DÜRR/BÜTTNER/TONCAR-Statement: Die Freien Demokraten sind der Gegenentwurf zur Politik des Stillstands
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr, die FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner und das FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Florian Toncar gaben nach der Bundesvorstandsklausur der Freien Demokraten das folgende Statement ab:
Dürr: „Die aktuelle politische Lage war natürlich Thema in der Bundesvorstandsklausur der Freien Demokraten am Sonntag und am Montag. Die Zahlen, die wir lesen, sprechen eine sehr eindeutige Sprache: 13.000 Stellen bei Bosch, 14.000 bei ZF und – wie wir jetzt gehört haben – 4.000 Stellen bei der Lufthansa, die gestrichen werden. Die wirtschaftliche Situation ist das eine. Das andere ist: Dahinter stehen die Existenzen von vielen Hunderttausenden Familien. Nicht nur die Industrie in Deutschland, sondern insbesondere der Mittelstand leidet unter dieser katastrophalen Wachstumsschwäche – und es ist kein Ende in Sicht.
Das, was wir mittlerweile auch demoskopisch sehen, ist, dass die Menschen und die Unternehmen im Land zusehends den Glauben daran verlieren, dass sich noch etwas ändert. Die Überschriften, die wir in den letzten Wochen gelesen haben von der neuen Bundesregierung: Man wolle weniger streiten, und jetzt käme der Herbst der Reformen. Ich erinnere mich dabei geradezu sarkastisch an die Situation im Herbst letzten Jahres vor dem Ende der Ampelkoalition, als man auch weniger streiten wollte und ein Herbst der Entscheidung anstand. Am Ende ist das nicht gekommen. Jens Spahn hat ja bereits in der Fraktionssitzung der CDU/CSU verkündet, dass man von einem Herbst der Reformen gar nicht mehr sprechen solle. Das wird offensichtlich in einem Winter der Untätigkeit enden. Genau davor haben die Menschen Sorge.
Klar ist mittlerweile, dass man sich einen Aufschwung in Deutschland nicht erkaufen kann. Man muss hart arbeiten, und die Menschen verlieren zusehends den Glauben daran, dass die Regierung von Friedrich Merz dazu noch in der Lage ist. Es wird viel Geld ausgegeben, trotzdem werden Straßen nicht gebaut, und offensichtlich werden Prioritäten in der Regierung nicht gesetzt. Stattdessen setzt man auf viele neue Schulden und möglicherweise sogar zusätzliche Belastungen. Fast niemand glaubt mehr, dass unser Land gut gerüstet ist für die Zukunft, und kaum jemand glaubt daran, dass die aktuelle Bundesregierung in der Lage ist, das zu ändern. Genau an dieser Stelle – und das war der Anlass unserer Klausurtagung – wollen die Freien Demokraten ein sehr klares inhaltliches Angebot machen. Wir wollen die Partei sein, die für radikale Veränderungen in Deutschland steht und dafür, dass das, was die Menschen als Reformerwartung an die Politik haben, endlich wieder erfüllt wird.
Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel nennen. Der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, spricht ja regelmäßig davon, dass die Menschen in Deutschland keine Lust auf Arbeit hätten. Ich will ihm heftig widersprechen. Ich glaube, die Menschen haben sehr wohl Lust, etwas zu leisten. Aber die Frage ist: Stimmen die Rahmenbedingungen? Kann man beispielsweise darüber nachdenken, ob es im Rahmen des Arbeitsrechts möglich ist, wenn Menschen auf Urlaubstage verzichten und dafür mehr Gehalt bekommen wollen? Kann man auch über eine Veränderung des Sozialstaates sprechen und bei der Frage der Anreize über neue Instrumente nachdenken, beispielsweise, dass Sozialleistungen – ähnlich wie beim BAföG – zurückzahlbar ausgezahlt werden? Also Vorschläge, die unseren Sozialstaat treffsicherer machen, anstatt nur darüber zu lamentieren, dass die Menschen angeblich zu faul sind.
Ich glaube das nicht. Die Menschen haben Lust auf Leistung. Aber die Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen nicht mehr. Und daran muss sich etwas ändern. Das waren konkrete Beispiele, wie wir sie diskutieren. […] Es ist unser Ziel – darüber haben wir an diesem Wochenende in der Klausur gesprochen –, dass die Freien Demokraten der Gegenentwurf zu dieser Politik des Stillstands sein wollen. Und daran arbeiten wir.“
Büttner: „Die Bundesregierung wird morgen zur Kabinettsklausur zum Thema Staatsmodernisierung tagen. Was wir konstatieren können, ist, dass die Bundesregierung es geschafft hat, in Windeseile große Schulden auf den Weg zu bringen. Bei konkreten Reformen, Gesetzesentwürfen und Modernisierungsvorhaben sieht es noch ein bisschen anders aus. Wir hoffen, dass es nicht bei diesen Ankündigungen, Kommissionsbildungen und Absichtserklärungen bleibt. Denn statt immer neue Kommissionen einzusetzen, muss die Regierung jetzt schnell Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen.
Es ist richtig, dass ein Digitalministerium geschaffen wurde, aber es reicht eben nicht, einfach ein neues Türschild an ein Gebäude hier in Berlin zu hängen. Wir müssen dieses Ministerium auch mit den entsprechenden Durchgriffsrechten ausstatten. Denn sonst bleibt es ein zahnloser Tiger. Wir wissen längst, dass ein großer Teil dieser neuen Schulden gar nicht primär in Digitalisierung oder Infrastruktur fließt, wie das mit den Sondervermögen eigentlich gedacht war, sondern dass ganz viel eben auch in das Stopfen von Haushaltslöchern fließt.
Kanzler Merz und seine Regierung müssen sich jetzt an die harte Arbeit machen, das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen und aufzubauen. Denn diese Politik der Mutlosigkeit, die wir derzeit sehen, untergräbt dieses Vertrauen nur weiter. Für uns Freie Demokraten ist ganz klar, was die wichtigsten Schritte sind: Echte Staatsmodernisierung durch gezielte Investitionen, Bürokratieabbau, seriöses Haushalten und eine entschlossene Digitalisierung.
Jetzt möchte ich in unseren Grundsatzprogrammprozess einführen. Immer weniger Menschen haben das Gefühl, dass Politik und Parteien die Herausforderungen der Zeit überhaupt noch bewältigen können. Sie empfinden Politik oft wie einen Fahrplan, bei dem am Bahnhof nie so richtig etwas ankommt. Sie spüren nicht mehr, was die Politik und deren Diskussionen konkret mit ihrem Leben zu tun haben. Wir wollen das mit dem neuen Grundsatzprogrammprozess anders aufziehen und liberale Lösungen definieren, die wirklich nah an der Lebensrealität der Menschen sind.
Um neue Impulse und Ideen zu gewinnen, haben wir gesagt: Wir fragen die Menschen, was in ihnen vorgeht. Menschen denken nicht in Zuständigkeiten von Ministerien und Abteilungen. Sie denken über Lebenszusammenhänge nach, so wie sie sie in ihrem Alltag erleben. Es interessiert die Menschen auch nicht, ob Probleme an Zuständigkeitsproblemen, föderalen Strukturen oder Ministerialzuschnitten scheitern. Das ist für Bürgerinnen und Bürger nicht akzeptabel.
Deshalb gehen wir jetzt neue Wege mit dem Grundsatzprogrammprozess und denken nicht aus Arbeitsgruppen- und Fachausschusssicht, sondern so, wie uns Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen mitgegeben haben. Viel zu oft denken wir ja in starren Strukturen, wie wir sie nur allzu gut kennen – etwa in Bürgerämtern –, und gar nicht wie ein Start-up. Wir wollen viel näher an der Realität der Bürger sein.
Das Programm entsteht durch ein transparentes, datengestütztes Beteiligungsverfahren. Wir haben in der ersten Phase gefragt, wo die Menschen aktuell Herausforderungen sehen und wo sie Chancen erkennen. Über 5.500 Menschen haben sich beteiligt – Mitglieder, aber auch Bürgerinnen und Bürger. Diese vielen Zulieferungen haben wir anhand von KI geclustert, also Muster darin gefunden. Auch Zukunftsstudien haben wir hinzugezogen, die eingeflossen sind. Daraus sind jetzt zwölf Themenfelder entstanden, die verschiedene Politikbereiche abdecken – nicht in den Silos bestehender Politikbereiche bleiben, sondern ein umfassenderes Bild zeichnen.
[…] Ein Beispiel ist das Cluster ‚Von der Komfortzone zu neuem Erfolg – Politik für Leistung und Anpacken‘. Im Alltag erleben die Menschen eine Politik, die fast ausschließlich nach mehr ruft: mehr Umverteilung, mehr Subventionen, mehr Steuern. Und diese Haltung belastet Bürgerinnen und Bürger wie auch die Wirtschaft. Statt ständig neue Einnahmequellen für einen aufgeblähten Staat zu suchen, sollten wir radikal prüfen, wo Aufgaben und Ausgaben reduziert werden können.
Dazu kommt das ständige Gefühl, dass alles teurer wird, während man selbst auf der Stelle tritt. Die Menschen strengen sich an, aber am Ende des Monats bleibt einfach nicht mehr übrig. Das frustriert sie: zu sehen, wie wenig Anreize es für manche gibt, Verantwortung zu übernehmen, während sie zugleich das Gefühl haben, dass sich Leistung gar nicht mehr lohnt. Das erzeugt eine tiefe Ungerechtigkeit, die immer mehr in unserer Gesellschaft spürbar ist. Und das spaltet – das sehen wir jeden Tag.
[…] In diesem Cluster wollen wir also Werte mit Strukturreformen verknüpfen. Wir suchen Antworten auf die Frage, wie Leistungsbereitschaft und Produktivität wieder in Schwung kommen können – und wie sich dieses Leistungsprinzip von der Arbeitswelt bis zum Spitzensport wieder durchziehen kann.
Ein weiteres Cluster heißt ‚Deutschland im Aufbruch – Modernisierung schafft neue Zuversicht‘. Staat und Gesellschaft wirken in Deutschland ja wie blockiert: strukturell, mental, politisch. Veraltete Verwaltungsprozesse, innovationshemmende Regelungen – Sie kennen das. Fragmentierte Zuständigkeiten bremsen Fortschritt. Pessimismus, Innovationsmüdigkeit und das Gefühl der eigenen Ohnmacht lähmen das Land. Es fehlt Mut. Es wird immer zuerst neue Technologie reguliert, statt ihren Nutzen zu erkennen. Wir wollen den Staat modernisieren: Verwaltung verschlanken, Föderalismus reformieren, Vertrauen zurückgewinnen. Der Staat muss so funktionieren wie Ikea – dass man sich darauf verlassen kann.
[…] Das sind nur zwei Cluster, die wir Ihnen hier vorgestellt haben. Die anderen können Sie natürlich auch einsehen.“
Toncar: „Ich sage auch gerne noch ein paar Takte zum Grundsatzprogramm, weil mir wichtig ist zu betonen, warum es gut ist und warum es sinnvoll ist. Natürlich wollen Parteien verändern, die Gesellschaft prägen und ihre Vorstellungen umsetzen. Sie müssen Programme haben und sagen, was sie wollen. Das völlig veränderte transatlantische Verhältnis, die Fragmentierung der Weltwirtschaft, die Bedrohung durch Russland – das sind völlig neue Entwicklungen. Daher braucht die FDP auch ein Grundsatzprogramm, das zu diesen Fragen Antworten formuliert.
Ich glaube, es ist aber auch wichtig, dass wir Freie Demokraten über unsere Inhalte sprechen. Das Grundsatzprogramm ist ja auch der beste Anlass, um mit den Bürgerinnen und Bürgern über Inhalte und Ideen ins Gespräch zu kommen. Es geht um die Richtung, die ein Land braucht: Freiheit, Eigenverantwortung, Respekt, Toleranz. Diese Werte kann man sehr gut mit dem Grundsatzprogramm verbinden. Ich glaube, dem Land fehlt zurzeit vor allem Orientierung und Richtung. Deswegen verspreche ich mir von diesem Prozess neben der inhaltlichen Klärung auch, dass wir über Themen, Grundwerte und die notwendige Richtung sprechen können.
Das soll kein rein interner Prozess sein, sondern auch ein Anlass, auf die Gesellschaft zuzugehen. Deshalb haben wir diesen Prozess bewusst transparent aufgestellt […] mit verschiedenen Beteiligungsphasen und Clustern. Wir fragen bewusst: Was wollt ihr eigentlich von einer liberalen Partei? Und was sind Projekte und Lösungen, die ihr, liebe Bürgerinnen und Bürger, braucht? Der Prozess ist also gezielt in die Gesellschaft hineingerichtet.
In der nächsten Phase werden wir online eine Befragung starten, die sich vor allem auf Lösungsideen konzentriert. Das wird sehr transparent einsehbar sein. Wer möchte, kann eine Idee auf der Homepage hochladen, kommentieren und genau verfolgen, wie sie im weiteren Prozess bearbeitet wird. Unsere Kreisverbände und Untergliederungen werden in den kommenden Wochen in Workshop-Formaten ebenfalls an Ideen für das Grundsatzprogramm arbeiten. Der Bundesvorstand hat auf Vorschlag des Bundesvorsitzenden Arbeitsgruppen gebildet, die ebenfalls Beiträge in diesen Prozess liefern.
Ziel ist, dass im Dezember oder Januar ein Textentwurf entsteht, der wiederum in einer breiten, auch öffentlichen Konsultation vorgelegt wird. Die zeitliche Zielmarke ist der Bundesparteitag im nächsten Jahr. Das ist gut erreichbar, weil wir heute mit technischen Hilfsmitteln sehr effizient arbeiten können.
Wichtig ist aber nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Prozess selbst. Wir wollen ihn nutzen, um ins Gespräch mit den Menschen zu kommen und neue technische Möglichkeiten auszuprobieren, die in der Vergangenheit weder wir noch andere Parteien genutzt haben, um echte Partizipation zu schaffen.“