch Disruption in der Sache. Denn die Menschen wollen, dass sich etwas ändert. Und die einzigen, die dazu in der Lage sind, Änderungsvorschläge zu machen, die größer sind, das sind die Freien Demokraten.

Ich glaube, dass wir unsere Grundüberzeugungen, zu denen ich unvermittelt stehe, im Konkreten neu definieren müssen. Denn die Zeiten sind neu. Die FDP, sie gibt eigenständige Antworten auf die relevanten Fragen der Zeit, bei der Rente beispielsweise die gesetztliche Aktienrente. Und ich könnte vieles andere nennen. Aber ich glaube, da müssen wir noch mehr Gehirnschmalz reinstecken. Wir sollten da nicht denkfaul zu sein.

Wir Freie Demokraten, wir haben eigene Ideen und eigene Werte und eigene Konzepte. Es ist unsere aller Aufgabe, die immer wieder neu für die relevanten Fragen der Zeit zu übersetzen. Wir brauchen genau diese konzeptionelle Kraft. Ich möchte, dass wir mit dieser Arbeit auf diesem Bundesparteitag beginnen. Deshalb schlage ich vor – ich weiß, einige von euch freuen sich schon darauf –, dass wir 13 Jahre nach dem Beschluss der Karlsruher Freiheitsthesen ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten.

Ja, ich möchte, dass wir ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten. Aber ich möchte auch, dass wir dabei nicht stehenbleiben. Ich will, dass wir noch einen Schritt weitergehen. Mein Ziel ist es, dass wir unsere liberalen Zielsetzungen und Überzeugungen in die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen übersetzen. Wir sollten uns nicht auf das Grundsätzliche beschränken. Wir müssen jeder und jedem die Frage beantworten können: Was bedeutet das für dich? Das ist ein konkretes Grundsatzprogramm unter dem Arbeitstitel – ich will ihn einfach mal vorschlagen – „Freiheit Konkret“, für alle Menschen in Deutschland.

Ich will auch eines unterstreichen: Ich bin dankbar, dass sie in manchen Reden heute schon angeklungen ist, diese auch programmatische Erneuerung der Freien Demokraten. Sie wird keine Eine-Frau- oder Ein-Mann-Aufgabe sein. Es fängt mit Euch an, es fängt mit uns an, es fängt mit Dir an, mit jedem einzelnen von Euch. Ich will einen breiten programmatischen Prozess unter Beteiligung aller 70.000 stolzen Mitglieder der Freien Demokraten.

Wir wollen dem Land zeigen, dass man dieses Land besser machen kann, mit sehr konkreten Antworten für die Zukunft. Das sollte unsere Mission sein. Ich möchte, dass wir uns auch für andere öffnen. Ich möchte, dass wir ein offener Debattenraum werden, auch für andere kluge Köpfe in der deutschen Gesellschaft. Diese schwierige Phase, in der die Menschen nicht mehr den Eindruck haben, dass Politiker den Mut haben, dieser Debattenraum zu sein, ist eine großartige Gelegenheit, uns zu öffnen. Es ist auch eine Gelegenheit – ich weiß, dass sich das viele wünschen – unsere Strukturen, unsere Prozesse zu überprüfen. Die Beteiligung der Mitglieder der FDP, sie ist mir ein Herzensanliegen an diesem Prozess und an all dem, was in den kommenden Jahren kommt.

Ich möchte deshalb, dass wir natürlich auch unsere Prozesse anschauen und uns überlegen, wo wir sie reformieren können. Ich werde vorschlagen, sollte ich zum Bundesvorsitzenden gewählt werden, dass ein Mitglied des Bundespräsidiums für genau diese Parteireform zuständig ist. Ich will, dass wir inhaltlich die modernste Partei in Deutschland sind. Ich will aber, dass wir auch organisatorisch die modernste Partei der Bundesrepublik Deutschland werden.

Und die Themenfelder? Sie sind auch in unserem Leitbild. Ich will einen Punkt ansprechen, der mir wichtig ist, weil ich glaube, dass treibt die Menschen neben der wirtschaftlichen Entwicklung sehr um. Die FDP, sie ist Bildungspartei. Aber auch hier müssen wir aus meiner Sicht neu denken. Ich glaube, dass unser Land an verschiedenen Punkten einheitlich hohe Standards braucht. Und ich möchte ein sehr konkretes Beispiel dafür geben. Ich glaube, Eltern müssen sich unabhängig davon, wo sie wohnen, darauf verlassen können, dass insbesondere am Start der schulischen Bildung ihrer Kinder, nämlich in der Grundschule, alle Kinder einer Klasse über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Ich will das deshalb sagen, weil, wenn das nicht flächendeckend der Fall ist – und das darf nicht abhängen von der Ideologie einer Landesregierung –, dann bestraft es die Kinder, die kein Deutsch können, ganz genauso wie die Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist. Das hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Das ist unfair gegenüber jedem und deshalb muss es sich in Deutschland ändern. Jedes Kind muss bei der Einschulung Deutsch können und wer es nicht kann, der muss bereits in der Kita beschult werden. Das ist gelebte Chancen- und Startgerechtigkeit im Leben. Der beste Start ins Leben, das ist gelebte soziale Gerechtigkeit.

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Ich glaube auch, dass wir – ich habe einige Ausführungen zur Wirtschaftspolitik gemacht – bei einem Thema die Wirtschaftspolitik in Deutschland breiter denken müssen. Das niedrige Wachstumspotenzial unseres Landes, es hängt auch damit zusammen, dass wir eine älter werdende Gesellschaft sind. Ich will das in aller Deutlichkeit sagen: Der demografische Wandel – es ist ein Geschenk, dass Menschen in Deutschland gesünder und älter werden. Mein Vater ist in diesem Jahr 84 Jahre alt geworden, und wenn ich die Uhrzeit richtig sehe, ist er wahrscheinlich gerade dabei, meine Kinder von einer Sportveranstaltung abzuholen, um sie zu meiner Schwiegermutter zu bringen. Er ist integraler Bestandteil der sozialen Infrastruktur meiner Familie und ich bin auf das Lebenswerk und das unternehmerische Lebenswerk meines Vaters unglaublich stolz.

Es ist ein Geschenk, dass Menschen gesünder und älter werden. Gleichzeitig können Politiker nicht die Augen davor verschließen, dass eine älter werdende Gesellschaft zu steigenden Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung führt. Während die Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im aktiven Arbeitsleben eben kleiner wird – diejenigen, die in das System einzahlen. Diese Rechnung kann ohne mutige Reformen nicht aufgehen – ein Grund, warum die FDP die Aktienrente erfunden hat. Das wissen die Menschen in Deutschland. Sie spüren es und ich glaube, dass die Menschen in Deutschland es nicht goutieren, wenn Parteien immer wieder sagen: Das verschieben wir in Kommissionen, damit beschäftigen wir uns nicht im Wahlkampf. Ich zitiere Friedrich Merz aus dem Bundestagswahlkampf, der sagte auf die Frage, was mit Rentenpolitik sei, man müsse sie verstetigen. Was heißt denn verstetigen an der Stelle? Wir dürfen dieses Problem nicht ignorieren. Es wäre ungerecht gegenüber der älteren Generation und auch gegenüber den jüngeren Menschen in Deutschland.

Das wird, neben aller Richtigkeit von Rentenreformpolitik, wo wir viele Ideen haben und weiterentwickeln sollten, ich will es aussprechen, ohne mehr Arbeitskräfte nicht gelingen können. Die Rechnung wird nicht aufgehen, die berechtigten Ansprüche der älteren Generation zu erfüllen, die jüngeren nicht über Gebühr zu belasten und gleichzeitig für Wachstum zu sorgen. Wie wäre es also – und das meine ich mit Freiheit Konkret und konkreten Konzepten –, wenn wir die hoch umstrittene Migrationspolitik in Deutschland einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten, nämlich aus einem wirtschaftlichen?

Im ersten Halbjahr 2024 gab es 15.300 dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für qualifizierte Arbeitskräfte, im selben Zeitraum etwa dreimal so viele für Asylbewerber im subsidiären Schutz. Müsste es nicht ganz genau umgekehrt sein? Ich will Euch von einer Begegnung berichten. Im vorvergangenen Jahr war ich in Niedersachsen unterwegs und habe eine Flüchtlingseinrichtung besucht. Wir gingen durch die Räumlichkeiten. Da saß eine junge Familie mit zwei Kindern an einem Tisch und aß gerade zu Mittag. Der Leiter dieser Einrichtung sagte zu mir, das ist eine Familie, die kommt aus Kolumbien. Und dann sagte er, die Wahrscheinlichkeit, dass die einen Aufenthaltstitel in Deutschland bekommen, beträgt 0,4 Prozent. Die Anerkennungsquote für kolumbianische Flüchtlinge in Deutschland ist 0,4 Prozent. Jetzt gibt es Forderungen von SPD, Grünen und Pro Asyl, das müsse viel, viel höher sein. Diese junge Familie, mit der ich ganz kurz sprechen konnte, diese junge Familie, die da zu Mittag aß, die Eltern waren gut ausgebildet, studiert. Als Liberaler blutet mir das Herz, wenn ich das sehe. Warum sitzt eine junge Familie, die Eltern gut ausgebildet, in einer niedersächsischen Flüchtlingsunterkunft? Warum sind die nicht längst in Lohn und Brot in einem niedersächsischen Unternehmen? Da läuft etwas grundsätzlich falsch an dieser Stelle.

Ich will es klar sagen: Für mich steht außer Frage, dass der Staat die irreguläre Migration nach Deutschland unterbinden muss. Bezeichnend übrigens gerade die Posse innerhalb der Koalition, wo man sich jetzt dafür feiert, dass es in wenigen Tagen neun Zurückweisungen an den Grenzen gegeben hat. Ja klar, da muss Recht und Gesetz durchgesetzt werden. Aber als ob das jetzt der einzige Game Changer wäre. Nein, das sind nur ein paar Stellschrauben. Ich glaube, es ist klüger, da anzusetzen, weshalb in Deutschland die irreguläre Migration so hoch ist. Ich will es in aller Klarheit sagen und da brauchen Liberale Klarheit, weil sie Chancen bringen sollen: Es sind eben auch die Sozialleistungen, weshalb Menschen insbesondere nach Deutschland über das Asyl- und Flüchtlingssystem kommen. Ich will es zusammenfassen: Ich bin eher bereit, auf diese Sozialleistungen zu verzichten als auf kluge Talente für unseren Arbeitsmarkt, die in Deutschland eine Zukunft haben. Da müssen wir klarer werden.

Andere europäische Länder, die machen uns das vor. In Schweden kommen auf einen Asylbewerber drei Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt. In den Niederlanden ist das Verhältnis sogar fünf zu eins. Das ist deshalb nicht inhuman. Ich finde, es ist inhuman, wenn man Menschen, die Lust haben durchzustarten, in ein Asyl- und Flüchtlingssystem im Sozialstaat packt. Die Bundesrepublik Deutschland, sie muss endlich ein modernes Einwanderungsland werden. Wir sind weltoffen, wir freuen uns über Talente. Unsere Türen werden für all diejenigen offen sein, die unsere Werte teilen, sich an Recht und Gesetz halten, bereit sind, die deutsche Sprache zu lernen und im deutschen Arbeitsmarkt unterwegs zu sein. Das ist werteorientierte Migrationspolitik. Wir sind eine weltoffene Partei. Wir wollen, dass Talente zu uns kommen in den Arbeitsmarkt, wo sie sich integrieren können, wo sie eine Chance haben im Leben und nicht im System geparkt werden von linken Ideologen.

Ich sage das auch deshalb – und es kam in der Aussprache zu Wort –, weil ich als Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag im Januar eine sehr bedenkenswerte Sitzungswoche erlebt habe. Herr Merz hat etwas angezettelt, ohne jeden Plan. Sozialdemokraten und Grüne haben sich vom Acker gemacht. Die Freien Demokraten waren in dieser Situation – ich rede von der Asylwoche – die einzige demokratische Kraft der Mitte, die Vermittlungsversuche unternommen hat. Der eigentliche Skandal in der Woche und an diesem Tag war, dass Herr Merz nicht wusste, was er tat. Der einzige Skandal war das Verhalten von Sozialdemokraten und Grünen. Aber wir haben in dieser Woche als FDP nicht aus eigener Stärke bei einem zentralen Thema der deutschen Politik gehandelt. Wir waren auch defensiv unterwegs. Eine Situation, die wir nicht verursacht haben. Aber eines habe ich mir fest vorgenommen: Ich will beim Thema Migrationspolitik nie wieder aus der Defensive agieren. Denn das, was ich gerade gesagt habe, diese Haltung, sie wird von 70 Prozent der Menschen in Deutschland geteilt. Sie sind weltoffen. Wir freuen uns über Talente. Ich will nie wieder in die Situation kommen bei einem so zentralen Thema, dass die Freien Demokraten Getriebene sind. Um es in aller Klarheit zu sagen: Es muss endlich leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten. Das ist unsere Mission bei diesem so wichtigen Thema für unsere Wirtschaft und für unsere Gesellschaft.

Zum Abschluss: Die neue Bundesregierung wird absehbar auch diejenigen alleine lassen, die ihre Lebenschancen in die eigenen Hände nehmen wollen. Soloselbstständige beispielsweise, auch die Bezieher von kleineren Einkommen, die es finanziell manchmal schwer haben, für die es sich manchmal sogar nicht wirklich lohnt, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen. Ich will auf eine Posse der letzten Woche zu sprechen kommen, wo Freidemokraten aus meiner Sicht ganz andere Antworten geben könnten. Die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat vorgeschlagen, Selbstständige sollten in Zukunft in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Ganz neuer Vorschlag. Noch nicht von gehört. Für mich ganz überraschend, wie man auf so eine ‚großartige Idee‘ kommen kann. [lacht] Ehrlicherweise: Es löst keinerlei Finanzierungsproblem in der gesetzlichen Rentenversicherung, weil der durchschnittliche Selbstständige in Deutschland 50 Jahre alt ist. Der durchschnittliche Arbeitnehmer ist 44 Jahre alt. Dem System ist null geholfen. Es kam das Dementi der Union prompt leicht verhallten. Sinngemäß: Wir haben zwar auch keine eigene Idee, aber dazu gibt es ja einen Arbeitskreis, wo wir darüber reden können.

Wie wäre es, wenn wir auch hier das Ganze mal von einer ganz anderen Seite denken? Ich sprach gerade von Menschen mit kleinem Einkommen, für die es sich manchmal nicht wirklich lohnt, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen. Ich will zum Schluss deshalb von Timo berichten. Ich habe Timo im letzten Jahr in einem mittelständischen Unternehmen getroffen. Timo ist beschäftigt in diesem Unternehmen als Hilfskraft in einer unteren Lohngruppe, verdient den Mindestlohn. Und Timo hat mir erschrocken von seinem Rentenbescheid berichtet. Ein junger Mann, der von seinem Rentenbescheid berichtet. Er hat gesagt, aus eigenen Rentenansprüchen, wenn er Vollzeit tätig war, 45 Versicherungsjahre hinter sich hat und in den wohlverdienten Ruhestand eintritt, wird er eine gesetzliche Rente von 930 Euro erhalten. Davon gehen dann noch einmal die Krankenkassenbeiträge ab. Jemand mit kleinem Einkommen wird im Rentneralter also in jedem Fall auch Bittsteller beim Staat sein müssen, weil die Grundsicherung insgesamt mit den Kosten der Unterkunft höher ausfallen wird. Timo wird also, obwohl er Vollzeit gearbeitet hat, am Ende auch beim Staat als Bittsteller auftreten müssen. Das sind Menschen, die sich trotz geringer Löhne dazu entschieden haben, hart zu arbeiten, anstatt Transferleistungen zu erhalten. Wie wäre es, wenn wir anstatt Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen, Geringverdiener aus der gesetzlichen Rentenversicherung entlassen? Wie wäre es, wenn jemand in der geringsten Einkommensgruppe die Chance hätte, die vollen 18,6 Prozent Rentenversicherungsbeiträge kapitalgedeckt anzulegen? Bei einer durchschnittlichen Verzinsung wäre Timo nach 45 Versicherungsjahren fast Millionär und nicht Bittsteller beim Amt. Das ist der Unterschied zwischen freidemokratischer Politik und linker Ideologie. Das ist der Unterschied. Wir wollen Menschen nicht zu Bittstellern machen, sondern wir wollen Menschen zum Pilot ihres eigenen Lebens machen.

Ja, ich weiß, das sind erste Gedankensplitter. Ich wollte Euch nur zeigen, dass wir größer und breiter denken müssen und auch können. In uns steckt so viel Kraft. Wir haben Zitronen geliefert bekommen. Daraus will ich, dass wir Tausende von Litern großartiger, bester Limonade machen. Diese Kraft steckt in uns. Diese Kreativität, sie steckt in jedem Freien Demokraten. Ich will, dass wir genau diese Kreativität für Deutschland entfalten. Das ist mein Ziel. Ja, wir haben einen Weg zu gehen. Kein Zweifel. Und ich will niemandem was vormachen. Das wird ein sehr harter Weg werden. Es wird unter Umständen sogar Rückschläge geben. Es wird ein jeder viel von sich selbst abverlangen müssen. Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Wie Detlef Parr von den liberalen Senioren es eben so schön gesagt hat: Das ist nichts für Feiglinge, keine Frage. Aber Liberale sind keine Feiglinge. Wir sind bereit, unserem Land ganz neue Antworten zu geben. Ich will, dass jeder Einzelne in Deutschland eine echte Chance auf eine großartige Zukunft hat. Es wird auf unseren Einsatz, unser Engagement, unsere Ideen, unsere Überzeugung und unser Herzblut ankommen. Aber genau deswegen muss uns als Freidemokraten nicht bange sein. Wir sind Teil eines großartigen Teams, die für die gleiche Sache brennen. Und wenn wir zusammenhalten und wenn wir zusammenarbeiten, können wir es mit allen politischen Mitbewerbern in Deutschland aufnehmen.

Ich freue mich auf diese Chance, wenn ihr mir sie gebt. Keine Frage: Das wird keine Eine-Frau- oder Ein-Mann-Aufgabe sein. Aber ich will, dass wir bereits jetzt das Signal von diesem Parteitag ausgehen lassen, dass mit den Freien Demokraten zu rechnen ist. Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen, bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg mit Uli Rülke, bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz mit Daniela Schmitt. Liebe Freundinnen und Freunde, ich will, dass wir uns ab heute aufmachen, die Freien Demokraten zu der Partei in Deutschland zu machen, die aus unserem Land wieder ein Zukunftsland macht.“

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