DÜRR-Statement: Die Politik darf nicht allein auf antisemitische Vorfälle reagieren – Antisemitismus muss aktiv verhindert werden
Nach der Entzündung des Chanukka-Leuchters mit dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Berlin, Yehuda Teichtal, gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr das folgende Statement ab:
Dürr: „Rabbiner Yehuda Teichtal und ich kennen uns bereits viele Jahre. Ich bin jetzt in neuer Rolle dankbar, diese Tradition im Hans-Dietrich-Genscher-Haus fortsetzen zu dürfen – dieses Jahr und in den folgenden Jahren.
Lieber Yehuda, vielen Dank, insbesondere für deine positive Energie, die in diesen Tagen und Zeiten wichtiger denn je ist. Ich bin eurer Gemeinde dankbar für eure Sichtbarkeit – im wahrsten Sinne des Wortes insbesondere bei diesem Lichterfest. Und gleichzeitig […] schauen wir auch auf dunkle Zeiten, die wir mit Licht füllen wollen. Angesichts des schrecklichen Anschlages in Sydney ist mir eine Botschaft ganz besonders wichtig: In solchen Stunden reden Politiker oft von Anschlägen auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Das ist es nicht. Es ist ein Anschlag auf uns. Jüdinnen und Juden in Deutschland sind keine Mitbürger. Sie sind Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Sie sind Teil der deutschen Gesellschaft. Solche Anschläge sind immer auch Anschläge auf uns. Das muss deutlich werden.
Und das heißt auch Handeln. Ich bin davon überzeugt: Dass wir auch in Deutschland immer wieder so etwas sehen, das ist allein schrecklich genug. Aber nicht die Reaktion auf Anschläge ist entscheidend, sondern es ist entscheidend, dass Politik vorweg handelt. Wenn ich beispielsweise daran denke, dass auch hier in Berlin immer wieder Demonstrationen mit antisemitischem Hintergrund und antisemitischen Parolen stattfinden – unter den Augen des Grundgesetzes. Auch solche Äußerungen sind Anschläge auf uns.
Deswegen muss die Politik reagieren. Ich denke beispielsweise über die Frage nach, dass ja die letzte Koalition das Staatsbürgerschaftsrecht in Deutschland bereits geändert hat. Es ist nun nicht mehr möglich, dass Personen mit antisemitischem Hintergrund deutsche Staatsbürger werden. Ein erster wichtiger Schritt. Ich glaube, wir müssen in Deutschland aber auch über das Aufenthaltsrecht nachdenken und sprechen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die hier antisemitische Straftaten begehen oder antisemitisch auffällig sind, in Deutschland bleiben. Solche Menschen müssen unser Land verlassen, denn sie sind eben nicht Teil der Gemeinschaft.
Das Gleiche gilt übrigens auch für das, was der Staat tut, in Bezug auf Finanzierung – beispielsweise im Kunstbereich. Dass mit Steuermitteln Dinge unterstützt werden, die einen antisemitischen Hintergrund haben, widerspricht dem Geist des deutschen Grundgesetzes. Selbstverständlich gilt das insbesondere auch für die deutschen Hochschulen. Es ist für mich unerträglich, dass jüdische Studentinnen und Studenten nicht sicher in Deutschland studieren können. Das ist nicht etwas, was wir nur dann kommentieren sollten, wenn ein konkreter Fall vorliegt. Sondern das ist etwas, was wir als Politik, als Staat, als Gesellschaft, die die deutschen Hochschulen finanzieren und die Hochschulfreiheit hochhalten, niemals akzeptieren dürfen. An öffentlichen Hochschulen ist es inakzeptabel, dass unsere Bürger, dass Menschen, die in Deutschland leben und studieren wollen, dass die nicht in Freiheit genau dies tun können.
Diese Botschaft soll heute auch von hier ausgehen. Deswegen will ich um Verständnis bitten, dass ich mich so deutlich politisch an dieser Stelle äußere, und gleichzeitig Yehuda Teichtal für das Licht und die Energie danken. Deine Art, deine Mitmenschlichkeit sucht seinesgleichen. Ich würde mir von genau diesem Spirit manchmal auch mehr in der deutschen Politik wünschen. […]
Auf ein friedliches, wunderbares Lichterfest! Denn es ist eben auch ein Fest der Familie, ein Fest der Gemeinschaft. Als solche fühlen wir uns hier und heute.“